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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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1. Heft
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Literatur / Miszellen / Korrespondenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0025

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beginnen, aus dcni leidcr zu entnchmen seiu wird,
daß wir nicht so sehr zur Hülfe fühig, als vielmehr
selbst schr hülfsbedürftig sind.

An Mittcln zur Beischafsung dcs KirchenschmuckeS
^ sehlte es bisher bei uns nicht; den» man lann
kühn behaupten, dafi scit zwanzig bis dreifiig Jahren
nirgends in den wciten Gauen des grofien dentschcn
Vaterlandes so Vieles hiefür verwendet wurde,
als in nnsercm armen Tirol. Es ist ein Jrrthnm
zu glaubcn, die christliche Neligion blühe nnr in
reichcn Ländern und nur gleichzeitig mit dem allge-
meinen bürgerlichen Wvhlstande, vielmehr ist dcr
Spruch nur zu wahr, daß: „Wenn dic Nath am
ärgsten drückt, man sich der Gottheit nähcr rückt."
— Der lebendige Knnstsinn nnseres Volkes wurzclt
in seiner angcstammten glänbig frommen Gesin-
niing. Seinc Geschmacksrichtnng aber haftct noch
fest an den Traditionen der Zopfzeit. Es fällt
daher bci der allcn Gebirgsbewohnern eigenen
dramatischen Lebendigkcit nnmittelbarer Anschan-
ung sehr schwer, den alten, cinfachen, so würdigen
nnd feicrlichen Kirchenstyl wicder einzuführen. Gc-
lingt es einmal, cinige mnstergültige Arbeitcn in
allen Zweigen der christlichen Kunst anfznstcllen,
nnd wird das Volk in die tiefe Bedentsamkcit der-
selben eingeführt, so wird die Wiederkehr znm
christlichen Alterlhnine mit entsprechender ja auf-
fallender Raschheit erfolgen; denn an Sinn für
das Gute nnd Schöne fehlt es unserem Volke durch-
ans nicht, das beweist seine rege Opfcrwilligkeit,
die gerade in keinem Zweige der christlichen Knnst
sv glänzend hervortritt, wie in der Beischaffung
des Kirchenschmuckes.

Wenn ein Volk ein Bedürfnifi nach höheren
Dingen, eine Freudc und ein Verlangen nach dcr
Zierde des Hanses Gottes hat und dieses Verlan-
gcn durch eine seinen Verhältnissen aiigemcffcne
Opferwilligkeit bethätigt, so bcsitzt es einen lcben-
digen nnd ivahren christlichcn Kunstsinn, selbst dann
noch, wenn die Wahl der Formen, die Geschniacks-
richtung, eine verfehlte ist; denn es liebt dann dic
Kunst nicht um der Knnst willen, svndcrn ans cinem
viel höheren Bewcggrunde, nämlich der Sache
wegcn, die ihin heilig ist nnd die ihm über Alles
geht. Man verlange vom Vvlke nicht, was dcr
ordnende Sinn wissen nnd die bildenden Hände
können svllen. Es kämc nur darauf an,^nnscrem
Vvlke einmal einen im niittelalterlichen «tyle ge-
fertigtcn Kirchenornat vor die Angen zn bringcn;
denn in Sachen der bildenden Kunst geht eS niit
Reden allein nicht ab, da inuß man sehen, und bis-
her bekam es nur nenmodisches Zeug zu Gesichte,
HLufig sogar die elendsten Fabrikprodukte. Jn
gar nicht seltenen FLllen wird auch auf die kirch-
lichen Gewänder die Straminstickerei und wcrden
Muster dabei angewcndct, die wir anmvdernen Pan-
tvffeln und Kanape-Polstern zu sehen gewohnt sind.
Eine große Nolle spielt der rothe Sammt und die
Goldslickcrei auf Sammt nnd weißem Atlas oder
Moirö. Glasperlen, Baumwollsammt nnd derlei
Surroqate komnien nicht vor. Schnitt und Zeich-
nung sind durchaus so fatal alS möglich, nnd von
der alten Symbolik ist keine Ahnung mchr vor-

handen. Behänge, welche sür die Wände geeignet
wären, sind in der Regel in der Form von unge-
hener großen zopfigen Baldachinen über den Altar-
ban ansgebreitet. Ob man hiebci die ungeschickte
Anordnnng, oder den natürlichen Drang, die zopfi-
gen zn den liturgischen Handlungen nicht stimmen-
den Kunstgebilde zu verdecken, mehr bewnndern
soll, ist schwer zu entscheiden. Wir haben nnr einen
Fall zn berichten, in dem es versucht wurde, einen
dem mittclalterlichen Style sich annähernden Ornat
zn verfertigen. Das geht nicht leicht auf einmal,
um sv weniger, wenn cs an geeigneten Händen
mangelt, die in der edeln niittelalterlichen Technik
geübt sind. So lange alle Ornamente vvn Pappe
ansgeschnitten und kreuz nnd queer mit Goldfaden
übernäht werden, kann vvn einer sich freier gestal-
tcnden natürlichen Forni nnd einer kunstgerechten
Behandlung keine Rede sein. Anerkenneiiswerth
blcibt abcr immerhin im genannten Falle der edle
Wille des Bestcllers nnd die Bemühnng des zcich-
ncnden Künstlers, der leidcr dnrch zu viele Hinder-
niffe beengt war, nm das zu lcisten, was er hätte
leisten könneii nnd wollen. Aus gewobenen und
gemusterten Stvffen wird nur das Alltägliche an-
gefertigt, und sind die Erzengnisse sv werthlos, daß
sic den ordinärsten Mvbelstoffen gleich zu achten si'nd.

Um nun auf den cinen Punkt, nämlich anf die
Anfertigung eines innstergültigen Ornates im alt-
dcutschen Style wieder znrück zu kvmmen, wollen
wir es versuchen, einen mvglichen Fall nnr leise
anzudeuten. Ein solcheS Nnternehmen ließe sich
wohl am leichteste» durch einen Verein von meh-
reren Frauen und Jungfraiien ansführen. Ein
solcher Verein müßte sich's vor Allem angelegen
fein lassen, die alte Technik der Nadel zn erfvrschen,
nnd sodann in dicser Weise, nnter der Leitnng cincs
Künstlcrs, cine dcrartige Kunstarbeit ausführen.
Wcnn wir bedenken, daß bei nns so wenig mehr
von altenParamenten übrig ist, nnd das hicr in der
Nähe noch Ilebrige großentheils von den Stifts-
damen in Hall herrührt, sv liegt es allerdings schr
nahe, an das hochadelige Damenstift in Jnnsbruck
zu denken. Diescn kunstsinnigen Damen, welche
ausschließlich u»d mit großer Hingabe froinmen
Zwecken leben, dürft? cin solches Ilnternehmen viel-
leicht noch am ehesten gelingen. Cin solches Produkt
weiblicher Kunstthätigkeit, und wäre es auch kein
ganzer Ornat, svndern nnr eine Casula oder eine
Jnfnl — würde ein neues Studium, eine neue
Schnle mittelalterlicher Stickerei begründen, und
sich außerdem auch noch als Festgabe für uiisern
neu ernannten hochwürdigsten Fürst Bischof V i n-
cenz ganz besonders cignen, und um nvch etwas
zu sagcn, zur Grnndung eines christlichen Kunst-
vereines das ihrige bcitragen. Wir reden nur an-
deutungsweise, ohne im geringslen mafigebend sein
zu wvllen.

Nnn schließen wir den Bericht mit dem Wunsche,
daß Jhr Jonrnal bei nns im Tirolerlande nur recht
große Verbreitnng finden müge. Wir sind auch
der fcstcn Ueberzeugung, daß die Verbreitnng ge-
lingen nnd es grvße Früchte bringen werde.
 
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