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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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3. Heft
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Kreuser: Briefe an eine edle Frau, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0049

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36

Alles nur in dieftm Zeichen, keine Kirche ist
Kirche, kein Altar Altar, kein Heilsmittel
Heilsmittel ohne das Kreuz, keine priesterliche
Handlung ist gültig ohne das Kreuz, und so
wenig ohne Kreuz ein Chrtstenthum bcsteht,
wie die Kirchenväter sagen, ebenso wenig,
füge ich hinzn, ist ohne Kreuz ein priester-
liches Gewand und eine christliche Stickerei
möglich. Spricht dicse Behauptung für sich
selbst, so sollte man.sagen, der eiufache Satz:
das Kreuz mit dem Gekreuzigten gehört aus
die Kasel, wäre ebenfalls leichtverständlich und
Ledürfe keiner weitern Worte und Erklärun-
gen. Glücklich für uns, wenn's noch so wäre,
aber die Kunst unserer Zeit zeigt es zu unserer
Beschämung, daß wir nicht einmal mehr ver-
stehen ein Kruzifir zu machen und aus dem
Geiste der Schrift aufzubauen. Unsere Frauen
sind ohne ihr Derschulden ebenfalls keiue Kö-
niginnen von Saba, die* beim ersten An-
blicke das zukünftige Kreuz erkannte, und so
werde ich Jhre Gebuld in Anspruch nehmen
müssen über einen Gegenstand, über welchen
Niemand eines Unterrichtes zu bedürfen glaubt.
Um mit dem Haupte zu beginnen, so sey das
Haupt geneigt. Warum? weil die Schrift
berichtet, daß der Heiland sein Haupt neigte,
ehe er starb. Wohin geneigt? stkach rechts,
d. i. der Seite, wo die göttliche Mutter stand,
oder mit andern Worten nach Norden. Nor-
den cder Mitternacht ist nach der Sprache der
Schrift auch die geistige Nacht und Finsterniß,
die der Herr durch sein Sterbeu lichtete. Jm

* Eine schäne Sage erzählt, wie Adams
Sohn ein Reis vom Paradiesesbaume erhielt.
Dieses erwuchs später zum Kreuzesbamn. Salo-
mon wollte den Stamm znm Tempelbau benntzen,
allein er wollte sich nirgends einsiigen, war bald zu
kurz, bald zu lang, und alle Arbeit an ihm war
vergebens. Der Holzblock wurde daher als Brncke
uber den Bach Cedron benutzt und lag verwürflich
da. Als aber die Königin vvn Saba den Salo-
invn besnchte mid nber die Brncke schreiten sollte,
that sie dieß nicht, svndern ging durch den Bach,
da sie die knnstige Bestimmmig des Stammes zmn
Kreuze ehrfurchtsvvll erkanntc. Später ward er in
dem Teiche Bethesda versenkt, endlich vvn den Ju-
den herausgeholt, mn das Kreuz für den Herrn
aus ihin zu verfertigen.

Nordeu wohueu auch die böse» Geister, uud
ihr Haupt erbaute sich seiueu Throu gegen
Mitternacht, wie der Prophet sagt, um dem
Höchften enigegeiizutreten. Das nach Nordeu
geneigte Haupt sprtcht also dasselbe aus, was
der Vorleser des Evangeltums tn der Messe
thnt, der sich ebenfalls nach Norden wendet,
um die Ftnsterniß durch das Licht zu ver-
scheucheu. Von den Augen könnten wir auch
noch reden. Bet einigen guten Bildern des
Mittelalters finden wir dte Augen geschlossen,
weil der Herr durch seineu Tvd die Welt er-
löste; allein auch geöffnete, besser gcsagt,
nicht zugedrückle Augen werden gefunden,
und der Künstler dachte an den Löwen von
Juda, der nte schläft, aber sein Volk Jsrael
bewacht. Wie die Alten nämlich glaubten,
schläft der Löwe mit offenen Augen, ist ein
Sinnbild des Heilandes und steht in dieser
Bedeutung als Wächter an so vielen Eingäu-
gen christlicher Kirchen.

Was dieArme betrifft, so seyen sie gerade
ausgespannt oder gebogen, in derselben Weise,
wie der Priester beim heiligen Opfer bctet,
oder wie er sie beim Zurufe: vominus vobi»-
eum HLlt. Da liegt aber der Gedanke für
Viele nahe: das ist sa nicht natürlich, so
kann ja keiner hangen, das körperliche Ge-
wtcht zieht ja nteder. Alles richtig, sinn-
lich richtig, und die guten Alten wußten das
so gut als wtr. Der Unterschied ist blos, daß
sie nicht natürlich vder beffer blos sinnlich
darstellen wollten, vielmehr geistig. Was
deuten dte ausgestreckten Häude desjenigen,
der nicht nurMensch war, sondern auch Gott,
und dadurch aufrecht erhalten sein Erlösungs-
iverk vollbrachte? Sie deuten auf die hohe
Liebe, die selbst voreinst sprach: „wenn ich
einst am Kreuze erhöht seyn werde, so werde
ich Alles an mich ziehen." Also der Ge-
kreuzigte breitet dte Arme aus, um uns Alle
in setner Liebe an sich zu ziehen. Auf dem
Gelehrtenverein zu Ulm vor zwet Jahren wurde
ein altes Kreuz gezeigt, das die Arme sogar
nach unten auSgespannt hielt. Daß der alie
Künstler auch eiitftrnt hicr an Hangen nicht
 
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