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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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3. Heft
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Kreuser: Briefe an eine edle Frau, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0050

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37

dachte, leuchtet ein; aber um so eiudringlicher
verlebendigte er den Gedanken der Alle um-
fassenden Heilandsliebe. Was sollen die prie-
! sterlich gebogene» Arme? Sie sind dieOpftr-
stcllung des Priesters. ChristuS ist aber nicht
blos das Opfer, sonderu auch der Hoheprie-
ster, der sich selbst als Opfer ftinem ewigen
Vater am Kreuze darbrachte. Sehen wir ge-
nauer zu, so finden wir die rechte Hand häufig
ftgnend mit den drei offenen Vorderfingern
und den zwei geschlosftnen Hinterfingern, die
linke Hand dagegen ftgnet nie, auch bei kei-
ncr andern Darstellung. Mir scheint, deut-
licher könne nicht ausgesprochen werden, was
einst der ewige Richter thun wird, der seine
Schafe zur Rechten, die Böcke zur Linken
stellen, die Einen segnen, die Andern verwer-
fen, die Einen tn die Wohnungen seines himm-
lischen Vaters, die Andern in's ewige Feuer
weisen wtrd.

Steigen wir zur Brust des Heilandes nie-
der, so ist die Seiten- oder Herzenswunde zu
beachten, aus welcher Blut und Wasser flofi.
Zu bemerken ist aber auch, daß die rechte
Seite für den Beschauer und den Heiland selbst
die linke Seite ist, wogegen nicht Wenige ge-
dankenlos fehlen, welche das Herz rechts ver-
setzen. Viele Alten ließen auch die Rippen
etwas stark hervortreten, für schwachnervige
Neuere ein unschöner Anblick; aber vorein-
stige kräftigerc Geschlechter gedachten dabei
der Worte des Prvpheten im Psalm: »sie
haben meine Gebeine gezählt", und fanden
in dem Zähleu erbauenden Stoff zu Betrach-
tungen über die Liebe des Hetlandes.

Ueber das Leudentuch darf ich billtg weg-
gehen, wclches sog. Griechler fast bandartig mit
wehender Wimpel darstellen. Ueberhaupt will
^ jetzt jeder Gimpel, der nie ein griechisches Buch
gesehen hat, klassisch thun und — nackt grie-
cheln. Glauben Sie aber ja nicht, daß die
Griechen so große Liebhaber des Nackten ge-
j wesen seyen. Sie haben selber in der Odyssce
mit Wohlbehagen gelesen, wie Odysseus, ge-
i wiß ein gntcr Grieche, sich fast mädchenhaft
schämt, vor der edeln Nausikaa zn erscheinen.

DerAltvater und GeschichtschreiberHerodotos
sagt auch in seiner Geschichte des Gyges, wie
mit dem Kletde noch viel mehr ausgezogen
wird. Sogar der wüste Römer im wüstesten
Spiele gab den Gladiatoren einen Scham-
gürtel, und was vom klassischen Nackten ge-
fabelt wird, möchre bei nähercr Untersuchung
mehr in der neuern Unwissenheit und Sinn-
lichkeit, um nicht zu sagen Schamlostgkeit, als
in dem klasstschen Wesen der Heiden begründet
seyn. Allein schon mehr als zu viel hierüber.

Was nun die Beine betrifft, so sind diese
schnurgerade zu halten, und vielleicht werden
wir ein anderes Mal darüber reden, wober
die Sitte, die Beine zu biegen und überein-
ander mit einem Nagel zu nagcln, nach dcm
Abendland gekommen ist. Geschichtlich steht
fest, daß bei der Kreuzauffindung vier Nägel
gefunden wurden, zwei für die Hände und zwei
für die Füße, und daß die Füße aus einem
Fußblocke (rnixxiäaiieum) ruhten, wodurch
schon von selbst die neuere übertriebene Er-
höhung der Arme eine Frage wird. Endlich
ist es ein Gesetz der alten Kunst, alles Heilige
nur in ungetrübter Ruhe ohne die Verzer-
rungen des Leides abzubilden, und wie viel
mchr ist dieses Gesetz bei dem Heilande anzu-
wenden, der trotz setner Erniedrigung als
Mensch dennoch immer Gott bleibt.

Nach den Füßen ist uoch etwas ;u beachten,
was die Alten nte vergessen; aber unser über-
müthiges, nicht übermuthiges Geschlecht fürch-
tet sich an Todtenköpfe und Todtenbeine zu
denken, geschweige sie zu bilden. Die Alten i
nämlich, wie Sie bei Jhrem eigenen schö-
nen alten Kruzifire sehen, versäumten nie,
unten am Kreuze einen Schädel über zwei
übereinander gekreuzten Todtenknvchen an-
zubringen. — Auch dieses hat seinen guten
Grnnd. Der Ort, wo der Heiland am
Kreuze den Tod erlitt, heißt ja die Schädel-
stätte, und hierüber erzählen nicht blos die
christlichen Kirchenväter, sondcrn auch dieJu-
den folgende schöne Sage. Adam, aus dcm
Paradiese vertrieben, gab sterbend im Vorge-
fühle der künftigen Erlösung seinem Sohne
 
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