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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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3. Heft
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Fey, André: Die Albe
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0055

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42

freute und bald von demDameuhut verschwaud,
um sich der läudlichen Haube zuzuwendein
Schon gleich bei dem ersten Auftreten des
Tüllgcwebes erscheint dasselbe auch sofort als
ErsatzfürdieausgehcndentederländischeSpitze.
Hatte diese eben in ihrer Kostbarkeit noch einen
schätzbaren Zügeh so daß der Spitzensaum der
Albe tnsofern wenigstens noch Saum blieb,
als er nur iu seltenen Fällen die Breite einer
Spanne erreichte, so bereitete der Tüllbesatz,
bei seiner zuuehmenden und am Ende beisptel-
losen Wohlfetlheit, Versuchung zu den maß-
losesten Neberschwenglichkeiten. Da wurde es
noch einmal recht eigentlich wahr, was der
Heiland von gewtssen übelberüchtigten Leuten
seiner Zeit sagt: NaAniLvant Lindrias, ,/sie
machen sich brette Säume". Die letzte Spur
des Begriffs eiuer Saumzierde verschwand
ganz und gar, indem der Tüllschmuck bis zu
dem Lendengürtel hinaufstieg, wcnn er st'ch ja
noch durch den Gürtel etne Grenze setzen ließ;
denn es siud Fälle vorgekommcu, wo dte Albe
durchweg ein durchsichliges Tüllkleid geworden
war, der nur etnen schmalen Saum dichten
Stoffes, diesen aber oben am Halse aufwies.
Mit der zunehmenden Breite der Arbeit hielt
die Verwilderung der Technik ehrlich^Schritt.
Anfangs, wo vornehme Häude einen feinen
und verhältnißmäßig theuren Linnentüll für
die Damentoilette verarbeiteten, wurde noch
Sorgfältiges und Sauberes geleistet, reichere,
den echten Spitzen entnommene Muster wur-
den ausgeführt. Allmälig aber sahen wir
gänzliche Zügellosigkeit einreißen; eln düuner
Faden läuft wie ausis Ungcfähr durch die
Tüllmaschen oder bildet doch nothdürstig nur
die unsicheren Konturen etner kindischen Zeich-
nung. Konnte die klägliche Dürstigkeit dicser
Techntk uoch durch irgend etwas übertroffen
werden, so geschah dieß sicher durch die jam-
mervolle Gedankcnlosigkeit bei der Wahl der
symbolischen Gebilde, die man dem Tüllfond
einwob, um thn zum Altarschmuck zu gestal-
ten. Was auf den Altar gehört und im Her-
zen der Gläubigen Platz hat, das mußte am
Boden herumkriechen, Trauben und Aehren

wechselten sinnreich mit Aehren und Trauben,
und damit man dte Worte Schlegels: „ach
diese Zeit hat Glauben nicht noch Liebe, wo
wäre denn die Hoffnung, die ihr bltebe" gründ-
lich Lügen strafe, umschlottern in Dom- und
Dorfktrchen Herz, Kelch und Anker die Füße
des Priesters, nicht zufrieden bei Prozessionen
unfehlbar auf den Armen in Tüll gekleideter
Mädchen einherzuwandern.

Das wareu die Geschtcke des Albensaums;
je trauriger diese waren, desto mehr hätte der
eigentliche Körper, der Rumpf des Gewaudes,
der schon durch die Uebergebühr des Saumes
auf ein Miuimum eingeschrumpft war, unan-
getastet bleiben sollen; es wäre dann doch noch
eine kleine Ertnnerung geblieben an das, was
cine Albe eigentlich seyn sollte, ein Hoffnuugs-
keim dessen, was sie unter bessern Verhält-
nissen wieder werden könnte. So günstig er-
ging es aber der Albe nicht. Gott sey Dank,
leben wir in einem Lande, wo man auf den
Schmuck des Hauses Gottes noch etwas ver-
wendet; da sehen wir deun täglich vor unsern
Augen das, was kein Auge ertragen würde,
wenn es sich nicht allgemach mit solchem Ueber-
maß von Geschmacklosigkeit vertraut gemacht
hätte. Den untern Thetl der Albe haben wir
cben bereits gewürdigt, der obere , aus sestem
Stoff, obwohl häufig genug aus Baumwollen-
nesselzeug bestehcnde Theil des Gewandstücks
wtrd in Fältchen gclegt. Damit diese Festig-
keit bekommen, muß das Zeug mir Mehlstärke
tüchtig gcsteift werden, durch welche Opera-
tion aller Faltenwurs gänzltch unmöglich ge-
macht wird. Da steht dcnn der Priester nach
unten hin ä jour (was besonders erbaulich-
rührend, wenn der Talarmangelt), nach oben
in Steifleiuen. Wird nnn die Albe aufge-
schürzt, und dafür sorgt schon der Küster, da-
mit die Tüllfestvns nicht abgetreten werden,
so erhält der Oberkörper in Brust und Rücken
einenunerträglichen steifleinenen Wulst. Deukt
man sich dazu die selten fehlende Tüllkrause
an Hals- und Handgelenk, so kann man sich
ungefähr einen Begriff machen von dem, was
etn geduldigerMensch zu tragen im Staude ist.
 
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