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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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3. Heft
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Miszellen / Korrespondenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0061

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Wenn wir nun wieder anknnpfen wollen an den
Faden, der lange Zeit verloren war, wenn wir die
Kunsttraditwnen einer großen Vergangenheit nns
wieder zu eigen machen wollen, sv dürfen wir es
auch hente nicht außcr Aug laffen, bei Nenschaffnng
von kirchlichen Gebrauchsgegenständen einen tiefcrn
Sinn, geschöpft ans den h. Schriften, der Tradi-
tion odcr der gediegenen Legende zu Grunde zn
legen und denselben mit einer schönen knnst- und
stylgerechten Form zn umkleiden. Die gefällige
änßere Fvrni soll das leibliche Ange erfrenen nnd
erheben, der innere Kern aber, die geistige Jdee,
die zu Grunde gelegt ist, soll zum Herzen des Be-
schauers sprechen.

Wien, Anfangs März. (Korresp.) Die Fabri-
kativn bleibt nicht glcichgültig gegen den erfreu-
lichen Aufschwung, den in neuester Zeit die christ-
liche Kiinst auf allen Gebieten gewonnen hat; be-
kanntlich habcn nicht nur in Lyon, sondern auch am
Rheiue bcdeutende Häuser es unteriiomiiien, für
liturgische Zwecke Seidenstoffe anzufertigen, die,
alten Vorbilderu entlehnt, ein ernstes, kirch-
liches Kuiistgepränge zum Vvrscheiu treten lassen.
Nnsercs Wiffens ist es bis zur Stunde jedoch
noch nicht unternommen worden, auch bei Teppich-
wirkereien die Gesetze der christlichen Knnst zur
Geltung zu bringen.

Den Freunden mittelalterlicher Kunst wird da-
her die Mittheilung vvn Jntcreffe seyn, daß die
Firma Jvseph und Karl Wnrm zu Neumarkt in
Ober-Oesterreich, die auch in jüngster Zeit in dem
Fache der iiiodernen Teppichwirkerei Anerkennens-
werthes geleistet hat, mit grvßem Eifer und be-
sonderer Vorliebe sich jetzt ebenfalls der Anfcrti-
gung von Kirchentcppichen zngewendet hat, die
nach deu schönsten Musteru des Mittelalters ge-
halten, den strengercii Anforderungen der Kenner
niittelalterlicher Kunst Genüge leisten werden.

Wir haben in der Niederlage der gedachten
Firma, Wien, Kohlmarkt Xro. 254, Teppichwirkc-
reien mit schöncn, ernsten Zeichnungen und korrekter
mittelalterlicher Farbenwahl gesehen, theilweise im
roinanischen und gothischen Style ansgeführt, die
für kirchliche Dekoration des Altars an Festtagen
unstreitig den Vorzug vor den schwulstigen, nnkirch-
liche» Salonteppichen, die nian jetzt häufig bei
hohen Festen an ehrwürdiger Stelle antrifft, ver-
dienen.

Diese bereits ausgefnhrten Teppiche sind — in
solider Technik angefertigt — großentheils gelun-

gcnen mittelalterlichenMustcrvorbildern, besvnders
dcn ^lelaiixes ä'Lrolieoloxie vo» Abbe Martin, die
in jüngstcr Zcit erschienen sind, eiitnvmmcn.

Wie wir weiter vernehmen, ist die gcnannte
Firnia ebcn damit bcschäftigt, größere Tcppiche
für mehrere fürstlich Lichtenstein'sche Patronats-
kirchen, wozu die Conipvsitioncn von geübter Künst-
lerhand cntworfen worden sind, darzustelien.

klm eine größerc Auswahl zu bieteu und den
vielfachen Austrägen zu genügen, wird das Haus
Joscph und Karl Wurm ferner in nächster Zu-
kunst Tcppichwirkereien zu allcn Preisen ausführen,
die nach den schönsten, mittelalterlichen Ostgiual-
gewcben aus der Sammlung des Herrn Conser-
vatvrs Bock in Köln angcfertigt worden sind, der
zuvvrkvmniend dieselbcn dem besagten Hause zur
Auswahl gestcllt hat.

Aus der Schweiz wird uns folgende Notiz
mitgetheilt: Das lobwnrdige FranenklosterSt.
Andreas in Sarnen bewahrt eiuen Kunstschatz,
der auch weitcrhin genanut und bekannt zu wcrden
verdient. Schvn seit Zahren lieferten unscre Kloster-
franen wnnderherrliche Stickereien in Gvld auf
Seidensammt. So besitzt das Kloster Engelberg
ein Prachtstück vvn einem Meßgewande; cbensv
die Pfarrkirche in Sarbseln ein prächtig gearbeitetcs
Klcid cines Madonnabildes. Jin Verlaufe des
lctztcn Zahres brachtcn gedachte frominc Hände
ein Werk zu Stande, das wvhl in der Schweiz
seincS Gleichen suchcn, nicht aber findcn dürste.
Es ist dieses ein aufSeidenatlas (weißen) gesticktes
Mcßgewand. Die Stickereien sind in farbiger Scide
ausgeführt und sv fein gearbeitet, daß sie bis in
die unniittelbare Nähe das Auge täuschen und ihm
das schönste Gcmälde zeigen. Jn Mittc geschmack-
Vvllcr Blnmenwindiingen erschcint das Bild des
gekreuzigten Heilandes in gefälligcr Zeichnung und
herrlicher Aussiihrung. Ebenso vvrn das Bild des
gegeißeltcn Heilandcs an der Säule. Die Stole,
ein wahres Meisterstück von Zeichnung und Aus-
führnng, zeigt in sinniger Gruppirung die Leidens-
wcrkzeugc, wic der Manipel. Das Kclchtuch ent-
hält in schöner Einfassung und Pünktlich-genauer
Zelchnung das Schweißtuch mit dem blutcnden
Angcsichte dcs göttlichen Heilandes. Selbst der
Bnrsa und Palla fehlen reiche, sinnige Dekora-
tionen nicht.
 
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