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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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3. Heft
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Miszellen / Korrespondenzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0060

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len mehr gefunden werden, die mit St. Veits Mnn-
ster zu Prag könnten verglichen werden, hinstchtlich
der unglaublichen Ueberladung nämlich und Uebcr-
füllung mit allerhand Geräthschaften im Renais-
sance, Pompadour und Zvpfstyle, wodurch der herr-
liche Bau seiner erhabenen Würde und Einfachheit
beraubt und fast zu einem wohlgefüllten Magazin
von unschünen und dazu meist nnkirchlichen Utensi-
lien undMonumenten herabgewürdigt wtrd. Nach-
dem indeß die großen Metropolen des westlichen
Europa's fast alle zu ihrer ursprünglichen Schvn-
heit zurückgeführt worden sind (sieht man doch
bereits. Dombauvereine oder Domrestaurationen
in Köln, Mainz, Frankfurt, Worms, Speyer,
Straßburg und München), wird auch in Kur-
zem der Tag herannahen, wo das unverglcichlich
grvßartige Bauwerk des Altmeisters Mathias von
Avignvn und seines Nachfolgers, des großen schwä-
bischen Baumcisters Arler von Gmünd, wieder zu
Ehren gebracht, der überdieß beschränkte Raum dem
ungebührlichenMobiliar und den Monumenten ent-
zogen und den frommen Pragern wieder frei und
ungehindert zurückgegcben wird. Das Bedürfniß,
den ehrwürdigcn St. Veits Dvm im Geiste seiner
ersten Erbauer vorab wenigstens im Jnnern von
allen entstellendcn Zuthaten der drei letzten Jahr-
hunderte zu säubern, wird lebhaft an hoher kirch-
licher Stelle empfunden, dafselbe kann jedoch in
nächster Zeit leider aus mehreren Nücksichten noch
nicht zur Ausfübrung kommen.

Als einen Anfang zum Beffern, was die styl-
reine, dekorative Ausstattung des Jnnern des St.
Veits Domes betrifft, wird es nun von Vielen
begrüßt werden, daß edle Damen aus den höchsten
Ständen Böhmcns beabsichtigen, die Altarstufen
und das engerc Presbyterium «on St. Veit an
Festtagen mit einem großen Kirchcnteppich zu
schmücken, der hinsichtlich seiner Komposition, seiner
Farbenwahl und stylrichtigen Ausführung ahnen
licße, welcheu wnnderbar erhebenden Eindruck der
kühn erdachte innere Bau auf den Eintretenden
machen müßte, wenn dcrselbe wieder nach dcn Jdeen
seiner ersten Baumeister dckorirt und namentlich
mit dem Schmucke der vielfarbigen gemalten Fen-
sterteppiche in gebranntem Glase bereichert würde.
Dieser St. Veits Teppich soll, nach Analogie der
jüngst gefertigten Vorbilder im Kölner Dome, deß-
gleichen des schönen Liboriusteppichs in Pader-
born, indeß nicht mit Ornamenten der Architektur
entlehnt ausgestattet werden, sondern es sollen

darin, von zierlichen Laubornamenten des 14. Jahr-
hunderts umgeben, symbolischeundallegorischeSen-
tenzen, den reichhaltigen Psalmen entlehnt, die mit
einemTeppich in seinem kirchlichen Gebrauch in Be-
ziehung stünden, zur bildlichen Darstellung gelan-
gen. Auch dieThierwelt, als integrirendcrTheilder
Schöpfnng, die das Mittelalter niemals perhores-
cirte, wie es heute der Unverstand und die Unkenntniß
häufig thut, soll in diesemTeppich, der von gcübter
stylkundiger Hand entworfen wird, als Ornament
ihre Stelle am rechtenOrte finden. Die Thierwelt
hat, dieß sey hier ein- für allemal bemerkt, nichts Ab-
schrcckendes, und die Darstellung derselben, da wo
sie als Ornament am Platze ist, darf ebenso wenig
als unkirchlich bezeichnet werden, denn auch die
Thierwelt ging gut und ihrem Zwecke cntsprechend
ans der Hand des Schöpfers hervor, und auch die
Thierschöpfung ist in das Wort der h. Schrift in-
begriffen: Siehe, cs war Alles gut!

Das mittlere Hauptmedaillon dürfte, von passen-
den Ornamenten umgeben, den schönen Spruch in
stch aufnehnien: (jnnm sxociosi xsäes svniiAsIi-
rLutium bona, svanAsImLntinm xnosm, „wie schön
die Füße derjenigcn, die das Evangelium verkün-
den, die da vcrkünden den Frieden." Andere Com-
partimcnte des Teppichs svllen in ihrer ornamen-
talen Einrichtung basirt werden auf den bekannten
Sprnch des Psalmes (80): Lnxsr nsxiäom st bn-
siliscnm nmbulnbis st conculenbis Isvnsm st ärn-
conem, „auf Nattern nnd Basilisken wirst du ein-
hcrschreiten und Löwen und Drachen zertreten."
Da sodann in dem besagten Teppichwerke in ver-
schiedenen Eintheilungen ein freies Ornament, der
Natur entlehnt, jedoch in der Behandlung und
charakteristischen Ausprägung der Gothik aus dem
Beginne des 14. Jahrhunderts, znr Ausprägung
kommen soll, von Spruchbändern durchwebt, veren
Jnschriften die Deutung des Dargcstellten dnrch-
blicken laffen; so wird in dem Teppichwerke auch
nicht fchlen das Wort dcs Psalmisten (8), daß
die ganze sichtbare Schöpfung des Menschen wegen
da sey: OmiÜL subjscist! sub peäibus ejus, ovss
et doves universns st xscorn cnmxr, „Alles hast
du seinen Füßen unterworfen: Schafe und Rinder
allzumal, dazu anch die Thiere des Feldes." Daß
die h. Schriften, sowohl des alten als dcs neuen
Testamentes, ein reichhaltiges Material bieten,
woraus das Mittelaltcr stets seine Motive zur Ans-
stattung der kirchlichen Utensilien mit Vorlicbe ge-
schöpft hat, ist hcute Vielen einleuchtend geworden.
 
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