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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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4. Heft
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Bock, Fr.: Etwas Gelehrtes über Stickkunst und Stickereien, und wie man in früherer Zeit diese Sachen benannt hat
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0071

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seincn Ton gehörtc, Gewänder zu tragen mit
Stickercien von den langen Haupt- u»d Bart-
haaren besiegter Fcinde. Zufällig auf der
Reise begriffen und, offen gestandeu, für Ho-
mer, Ovid, Virgil und Konsorten nie sonder-
lich passionirt, um ste noch gar in's Reise-
koffer mit einzupacken, sehe ich mich indeß des
Vergnügcns beraubt, was sich bekanntlich Ge-
lehrtc vom Fache nicht gerne versagen, recht
viele lateinische und griechische Citate unter
dem Striche anhäuscn zu könneu. Dazu muß
ich die Frage: was die alten Lcute, die man
Klassikcr nennt, über StickkunA und Sticke-
rcien geschricben, einem guten Freunde zur
Bearbeitung überlassen, dem es als gelehrter
Professor nicht nur ein Leichtes tst, wcnn es
seyn müßtc, sogar aus dem Kopfe darüber
Aufschluß zu geben, sondern der auch - und
das thut ihm nichi leicht einer nach — haarscharf
anzugeben weiß, waS die bei weitem größern
christlichen ;Klassiker Augustinus, Chrysosto-
mus, Ambrosius, Durandus, Bona über die-
sen Punkc gedacht und geschrieben haben. —
Daher nur in Kürze Einiges darüber, mit
welchcn Namen die Alten die Kunstübung des
freien Handstickens bczeichnet habcn.

Dem Könige Attalus von Phrygien wird
die Crfindung der Kunst dcs Webens und
insbesondere derKunstdes Stickens von älicren
Schrifistellern insgemein zugeschrieben. Deß-
wegen nannten die Römer auch jede gcstickte
Arbeit ein „Oxus xbr^Aioum", d. h. ciu phry-
gisches Werk. Wetl aber Phrygien in Klein-
asien lag und also zumAuslande gehörte, und
derRömer ferner in dem Ausländer den Nicht-
römer, d. h. den Barbaren erkannte, so nannte
er auch gemetnhin die phrygische Arbett eine
auslandische, d. h. eine barbarische. Deßhalb
findet man bei alten Schrifistellern die Sticke-
rei bezeichnet bald als „oxus xbr^Aioum", bald
auch als „oxus bnrbarioum".

Als die Säulen des morschen röniischen
Reiches bei den Stürmen der Bölkerwande-
rung zusammenbrachen, wurde die römischc
Kunst und mit ihr auch zum Theil die altc
klassische Sprache zu Grabe getragcn, und so

kam im 6. und 7. Jahrhunderte in verdorbe-
ncmLatein als Bezeichnung für die Stickkunst,
statt des Allsdrilckes „oxus burburioum", in
Gebrauch die Vezeichnung „oxus brumbari-
oum". Die Sticker der damaligen Zeit wer-
den deßwegen häufig in alten Urkunden be-
nannt: „brambg.rioarii". Wir lassen es hier-
orts nnkiitschieden, ob vielleicht unser gutes
altdeutsches Wort „verbrämen, Verbrämnng",
auS dtesem cben genannten korrumpirten gleich-
bedeutenden Wort „bra.mburiog,tum" entstan-
dcn ist. Eine andere Bezeichnung, die sich bei
Autoren des Alterthumö für „Stickerei" ziem-
lich häufig vorfiudet, ist der Ausdruck „oxus
xol^mitum", was so viel heißt, als ein viel-
fadtges Wcrk. Auch findet sich die Bezeich-
niing „oxus plumarium". Jndeffen läßt es
sich nicht genau nachweisen, ob die Alten nicht
unter dem „oxus xol^mitum" — ein Werk
aus vielen Fäden angcferiigt — einen reichen,
dessinirten, mit verschiedenen Mustern reich
durchwebten Seidcnstoff vcrstanden. — Wir
hörten eben, daß das klassischc Rom die Sticke-
ret vorzüglich als phrygisches Wcrk bezcich-
nete; indessen kommen auch schon in der römi-
schen Cäsarenzeit, svwie im späteren Miitel-
alter, Ausdrücke vor, die die Stickerei mehr in
Hinsicht ihrer technisch-künstlerischen Ausfüh-
rung bezeichiien, als ein „oxus uou xiotum",
d. h. als ein Werk, welches mit der Nadel ge-
malt ist.

Tie Alten hatten also von der Kunst des
Stickens einen hohen Bcgriff, indem ste diese
Kunstübung als eine (mit der Nadel ausgc-
führtc) Malerei bezcichneten. Auch im spä-
teren Mittelalter findet sich dieser lateinische
Ausdruck: aou xinAsro, mit der Nadel malen,
in dem Ausdrnck „die Bildwirkerei, die Bild-
sttcker". Nanntc man die Maler schlechthin
„Schildercr", so nannte man einfacher die
Sticker „Wirker". Jm 14. Jahrhunderte fin-
dct man bei vielen Autoren ferner gleichbedeu-
lend mit Slickerei den AusLruck „oxus brou-
äatum", wahrscheinlich verwandt mit dem
Worte brollsr, sticken, broäsur, Sticker. Um
dieselbe Zeit erscheint auch haufig der Aus-
 
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