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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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4. Heft
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Bock, Fr.: Etwas Gelehrtes über Stickkunst und Stickereien, und wie man in früherer Zeit diese Sachen benannt hat
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0072

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druck „oxusun^olicg,num", „englisches Werk",
gleichbedeutend mit Stickerei. Daß man die
Stickerei als ein englisches Werk bezeichnete,
mochte wohl darin seinen Grund haben, daß
ini 11. und 14. Jahrhunderte England vor
allen anderen Ländern sich in dcr Stickkunst
auszeichnete; übereinstimiuend damit lesen wir
bei alten Schriftstellern damaliger Zeit, daß
die Stickerei aus England „oxus un^Iioum"
von Päbsten, Bischöfen undFürsten in Deutsch-
land, Frankreich und Jtalien sehr gesucht war
und meistens um theure Preise aus englischen
Klöstern bezogen ivurde. Worin nun die so
gesuchte englische Arbeil bestand und wodurch
sie sich von den übrigen Srickereicn des Abend-
landes zur danialigen Zett so vortheilhaft
auszeichnete, ist seither noch nicht gehörig er-
forscht worden. UnseresDafürhaltens ist das
„o^>us auAelionuuin" in etwas verschieden von
der heutigen Stickerei, und kann als die Ver-
einigung der Slickerei init der Goldschmiede-
kunst und der Weberei beirachtet werden, wie
wir das in der zweiten Lieferung unseres Wer-
kes: „Geschichte der liturgischen Gewäuder des
Mittelalters" ausführlicher zu behandeln Ge-
legenheit haben werden. Wtr werden daselbst
einige Abbildungen dieser oxern g,nAeIicg.ua
veranschaulichen und den Nachweis führen, daß
die englische Arbeit nicht nur rücksichtlich des
ReichlhumS der dazu angewandteu metalli-
schen Ornamente, sondern auch hinsichtlich
ihrer vielfarbigen Perl- und Goldsttckereien
vvr allen übrigen, damals im Abcndlande an-
gewantten Stickereien unstreilig den Vorzug
verdiente. Nach den cnglischen Stickereien
zu urtheilcn, die uns aus jener frühen
Zeit zu Gesicht gekommen siud, wechselte die
reichste Technik des Stickens, im Plattstich in
Seide- und Goldfäden ausgeführt, mit zier-
lichen getriebenen und vergoldeten Pflanzen-
vrnamenten, die zwischen den gesticktcn Orna-
menten äußerst sinnreich angebracht und be-
sestigt waren, aus die mannigfaltigste Weise
ab. Auch fanden sich kleinere Gold- und
Silberbleche in Form von Medaillons auf
diesen Stickereien angenäht vor, worauf ge-

triebene Ornamente und zuweilen auch viel-
farbige Darstellungen in Email und Schmelz
von Perlstickereicn zu sehen waren. *

Vorstehende kurze Mittheilungen mögen für
heute genügen, um dem gelehrten Theile der
stickeuden Fraueuwelt den evidenten Beweis
zu liefern, daß unsere Ur-Ur-Ilrgroßeltern im
grauen Alterthume bereits künstlich gesückt
haben und daß sie ihre kuustreiche Arbeit schou
vor Christi Geburt mit einem ordentlich au-
ständigen Namen zu bezeichnen wußten. Viel-
leicht möchte eine oder die andere der geehrten
Leserinnen Etwas darüber erfahren, wie die
Alien die Straniinstickerei geiiannt? Offen
gestanden, hier si»d nir überfragt. Bei d.n
römischeii Matronen herrschte noch d'e schöne,
löbliche Sitte, was bei uns aber die Herrcn-
und Dameuschneider thun müssen, die to§a,
tunioa, xaenula, d. h .die Gewänder, die ste u»d
dieJhrigentiugen, meistenseigenhändiganzu-
fertigen und sie verstanden es ausgezeichnet
gut, im fetnsten Plattstich die Togen an den
Säumen, den Rändern (xraetoxta.) mit Or-
namenten, ost sogar mit Brustbildcrn berühm-
ter Männer, die Porträtähnlichkeit hatten, zu
verzieren, daher auch der Name für besonders
reicheTogen: toAg. xiota stxalimrtii (mit Pal-
menbestickt). AuchwurdeaufdenreichernTogen
ein viereckiges Siück in verschiedener Farbe
gestickt, versteht sich in Plattstich, uud nie in
Stramin. Wir haben behufs des Studiums
der edlenStickereischonmaiichesalteSchweins-
leder durchblättert, jedoch kein Sterbenswört-
chen davon veriiommcn, daß römische Patri-
zierinneii, wie Camilla, Marcella, Agrippina,
Claudia sich gewürdigt häiten, Schellenzüge,

" llebrigens ist das keine neue Erfiiidung Eng-
laiids: schon im heidnischen Rvm war die Befesti-
gnng edler Mctallstücke an den Gewändern üblich.
Die sPäteren Klassiker Ronis bezeichnen diese Mc-
tallstücke mit dem Ansdrucke „Iniuiuae", und so
niöchtc es keinem Zweifel unterliegen, daß die vie-
len, im „Leben der Päbsle" vvn Anaslasius dem
Bibliothckar mit dicser Benennilng charaklerisirten
Nlcnsilien bis znin 9. Jahrhundert diesclbe Be-
schaffenheit hatlen, obgleich das 6Ios5-rrium von
Du Cange uns darüber ganz im Zweifel läßt.

Aiim. der Red.

Lirchenschmuck. 18S7. IV.

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