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Dengler, Georg [Hrsg.]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — 1.1857

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7. Heft
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Ein Besuch bei Sem, Cham und Japhet und die christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.18467#0128

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von Einzclnen ihrer Jünger und LiebhaLer,
um dann Beides in Bausch und Bogen zu ver-
werfen, das geht über den erlaubten Spaß
hinaus. Herr St. hatte sich Dank verdicnt,
wenn er die neuheidnische Verzerrung klassi-
scher Kunst zum Dienst der Kirche, oder den
Wahn, daß die Kirche irgend einer Kunst zu
ihrer Erhaltung bedürfe, odcr andere Ver-
irrungen unrcifer Kunstanschauungen mit sei-
ner Satire gegcißelt hätte. Statt dessen kne-
tet er einen Popanz von Dummheiten, Narr-
heiten und auf den Kopf gestellten Wahr-
heiten zusammen, wirft ihn uns vor die Füße,
und sagt: „Jch bin euren erdachten Theorien
ganz abhold: daher ist auch das Liebäugeln
und die Buhlerei ästhctischer Kirchenmänner
mit der Kunst überflüssig." Zwischen diesen
zwei Sätzen liegen zwei Seiten, auf wclchen
es dem Verfasser gelungen ist, alles, was un-
ter den Freunden der Kirche und der Kunst
als unangefochtcne Wahrheit gegoltcn hat,
durch ein paar kecke Aussprüche niederzu-
schmettern. Kein christlicher Kunstfreund wird
jemals geglaubt haben, die Kunst sey eine un-
entbehrliche Stütze der Kirche. Daher war
auch das Bedauern über diese „kirchenpatrio-
tisch erdachten Theorien, in dcnen etwas Un-
gesundes und unbewußt Erlogenes liege", völ-
lig überflüssig. Wie sich aber ein Katholik
ärgern kann, daß in Büchern die Schönheit,
die das Christenthum, insbesondere der Ka-
tholizismus, nach allen Seiten hcrvortreibe,
geschildert werde, ist schlechterdings nur aus
einer Laune erklärbar, wie sie eiwa mit der
Seekrankheit verbunden seyn kann. Gibt es
denn, weil die heidnische Kunst die sinnliche
Schönheit zur Verführung mißbraucht, nichts
wahrhaft Schönes mehr? Jst denn zwischen
Gut und Schön ein unversöhnlicher Gegen-
satz? Sollte es unserer Kirche schaden, wenn
man sieht, daß sie nicht nur unsehlbar wahr,
sondern auch unvergleichlich schön ist?

,,Die Kunst gehört ihrem Wesen nach zu
den Gütern dieser Welt, welche Gute und Böse,
Christen und Unchristen besitzen und üben kön-
nen, wie ekn schlechter Kerl so hübsch von

Brust und Lenden anzusehen seyn mag als ein
guter Christ."

Das ist so wahr, als wenn's im Kalender
stünde. Um eine solche Wahrhcit aufzudecken,
hätte ein so originelles Talcnt sich nicht anzu-
strengen gebraucht. Aber nicht minder wahr
ist es, daß ein guter Christ und ein Heiliger
in seinem, vielleicht nicht formenschönen Ge-
sicht eine innere geistige Schönheit hervor-
leuchten läßt, welche wohlthut und entzückt,
mchr, als das jugendlich schöne Gesicht eines
verdorbenen Mcnschen Abscheu und die klassisch
strenge Maske einer griechischen Statue Lang-
weile cinflößt. Also gibt es doch eine christ-
liche Schönheit, die auch sinnlich wahrzuneh-
men und folglich darzustellen ist. Soll es also
kcine christliche Kunst geben? Wenn dieKunst
nicht an sich dämonisch, sondern indifferent ist,
und dem Guten wie dem Bösen die Hand
führt, soll es denn nicht erlaubt seyn, sic im
Dienste des Guten und Wahren zn vcrwenden?

Wenn es derKunst gelingt, nicht blos einen
angenehm stnnlichen Eindruckzu machen, son-
dern durch die sinnliche Darstellung übersinn-
liche Vorstellungen zu vermiiteln, das Herz zu
frommen Gesinnungen zu erwecken, den Glau-
ben zu nähren, die Liebe zu entflammen, wäre
das nicht ein Fortschritt? Und wenn die den
Menschen gegebene Kunstfertigkeit je einen
Gipfel der Vollendung erstreben kann, kann
sie ihn irgend anders wo finden, als wenn sie
vom christlichen Gedanken beseelt ist?

Die Kirche lebt nicht von der Kunst, aber
die Kunst dient der Kirche.

Wie ein Mensch gut leben und selig sterben
kann, der nie etwas von Kunst gesehen und
verstandcn hat, so kann auch die Kirche ohne
Kunst leben. Aber sie wtrd »icht alle thre
Kräfte entfaltcn, wird nicht die univcrselle
Religion seyn, die den ganzen Menschen mit
allen seinen Fähigkeitcn erfaßt, heiligt und z"
Gott führt, die die ganze Schöpfung zu ihrem
Ziel, der Verherrlichung Gottes befähigt, wenn
ste nicht auch dte kunstfertige Hand des Men-
schen leitet.

Wenn es eine Kunst gibt, so inuß die christ-
 
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