KUNSTGESPRÄCHE IM KRIEGE
VON
KARL SCHEFFLER
II
Es ist am Abend der Schlacht. Ein Trupp fran-
zösischer Gefangener ist eingebracht worden;
darunter befinden sich einige Offiziere. Als sich ein
deutscher Leutnant, der den Abmarsch der Gefan-
genen beaufsichtigt, eine Zigarette anzündet, berührt
einer der französischen Offiziere sein Käppi und sagt:
„Mein Herr, seien Sie ein guter Feind, geben
Sie mir eine Zigarette, mir ist die Kehle ganz
verdorrt."
Der Deutsche (seine Zigarettendose hinrei-
chend): „Ihr habt ja auch den ganzen Tag ohne
Pause gekämpft und uns nicht schlecht eingeheizt."
Der Franzose: „Am Ende aber habt ihr uns
doch untergekriegt. Wo haben Sie gestanden?"
Der Deutsche: „Da drüben in dem hübschen
Weinen Schlösschen. Oder vielmehr dort, wo das
^chlösschen gestanden hat. Ihr habt es ganz zusam-
mengeschossen".
Der Franzose: „Es musste leider sein, da ihr
nicht herauszubringen wart. Schade um den schö-
nen Bau und um die alten Bäume des Parks!"
Der Deutsche: „Das Gebäude war nicht so
wichtig. Stil des Empire. Und die Bäume wachsen
wieder, wenn man ihnen Zeit lässt. Leider sind
wichtigere Dinge zerstört worden; alle Bilder der
kleinen Galerie".
Der Franzose: „Das ist wahr, mir wurde er-
zählt, der Besitzer sei Sammler".
Der Deutsche: „Es war unter den Bildern ein
herrlicher früher Renoir, einige reizende Werke von
Sisley sind zerstört, und unter all dem anderen be-
fand sich eine der schönsten Landschaften Cezannes,
die ich kenne".
DerFranzose: „Renoir, Sisley, Cezanne? sind
das nicht französische Maler?"
Der Deutsche: „Ja, kennen Sie denn Ihre
eigenen Meister nicht?"
Der Franzose: „Doch, die Namen habe ich
gehört. Ich habe auch von den Künstlern gelesen,
wie ich mich jetzt erinnere."
Der Deutsche: „Und Sie haben nie Bilder
dieser Künstler gesehen?"
Der Franzose: „Nicht dass ich wüsste. Sind
Bilder von ihnen im Louvre?
Der Deutsche: „Abseits in der Sammlung
Moreau-Nelaton werden einige geduldet. Und im
Luxembourg würden diese Künstler auch nicht
vertreten sein, wenn der brave Caillebotte nicht seine
Sammlung geschenkt hätte."
Der Franzose: „Ich erstaune, wie genau Sie
in unseren Museen und in unserer Malerei Bescheid
wissen."
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VON
KARL SCHEFFLER
II
Es ist am Abend der Schlacht. Ein Trupp fran-
zösischer Gefangener ist eingebracht worden;
darunter befinden sich einige Offiziere. Als sich ein
deutscher Leutnant, der den Abmarsch der Gefan-
genen beaufsichtigt, eine Zigarette anzündet, berührt
einer der französischen Offiziere sein Käppi und sagt:
„Mein Herr, seien Sie ein guter Feind, geben
Sie mir eine Zigarette, mir ist die Kehle ganz
verdorrt."
Der Deutsche (seine Zigarettendose hinrei-
chend): „Ihr habt ja auch den ganzen Tag ohne
Pause gekämpft und uns nicht schlecht eingeheizt."
Der Franzose: „Am Ende aber habt ihr uns
doch untergekriegt. Wo haben Sie gestanden?"
Der Deutsche: „Da drüben in dem hübschen
Weinen Schlösschen. Oder vielmehr dort, wo das
^chlösschen gestanden hat. Ihr habt es ganz zusam-
mengeschossen".
Der Franzose: „Es musste leider sein, da ihr
nicht herauszubringen wart. Schade um den schö-
nen Bau und um die alten Bäume des Parks!"
Der Deutsche: „Das Gebäude war nicht so
wichtig. Stil des Empire. Und die Bäume wachsen
wieder, wenn man ihnen Zeit lässt. Leider sind
wichtigere Dinge zerstört worden; alle Bilder der
kleinen Galerie".
Der Franzose: „Das ist wahr, mir wurde er-
zählt, der Besitzer sei Sammler".
Der Deutsche: „Es war unter den Bildern ein
herrlicher früher Renoir, einige reizende Werke von
Sisley sind zerstört, und unter all dem anderen be-
fand sich eine der schönsten Landschaften Cezannes,
die ich kenne".
DerFranzose: „Renoir, Sisley, Cezanne? sind
das nicht französische Maler?"
Der Deutsche: „Ja, kennen Sie denn Ihre
eigenen Meister nicht?"
Der Franzose: „Doch, die Namen habe ich
gehört. Ich habe auch von den Künstlern gelesen,
wie ich mich jetzt erinnere."
Der Deutsche: „Und Sie haben nie Bilder
dieser Künstler gesehen?"
Der Franzose: „Nicht dass ich wüsste. Sind
Bilder von ihnen im Louvre?
Der Deutsche: „Abseits in der Sammlung
Moreau-Nelaton werden einige geduldet. Und im
Luxembourg würden diese Künstler auch nicht
vertreten sein, wenn der brave Caillebotte nicht seine
Sammlung geschenkt hätte."
Der Franzose: „Ich erstaune, wie genau Sie
in unseren Museen und in unserer Malerei Bescheid
wissen."
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