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WesenLliche Lücken in Ostwalds Bericht Über die geschichtliche
Entwicklung der Farbensystematik im Aprilheft 1927
der Zeitschriit „Ger Pelikan"
Aufkiezeigk von Frih Weißenborn, Akodemie-Prof. a. D. und Siud.-Aak in Leipzig
In dem dlufsnl; 2y>lhelm OskwnldS im Aprilhefk
1927 der Pelilinn-Zeikschrifk, der uns versvrichk. die
g e s ch I ch kll 6) e Enkwicklung der Ord-
nung und Messung der Fnrben zu schll-
dern, sind zwei Nnmen, die in der geschichtlichen
Enkwichlung dessenigen Gebieks, riber dns berickkek
werden soll, Eckskeine bedeuken, unerwn'bnt geblie-
ben.* 3ch melne die Nnmen Milhelm Wundk nnd
Augusk Kirschmnnn. Es ist meine Pflichk, meine
Kollegen und Kolleginnen über diesen Mangel nuf-
zuklären und ihnen nnchzuwetsen, daß es sich hier-
bet nlchk um öas Weglnssen unwesenklicher Deknil-
nrbeiken hnndelk.
1. Wilhelm Wundk, l)r. msä. ot plril.
und vr. jur. Ir. o., Professor der Philosophie
in Leipzig, geb. 1832, gest. 1920, schreibk in
felnen „Vorlesungen über die Men-
s ch e n - und Tierseele", deren 5. Auf-
lage von 1911 auS dcr Aniversitäks-Blbliokhek
von Leipzig lch benuhke (1. Aufl.: Anmburg 1863),
besonders lesenswerk In der 6. Vorlesung auf
S. 99 bis S. 120 über „Farbige und farblose
Empfindungen: Zerlegung und M>-
schnng der Fnrben: Die drei Grundfar-
ben: Die vier Hauptfarben Leonar-
dos: Die Farbenblindheik: Theorie
der L i ch k em p f in d n n g e n". Er scheidek dort
die Qunlikäken der Gesichksempfindungen in 1.
Fn r b e n e m p f i n d n n g e n mit den Aaupkguali-
käken, d. h. denjenigen von ausgevrägker Verschieden-
heit: Not, Gelb, Grün, Älau und in 2. farb-
lose Empfindungen mik den Aaupkquallkäken
Schwarz-Meisz sowie dem Grnu In versöiie-
denen Uebergnngsskufen. — Alle anderen sind
Uebergangsfarben.
Die nchromnkische Erregung denkk sick Wundk nls
einen Prozesz, dessen Unkerschiede ausschließlick von
den obsekkiven Ontensitäksunkersckieden des Lichkes
herrühren, der nber selbsk nus zwel gunlikakiv enk-
gegengesehken Äorgängen beskeht: aus einem die
Neizung durch Lichk begleikenden Äorgnng (Emv-.
findung M e i fz) und aus einem, die Erholung 'vom
vorangegangenen Lichkreiz begleikenden Äorgnng
lEmpfindung Schwarz). Dieser Erholungsvorgang
ist nber nichk nur bei absoluker Nuhe des Sehorgnns
vorhanden, sondern er begleiket als eine nuf Wie-
derherskellung gerichtete Nenktlon der gerelzken Sub-
sknnz auch die geringeren Grade der LI6)kreizung:
nber nur bei den schwächsken Erregungen übertönk
er die Neizung selbsk. - ,
Bei dem Prozesz der chromakischen Erregung wer-
den die durch dns Lichk In der Nehhauk hervorge-
rufenen Äorgänge bei den scbnellsken Schwlngunge»
der Lichkwellen (Violekk) wiedcr den bei den lang-
samsken vorhandenen (Rok) ähnlich. (Uebergangs-
fnrbe: Purpur.) Die Farbenreizung isk also als ein
Kreisprozeß aufzufaffen, d. h. für iede Form der
Farbenreizung exiskierk eine nndere, die zu Ibr einen
Gegensnh bildek, so daß beide, weirn sie zusammen-
kresfen, fiä) aufheben und bloß die begleikende farb-
lose Nelzung übclg bleibk.
Diese kreisförmige Anordnung der Farben be-
schrelbk Wundk genau mik Mfe eines Farbenzir-
kels. 3n ihm stehen sich, genau so wis späker bei
Oskwald, Gelb und Blau sowie auch Nok und Blau-
grün usw. als Gegenfarben gegenüber. Aierzu bringk
Wundk die Abbildung eines normnlen einfachen
Kegels, deffen Achse die geradlinige Schwarz-Weiß-
Reihe darstellk und die rechkwinklig zur kreisför-
migen Grundfläche ftehk. 3n deren Mikke ordnet
Wundk das „Melß" gewiffermaßen als Repräsen-
kanlen dss Farblosen und auf deren Peripherie die
vollgesäkkigken Farben an.
ffn seinem Werke Grundzüae der vhysio-
logifchen Psycbologie (6. Aufl. Leivzig
1910: 1. Aufl. 1863) scheidet Wundk im zweiken
Band, der von den L i ch k e m p fi n d u n g e n han-
delk, diese in
1. Qualikäk der Farbe oder Farbenkon,
2. Säktigung der Farbe oder Farbengrad und
3. Llchkinkensikäk oder Skärke der Empfindung. fln
seinem „Grundriß der Psychologie" sagk Wundt
einfach „Helligkei k".)
Mundkordnet die vier ^auvtfarben so imKreise
daß er das zwischen den Enden des Spekkrums ge-
legene Purpur durch einen Durchmeffer mlk der
gegenüberliegenden Farbe des komplemenkären Grün
verbindek und darauf rechtwinklig einen andern
Durckmesser zishk, der das Gelb und das Blau
verbindek. Er sagk dann weiker, daß die dem
Maximum der Farbenempfindung zukommende 3n-
kensikät — die wahrscheinlich nichk für alle Farben
die gleiche sei — bis jehk noch nichk näher bekannk
sei. Fesk stehe jedoch, daß sich von ibr ausgehend
der Farbengrad nichk nur durch Abnahme, sondern
auch durch Zunahme der Lichkffärke vermindern
kann. Wie im ersten Falle alle Farben in Schwarz
übergingen, so näherken sie sich lm zweiken dem
Weiß. Er sagk dann weiksr auf S. 167: „Das ganze
System der Lichkempfindungen kann also durch
einen Doppelkegel mit einer beiden
Kegelhälften gemeinsamen Basis dar-
geskellk werden, wobei der diese Vasis begrenzende
* Ansierdoii ist o>» sinncntstollender Fehler bei der Anszeignng eines Mnyerschen Farbendreiecks z« berichtigen. Die untere Reihe
der anf Seite 16 abgedrnlkten Fignr innlj nicht wie dort, sondern s o lautsni ,
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WesenLliche Lücken in Ostwalds Bericht Über die geschichtliche
Entwicklung der Farbensystematik im Aprilheft 1927
der Zeitschriit „Ger Pelikan"
Aufkiezeigk von Frih Weißenborn, Akodemie-Prof. a. D. und Siud.-Aak in Leipzig
In dem dlufsnl; 2y>lhelm OskwnldS im Aprilhefk
1927 der Pelilinn-Zeikschrifk, der uns versvrichk. die
g e s ch I ch kll 6) e Enkwicklung der Ord-
nung und Messung der Fnrben zu schll-
dern, sind zwei Nnmen, die in der geschichtlichen
Enkwichlung dessenigen Gebieks, riber dns berickkek
werden soll, Eckskeine bedeuken, unerwn'bnt geblie-
ben.* 3ch melne die Nnmen Milhelm Wundk nnd
Augusk Kirschmnnn. Es ist meine Pflichk, meine
Kollegen und Kolleginnen über diesen Mangel nuf-
zuklären und ihnen nnchzuwetsen, daß es sich hier-
bet nlchk um öas Weglnssen unwesenklicher Deknil-
nrbeiken hnndelk.
1. Wilhelm Wundk, l)r. msä. ot plril.
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in Leipzig, geb. 1832, gest. 1920, schreibk in
felnen „Vorlesungen über die Men-
s ch e n - und Tierseele", deren 5. Auf-
lage von 1911 auS dcr Aniversitäks-Blbliokhek
von Leipzig lch benuhke (1. Aufl.: Anmburg 1863),
besonders lesenswerk In der 6. Vorlesung auf
S. 99 bis S. 120 über „Farbige und farblose
Empfindungen: Zerlegung und M>-
schnng der Fnrben: Die drei Grundfar-
ben: Die vier Hauptfarben Leonar-
dos: Die Farbenblindheik: Theorie
der L i ch k em p f in d n n g e n". Er scheidek dort
die Qunlikäken der Gesichksempfindungen in 1.
Fn r b e n e m p f i n d n n g e n mit den Aaupkguali-
käken, d. h. denjenigen von ausgevrägker Verschieden-
heit: Not, Gelb, Grün, Älau und in 2. farb-
lose Empfindungen mik den Aaupkquallkäken
Schwarz-Meisz sowie dem Grnu In versöiie-
denen Uebergnngsskufen. — Alle anderen sind
Uebergangsfarben.
Die nchromnkische Erregung denkk sick Wundk nls
einen Prozesz, dessen Unkerschiede ausschließlick von
den obsekkiven Ontensitäksunkersckieden des Lichkes
herrühren, der nber selbsk nus zwel gunlikakiv enk-
gegengesehken Äorgängen beskeht: aus einem die
Neizung durch Lichk begleikenden Äorgnng (Emv-.
findung M e i fz) und aus einem, die Erholung 'vom
vorangegangenen Lichkreiz begleikenden Äorgnng
lEmpfindung Schwarz). Dieser Erholungsvorgang
ist nber nichk nur bei absoluker Nuhe des Sehorgnns
vorhanden, sondern er begleiket als eine nuf Wie-
derherskellung gerichtete Nenktlon der gerelzken Sub-
sknnz auch die geringeren Grade der LI6)kreizung:
nber nur bei den schwächsken Erregungen übertönk
er die Neizung selbsk. - ,
Bei dem Prozesz der chromakischen Erregung wer-
den die durch dns Lichk In der Nehhauk hervorge-
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der Lichkwellen (Violekk) wiedcr den bei den lang-
samsken vorhandenen (Rok) ähnlich. (Uebergangs-
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Kreisprozeß aufzufaffen, d. h. für iede Form der
Farbenreizung exiskierk eine nndere, die zu Ibr einen
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Diese kreisförmige Anordnung der Farben be-
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Oskwald, Gelb und Blau sowie auch Nok und Blau-
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Kegels, deffen Achse die geradlinige Schwarz-Weiß-
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1910: 1. Aufl. 1863) scheidet Wundk im zweiken
Band, der von den L i ch k e m p fi n d u n g e n han-
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2. Säktigung der Farbe oder Farbengrad und
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legene Purpur durch einen Durchmeffer mlk der
gegenüberliegenden Farbe des komplemenkären Grün
verbindek und darauf rechtwinklig einen andern
Durckmesser zishk, der das Gelb und das Blau
verbindek. Er sagk dann weiker, daß die dem
Maximum der Farbenempfindung zukommende 3n-
kensikät — die wahrscheinlich nichk für alle Farben
die gleiche sei — bis jehk noch nichk näher bekannk
sei. Fesk stehe jedoch, daß sich von ibr ausgehend
der Farbengrad nichk nur durch Abnahme, sondern
auch durch Zunahme der Lichkffärke vermindern
kann. Wie im ersten Falle alle Farben in Schwarz
übergingen, so näherken sie sich lm zweiken dem
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System der Lichkempfindungen kann also durch
einen Doppelkegel mit einer beiden
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* Ansierdoii ist o>» sinncntstollender Fehler bei der Anszeignng eines Mnyerschen Farbendreiecks z« berichtigen. Die untere Reihe
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