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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

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Heft 4 (April 1927)
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Zwiener, Bruno: Vom Holzschnitten
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https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0111

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Vom Holzschmtzen

Von B i u u o

Dcis Holzschuiizeu ist eine uralte und vornehiue
Techuili. Sie wurde vou den kultiviertesteu Äöl-
keru jiepfle^i uud auch die priuiitivsteu übeii sie.
So brachte uuS vor eiiiigeu Tageu eiu iiiuiileres
Terkinuerleiii eiu üereromesser in die Klasse, das,
iveun auch uilk deu allereiufachsteu, so doch plasti-
scheu Berzieruugeii geschuiückt ivnr. Schast uiid Heft
wareu roh nuS Zolz geschnlht, aus dem au sich brei-
leu Holz hntke dcr Herero eiuige Oriiameute gear-
beitet, die iu ihrer Origiualilät vieleS vou uus Ge-
wollte iu dcu Schatteu stclleu. Da war aber auch
keiu Schuitk verpsuschl, da sühlte iiiau ordeullich,
wie das priiuiiiv ebeufalls sclbslgeiuachke Schuih-
uielser bei Wildeu über daS Holz fuhr uud Ainueii,
Wulste uud Slege schuihle, die völlig kiudlich iu
ihrer Sprachc, doch daS wiedergaben, was der
Schuiher bezwecklc.

Wie uuu siehl eS iu eiuer inoderuen Holzschnikk-
schule auS? ch't die Techuik, das Haudwerkliche um
Vieles vyrgeschritten? Durchaus nicht. Da skehk
der Kuustjünger vor einein ganz schlichten, roh zu-
gehaueueu Holzstück und schueidet mit einem ebenso
einfachen Schnihinesser und bohrt und bosselt wie
eben vor lönhrhunderken, ja Iahrtausenden. Da hel-
fen keiue Alnschinen und Steine und noch so fein
eiugekeilke Masze. AlleS häugt vom Willeu uud
Köuuen des SchniherS ab. Nur wenn der etwas
kaun, wird auS dem Hvlzblock auch ekwas. Freilich
gehört auch luud dles als erste Vorbediiigung sogar)
das Wisseu um das reiu Technische uud eine gewisse
rlebung dazu. Die nun soll vor allem hier erklärt
werden.

Für eine kleiue Holzschuiherei braucht man zuerst
eiu geeiguekes Stück Holz. Hier wäre es nun ver-
kehrt, am Beginu mit eiuem harkeu, festeu Stück
aufaugen zu wolleu. 2e weicher das tzolz, desto
besser. Ganz besouders aeeignet isk für jeht uud
später eiu astfreies Lindenholz. Und zum Schueideu
beuuheu wir eukweder das scharfe Tascheumesfer,
oder uoch besser das eigeus hierfür angeferkigte
Schuihmesser mil laugem Griff und kurzer gebogcuer
Scheide.

Nuu gilt es, deu Block sür die kleiue Holzschnihar-
beit zu schueideu. Nehuieu wir au, es wäre eiu Brief-
beschwerer mit eiuer Eidechse zu schneideu. Mik gro-
beu Schuilteu werden Lie Haupliunjze festgelegk, uin
sie weiter, immer iu den groszeu Liuieu bleibeud, ge-
nauer zu präzisiereu. Haudelk es sich um kleinere
Skiicke, die in der Hand gehalkeu wcrdeu KLnnen,
dann sind Klainmern und Halker für dns Holz nichk
uubedmgt nokweudig. Gröszere, uuhaudlichere Stücke
müssen jedoch bei der Bearbeituug iu Klemmeii oder
im Schiaubstock feskgehalken werdeu, um die liuke
Hand freizubekommen. Diese legk sich dann, je nach
der Tiefe und Iukeiisikät des Schuikkes mit auf das
Schuihmesser und gibk ihm so gi'öjzere Sicherhelkund
fiihrt es mikunter sogar.

Die Schuihel fallen uud fliegeui die Form krikk
iinmer klarer heraus. Sei es nun, dasz der eine
diese Eldechse z. B. nach einer Bildvorlage, der an-
dere uach eigenen gezeichneken Studien, ein Drikker
wieder aus dem Gedächknis schnihk, das eine ist wohl
immer zu beachken: NiemalS am Änfang sich in Ein-

Zwiener.

zelheiteu verlieren, wenn andere Teile noch roh und
ohne Zeichnung sind. Da wird einer sagen: „Das
fah ich aber doch schon so oft, dah, besonders bei
Bildwerken, der eine Teil unbearbeitet, der andere
volleudet war. Gervih gibt es das. Äber einmal
sind üies Ausuahmen und dann hat diese Plastiken
wahrscheiulich ein Künstler geschaffen, der lüngst das
rein Handwerkliche verlassen und „seine Handschrift"
schreiben durfte. Das ist sein gutes Recht. Wir
aber, die wir ja doch vor allem lernen wollen und ,
crst am Anfaug slehen, wir beobachten schön folgfam
die Natur, die immer uud zu allen Zeiteu die gröszke
Lehrmeisteriu bleiben wird.

Wo aber bringl die Natur solch Rudimente mit
völlig unentwickelken Teilen hervor? Noch immer
haben unsere groszen Meister, auch die modernen,
die Natur bewunderud und begeisterk studiert, müh-
sam Stufe um Stufe iu der Erkenutuis weiterklim-
meud, dasz immer noch jedes Kunstwerk nur ein Ab-
bild, eln schwacher Äbglanz der an Wundern fo
reichen Natur blieb.

Dieses Unvermögen braucht uus aber nicht zu
beirren. Einmal ist allerletzte Naturtreue nicht mög-
lich und dann ist sie auch nicht gewollt. Denn schließ-
lich müssen wir doch auch ekwas arbeiteu, was An-
lpruch auf etwas Kunst haben darf. „Kunst aber
heitzt", nach Liebermann, „weglassen". Weglassen,
vereinfachen: aber erst, wenu die ganze Nakur stu-
dierl wurde uud sich diese Niederschrift vou selbst
ergibt. So werden wir eben bei dem Beln der
Eidechse z. B. nicht ekwa die Einzelheiten bis ins
letzke Schttppchen und in die letzte Falke kopieren,
soudern wir werden auch hier, nachdem wir uns
dork über alle Formen klar wurden, zusammenziehen
und veceinfachen.

Nun ist im Berlaufe der Technik doch immerhin
Kleinarbeit nokwendig geworden. Mit breiten
Schuitz- unü Hohleisen werden wlr nicht mehr recht
weiter kommen. Da helfen die schmaleren Schnitz-
uud kleineren Hohleiseu. Die gibt es wohl in aller-
lei Gröfzen im Handel: wir wolleu aber verfucheu,
mit recht wenlgeu auszukommen, denn nicht die
Menge und Erstklassigkeit des Makerials macht es
ssonst würde der am grötzken dastehen, der die schön-
sken uud saubersteu Schnitzmesser hat), sondern der
Geist, der den Schnitzer bei seiner Arbeit beseelt
uud das Können.

»

Zurzeit ist eS „modern", den Schnitt z. B. bei
einem Nelief rechk flach, durchaus nicht kief zu
nehmen. Das erfordert nakürlich weniger Können
uud weniger Arbeit. Sehen wir uns die Arbeit der
guken „Alten" an (das Studium guter, alter Ar-
beiten ist gerade beim Holzschnitzen recht, recht nütz-
lich), dann werden wir über den Äeichkum der
Formen dort und über die Tiefe der Ileberschneidun-
gen usw. staunen. Bor mir liegt eine Kreuzigungs-
figur etwa aus den tzahren um 1740, Berstaubk und
mit dicker Oelfarbe verkleckst hat sie (sicherlich dutch
viele llahre hindurch) in der Ecke eines Bodens mit
alken, abgelegten Dingen zusammen ein beschauliches
Dasein geführt. Biel Mühe hak es gemacht, bevor
 
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