IIMI wieder die Zeitschrifk für ktinstlerische Kultur
geworden, die wir Kunstlehrer hcilten müssen.
A)ir gcben nachslehend elnlge Proben aus dem
lesjken Heft wleder. G. Kolb. /
Die Krise des denlschen Thealers
als Teilerscheinnng der kulturellen Krise der Gegen-
wart. ja der nngehenren Menschheikskrise der Zeit
überhaupk, bildet das Thema eines Aufsahes von
Werner Thormann im Augustheft des „KunstwartS".
Theater als der Ausdruck der Kulturgemeinschaft
cineS VolkeS seht einä Polksgemeinschaft und eine
gemelnsame Kultur voraus. Das Äestehen beider
Fakkocen wird vom Derfasser in Abrede gestellt.
Ls heißt hierüber u. a.: „Heute gibt es keine Volks-
ordnung mehc, sondern nur eine arbeitsteilige Ge-
sellschast, die ersl die ökonomischen, sozialen und
polikischen Boraussehungen einer neuen Ordnung
zu schaffen hat. Die Klage, dasz die Kunst heute
nicht mehr volkskümllch sei, ist deshalb gegenskands-
los, und alle Bersuche, die Kunstübung der Gegen-
wart und die Massen, die heute die Stelle des
Volkes vertrelen, wieder in Beziehung zu sehen,
sind nlchls anderes alS elne Kur an Symptomen.
So lange wenigstens, als man bei diesen Versuchen
von der ideologischen Fiktion eines Äolkes aus-
gehk, dem ein in idealistischen Traditionen gefange-
ner Knlkiirwille zugesprochen wird, und si6) nicht
an die Micklichkeit des arbeitenden Menschen, die
Wirklichkeit des Inüustriearbeiters, des Fandels-
nnd Aüroangestellken, deS Berkehrsbeamken, des
Lndeninüdchens und der Proletarierfrau zu wenden
weisz." Äon weiteren Veiträgen dieses Heftes wären
noch zn nennen: Protestantlsche Aeligiosität und
philosophische Lrkennknis, von Erwin Reisner: Von
Geist und Kunst üer Gokik, von 3oseph Popp: Ueber
üen musikalischen RhythmuS, von Karl Grunsky.
Die „Losen Vlätker" bringen Proben aus den
Schrlfken Aans Friedrich Vluncks.
Kunsl unb Gegenwark.
Auf die sich iininer mehr lockernden Vezlehun-
gen der Knnst zu den chikeressen der Gegenwart
kommt Wilhelm Atichel in einem Aundschau-
Aufsah im Äiigiislheft des „Kunskwarks" gelegent-
lich des Verichks über die Kuiistausstellung auf der
Darinstädker „Arakhildenhvhe" zu sprechen, wobei
er u. a. schceibk:
„Sonst scheint fask alleS, was die Ausstellung
bielek, ein Meikcrarbeiten in allen Vahnen: ei.n
Arbeiken, daS unS nichts angehk, weil es kein gei-
stigeS blnkeresse hat. Viele dieser Künstler können
etwas: aber was „kann" dieses Können? Was
spricht es auS, wo ist es eingereiht in die Werte
der Zelk? Wo greift es an, wo und wie treibt eS
vorwürks? Gerade in diesen kleineren und schwä-
cheren AuSskelliingen zeigk sich, wie schmal das Ter-
cain der Kunst gewocden ist. Sie kämpfk in ver-
'schlechkerker Sikiinkion, sie isk'im die-Defensive ge-
örängk. Wcder das seinschmeckerische impressioni-
skische Schildern der Farbenreize dieser Welt, noch
die snbjekklvistischen Selbskdeukungen des Expres-
sionismus haben uns ekwns zn sagen: ebensowenig
üie Neurealisten. Es liegk nicht an den künsklerischen
Bekennknissen: es liegt üaran, dajz der Typus
„Kllnstler" gegenwärlig nicht zum Wvrtführer bc-
rnfen ist, dasz der spezifisch künstlerische Ausdruck
nicht das Zdiom ist, in dem üas momenkan Wich-
üge gesagt werden kann. Wir spüren üas alle:
aber wir gestehen es uns selken ein. Es ist aber
da nichts zu verbergen. Denn „Schuld", die be-
stimmte Dinge oder Menschen kräse, llegt nicht vor.
Die Zeit hat im Augenblick andre llnteressen. Sie
zielt praktisch auf Berdichkung des physischen Le-
bens, geistig auf liefere Einsicht in Grundlagen und
Zusammenhänge des Lebens. So schieben sich auf
der einen Seike Hygiene und Freude am eigenen
Auko, auf der andern Seite Ausdrucksforschung,
Charakterforschung und eine nach allen Nichkungen
ausgreifende Lebenskunde in den Vordergrund. And
cs Ist besser, als an einigen ihrer Erscheinungen zu
quacksalbern. Denn je bestimmter eine solche gei-
stige Gesamtlage slch ausprägt, um so sicherer fllhrt
sie an öas Nsue heran. Konnte Murger in seinem
berühmken Buche noch einen vermögenden jugend-
lichen Snob vorführen, der durchaus den Lebens-
stil der Künstlerbohsme mikmachen wollte, so liegen
üle Dinge heule völlig umgekehrt: nicht mehr suchen
die Neichen üen Stil der armen Künstler, sondern
die Künstler suchen den Skil der Neichen zu imi-
tieren: und in solch einer Veränderung liegen für
den, der Zeichen und Gesten lesen kann, sehr weit-
reichende Aufschlüsse. Die Kunst gehört zu den
ewigen Dingen der Menschhelt: eben deshalb
musz Ihr ZeitkurS wechseln, well Zelken, Menschen
und Zustände sich bewegen."
(Fortsetzung folgt.)
Buchbesprechungen
Gokkfried Graf: Der neue Holzschnilt und das
Problem der künsilerlschen Geskalkung. Mit 88 Ab-
bildungen nach Originalholzschnitten. (Eugen Sal-
zer Verlag, Zeilbronn.) Subskripkionspreis bis
1. August 1627 6,66 Mark, später im Vuchhandei
8,66 Mark. Ein ungewöhnlich schönes und wert-
volles Buch, das sich unmiktelbar an unsere Kreise
wendek. Der Herausgeber, den Lesern von „Kunst
und Iugend" kein Unbekannter, wirkk als Profes-
sor für Zolzschnikkkunst an der Akademie für die
bildenden Künste und hak schon eine grosie Anzahl
von Schülern herangebildet. Eigene Arbeiten und
Arbeiten dieser Schüler füllen nun das Buch, Zeug-
nis gebend von dem tiefen, ernsten Streben und
Schasfen und von der künstlerischen Höhe der Graf-
Schule. Die Holzschnittfoige ist mit einer Anzahl
in sich geschlossener Aufsähe begleikek, ein Nieder-
schlag der Erörterungen, die von Prof. Graf mit
den Studierenden gepflogen werden über die kttnst-
lerische Gestaltung im allgemeinen, wie im besonde-
ren über die des Holzschnittes. Von diesen tief schür-
fenden Aufsätzen heben wlr folgende hervor: Der
neue Holzschnitt und seine Entwicklung, die Technik
deä Holzschnittes, die Gestalk, Analyse der Vildge-
skalk, Erlebnis und Gestalkung, die künstlerischen
Standpunkte der Gegenwark, oer Eppressionismus,
der Kubismus, der Verlsmus, der Wille zum Slil.
Keiner von uns, der nach Klarheit über die künsk-
lerischen Gestaltungsprobleme rlngt, sollke an dem
geworden, die wir Kunstlehrer hcilten müssen.
A)ir gcben nachslehend elnlge Proben aus dem
lesjken Heft wleder. G. Kolb. /
Die Krise des denlschen Thealers
als Teilerscheinnng der kulturellen Krise der Gegen-
wart. ja der nngehenren Menschheikskrise der Zeit
überhaupk, bildet das Thema eines Aufsahes von
Werner Thormann im Augustheft des „KunstwartS".
Theater als der Ausdruck der Kulturgemeinschaft
cineS VolkeS seht einä Polksgemeinschaft und eine
gemelnsame Kultur voraus. Das Äestehen beider
Fakkocen wird vom Derfasser in Abrede gestellt.
Ls heißt hierüber u. a.: „Heute gibt es keine Volks-
ordnung mehc, sondern nur eine arbeitsteilige Ge-
sellschast, die ersl die ökonomischen, sozialen und
polikischen Boraussehungen einer neuen Ordnung
zu schaffen hat. Die Klage, dasz die Kunst heute
nicht mehr volkskümllch sei, ist deshalb gegenskands-
los, und alle Bersuche, die Kunstübung der Gegen-
wart und die Massen, die heute die Stelle des
Volkes vertrelen, wieder in Beziehung zu sehen,
sind nlchls anderes alS elne Kur an Symptomen.
So lange wenigstens, als man bei diesen Versuchen
von der ideologischen Fiktion eines Äolkes aus-
gehk, dem ein in idealistischen Traditionen gefange-
ner Knlkiirwille zugesprochen wird, und si6) nicht
an die Micklichkeit des arbeitenden Menschen, die
Wirklichkeit des Inüustriearbeiters, des Fandels-
nnd Aüroangestellken, deS Berkehrsbeamken, des
Lndeninüdchens und der Proletarierfrau zu wenden
weisz." Äon weiteren Veiträgen dieses Heftes wären
noch zn nennen: Protestantlsche Aeligiosität und
philosophische Lrkennknis, von Erwin Reisner: Von
Geist und Kunst üer Gokik, von 3oseph Popp: Ueber
üen musikalischen RhythmuS, von Karl Grunsky.
Die „Losen Vlätker" bringen Proben aus den
Schrlfken Aans Friedrich Vluncks.
Kunsl unb Gegenwark.
Auf die sich iininer mehr lockernden Vezlehun-
gen der Knnst zu den chikeressen der Gegenwart
kommt Wilhelm Atichel in einem Aundschau-
Aufsah im Äiigiislheft des „Kunskwarks" gelegent-
lich des Verichks über die Kuiistausstellung auf der
Darinstädker „Arakhildenhvhe" zu sprechen, wobei
er u. a. schceibk:
„Sonst scheint fask alleS, was die Ausstellung
bielek, ein Meikcrarbeiten in allen Vahnen: ei.n
Arbeiken, daS unS nichts angehk, weil es kein gei-
stigeS blnkeresse hat. Viele dieser Künstler können
etwas: aber was „kann" dieses Können? Was
spricht es auS, wo ist es eingereiht in die Werte
der Zelk? Wo greift es an, wo und wie treibt eS
vorwürks? Gerade in diesen kleineren und schwä-
cheren AuSskelliingen zeigk sich, wie schmal das Ter-
cain der Kunst gewocden ist. Sie kämpfk in ver-
'schlechkerker Sikiinkion, sie isk'im die-Defensive ge-
örängk. Wcder das seinschmeckerische impressioni-
skische Schildern der Farbenreize dieser Welt, noch
die snbjekklvistischen Selbskdeukungen des Expres-
sionismus haben uns ekwns zn sagen: ebensowenig
üie Neurealisten. Es liegk nicht an den künsklerischen
Bekennknissen: es liegt üaran, dajz der Typus
„Kllnstler" gegenwärlig nicht zum Wvrtführer bc-
rnfen ist, dasz der spezifisch künstlerische Ausdruck
nicht das Zdiom ist, in dem üas momenkan Wich-
üge gesagt werden kann. Wir spüren üas alle:
aber wir gestehen es uns selken ein. Es ist aber
da nichts zu verbergen. Denn „Schuld", die be-
stimmte Dinge oder Menschen kräse, llegt nicht vor.
Die Zeit hat im Augenblick andre llnteressen. Sie
zielt praktisch auf Berdichkung des physischen Le-
bens, geistig auf liefere Einsicht in Grundlagen und
Zusammenhänge des Lebens. So schieben sich auf
der einen Seike Hygiene und Freude am eigenen
Auko, auf der andern Seite Ausdrucksforschung,
Charakterforschung und eine nach allen Nichkungen
ausgreifende Lebenskunde in den Vordergrund. And
cs Ist besser, als an einigen ihrer Erscheinungen zu
quacksalbern. Denn je bestimmter eine solche gei-
stige Gesamtlage slch ausprägt, um so sicherer fllhrt
sie an öas Nsue heran. Konnte Murger in seinem
berühmken Buche noch einen vermögenden jugend-
lichen Snob vorführen, der durchaus den Lebens-
stil der Künstlerbohsme mikmachen wollte, so liegen
üle Dinge heule völlig umgekehrt: nicht mehr suchen
die Neichen üen Stil der armen Künstler, sondern
die Künstler suchen den Skil der Neichen zu imi-
tieren: und in solch einer Veränderung liegen für
den, der Zeichen und Gesten lesen kann, sehr weit-
reichende Aufschlüsse. Die Kunst gehört zu den
ewigen Dingen der Menschhelt: eben deshalb
musz Ihr ZeitkurS wechseln, well Zelken, Menschen
und Zustände sich bewegen."
(Fortsetzung folgt.)
Buchbesprechungen
Gokkfried Graf: Der neue Holzschnilt und das
Problem der künsilerlschen Geskalkung. Mit 88 Ab-
bildungen nach Originalholzschnitten. (Eugen Sal-
zer Verlag, Zeilbronn.) Subskripkionspreis bis
1. August 1627 6,66 Mark, später im Vuchhandei
8,66 Mark. Ein ungewöhnlich schönes und wert-
volles Buch, das sich unmiktelbar an unsere Kreise
wendek. Der Herausgeber, den Lesern von „Kunst
und Iugend" kein Unbekannter, wirkk als Profes-
sor für Zolzschnikkkunst an der Akademie für die
bildenden Künste und hak schon eine grosie Anzahl
von Schülern herangebildet. Eigene Arbeiten und
Arbeiten dieser Schüler füllen nun das Buch, Zeug-
nis gebend von dem tiefen, ernsten Streben und
Schasfen und von der künstlerischen Höhe der Graf-
Schule. Die Holzschnittfoige ist mit einer Anzahl
in sich geschlossener Aufsähe begleikek, ein Nieder-
schlag der Erörterungen, die von Prof. Graf mit
den Studierenden gepflogen werden über die kttnst-
lerische Gestaltung im allgemeinen, wie im besonde-
ren über die des Holzschnittes. Von diesen tief schür-
fenden Aufsätzen heben wlr folgende hervor: Der
neue Holzschnitt und seine Entwicklung, die Technik
deä Holzschnittes, die Gestalk, Analyse der Vildge-
skalk, Erlebnis und Gestalkung, die künstlerischen
Standpunkte der Gegenwark, oer Eppressionismus,
der Kubismus, der Verlsmus, der Wille zum Slil.
Keiner von uns, der nach Klarheit über die künsk-
lerischen Gestaltungsprobleme rlngt, sollke an dem