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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

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Heft 10 (Oktober 1927)
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https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0264

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233


Amschau

^Der KnnstwarO ^

Daä neue Arlmdien.

Die höchst unerfreullchen lilerarischeu uud son-
siigeu übleu Begleiterscheiuuugen üer im Grunde
sehr vernüufligen und fördernswerten neuen Körper-
ilttiiur uiuimt in einem herzerfrischend offenen, mit
iwstlicher Zronie gewürzten Aufsah, betitelt „Das
„eue ^lrkadien", Paul AlverdeS im Augusthest deS
„ttunslwaris" unter jeine iiritische Lupe. Wir gebeu
üen iesenswerte» Artiliel iu solgendem starli geliürzt
wieder und empfehlen ihn im Original öer aller-
weitesten Beachtuug. ES heijzt hier u. a.: „Daß sich
eudlich auch der deutsche Mensch auf seinen Körper
besounen hat und den Feltwänsten, schiefen Schul-
tern und Beinen, ungellbteu Muslreln, ungewasche-
ner und ungelüsteter Haut und was dergleichen
Leibesarmseliglieiken mehr siud, Fehde mit allen
Mitleln und auf lange Frist mil dem herrlichen
Ziel ihrer völligen Ausrottung ansngt, ist eine der
erfrcueudsten unü tröstlichsten Aewegungen dieser
Zeit. Schou schiclit eiue gesundere, freiere und
schöuere Generatiou ihre Lrstlinge vor: aus den
Badeplähen bewegt sich eine laugbeinige, braun-
häutige, ihrer Körper freudig bewuhte ltugeud jchön,
und auch die Aeltecen haben einiges nachgeholt.
Ilnd es wird uoch mehr erworbeu und uachgeholt
iverden, weil sich das Schöue und> Gesunde mit
seinen Milteln länger fesseln lassen will. Daran
werden auch die wuuderlichen Verordnungen einiger
lülialer Behördeu besouders in Bayern, die sich
gegen eiuen „Ilnfug des Freibadens" erbosen, gar
»ichls ändern. Mau wird einsehcn müssen, üah es
unwürdig ist, mit Bewnffueten Lagd auf das wasser-
mid sonuenhungrige Bolli zu machen: oder wird
maii erst zur Bernunft liommen, wenn Empörte die
zu Sitteuhütern miszbraiichte Landjägerschaft all-
geinein auf eine sehr eindeutige Weise zur Teil-
nahme an der Wasserlust bewegen, wie es hier und
dort schon geschehen ist? " "

tlndessen scheint Aebertreibung diesmal nicht ein-
zig das Borrechl jener Anverstäudiges auf eine
unverständige Weisc belreibenüen Behörden zu seiu.
Es wachsen und wecben allerorten in Deutschland
die Bünde, Bereinigungen und Seliteu, von allen

Gradeu der Nadikalität, denen die Badehose nicht
nur das Aergernis dec Welt selber bedeutet, sondern
die für eiue möglichst häufige Backlheit aller Alter
und Gelchlechter bei möglichst häufigen oder allen
Gelegenheiten überhaupt eintreten . . . Auch hier
wie be! allen derartigen Bewegungen aller Zeiten
erblickt man im Bortrupp ein Häuflein reiner und
feuriger Ldealisten, dahinter die Atenge mehr oder
weniger einfältiger Trabanten, ein paar amlsbekannte
Zanje auf allenEassen, und amEndeein verlogenes
Lumpengesiudel purer Geschäftemacher, denen jede
Parole eben gul genug ist, um sie auf das Aus-
hüngeschild ihrer Aamschläden zu schreiben . . .

^Die Literakur der neuen Arkadier ist üer äutzeren
Form nach in der Hauptsache Kolpoctageliteratur:
wöchentlich oüer monatlich erscheineude Hefte mit
einigem unterhallenüen oder werbenden Tept und
zahlreichen unterhaltenden oder wecbenden Akl-
photographien. Lhre Zahl ist Legion unü noch er-
scheineu ständig neue Namen. Das BedürfniS nach
der lheorelischen Crörterung der einschlägigeu Fra-
geu könnle man also in allen Schichten der Ae-
völkerung für unwiderstehlich und unstillbar halten:
allein es erfreuen sich auch Magazine, die auf den
Text von vornherein verzichten und nur mit Vei-
spielen wirken, eines nährenden Absahes.

Was die Texle angeht, lso sind in einigen Heften
jene ehrlich Üeberzeugten am Werke, die eine
Menschheit zu erlösen krachten. Allein sie verhin-
dern es schon nicht, daß in den gleichen Heften die
Abgeschmacktheit sich breit machk. Da stehen Ge-
dichle von einer so kinkenmäßigen Leiberanbetung,
so läppisch oder so parfümiert oüer so törichtverbuhlt
ünd Prosastücklein von so geistverlassener Aeber-
heblichkeit, dasz man zu üblen Schlüssen auf den
Geist des Ganzen versuchk isk. Auch die slnserakeu-
welt dieser Hefte läjzt böse Schlllsse zu . . .

Das Bildermaterial üer neu-arkadischen Litera-
lur, in der Haupksache Lichtbildaufnahmen männ-
licher, mehr noch weiblicher Körper in allerlei
Kmgebung, lützt sich unter vier Gattungen begreifen:
dem natürlichen, dem gestellten oder unnakürlichen,
dem läppischen Bild und endlich dem Salonakt . . .

Ziisaiiiiiienfassend ist festzustellen: der verlogene
und alberne Text, das verlogene und alberne Bild
überwiegen in der Likeratur des Neuen Arkadien
in üer krostlosesten Weise. Ls kann nicht bezweifelt
 
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