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Leben schon mieder an Durchschlagskraft ver-
loren haben. Es war der Akademismus, der sich
im Zeichenunterricht aussprach, das klassisch-antike
Neal der 2!enaissance übel vermischt mik einem Ein-
schlag der hvchst realistischen Lebensstimmung der
70er bis 90er Oahre, monach das Kind vor allem „er-
ttichtigl" merden solike für das was es spciter im prak-
tischen Aerufe brauchen würde. Diese kypische Ver-
inlschung des Sumanismus mik »interlalistischen Lehr-
zielen ergab wie überall so auch im Zeichenunterricht
eine, zwar nur mit halbem Ernst bekriebene „Me-
khode" und ihren geradezu verblllffenden Miszerfolg.
Wir wissen nun aber,' daß um 1900 herum sich
eine Stellungiiahme zur Kunst durchsebke, die nicht
ausging auf Schulung der Hand, sondern auf „S ch u-
lung des Auges", wodurch man gewiß in den
inneren Bezirk der Kindheitskräfke des Menschen
ein guteS Skück tiefer eindrang. Wir haben es
als Schüler, vielleicht sogar als Lehrer erlebk, mit
mas für einer befreienden Kraft die Programme
sich ausgewirkt haben, die zuerst in England von
i Crane, Ärang und Liberky-Tadd aufgestellt maren,
^ die in ihrer heuke zum großen Teil noch gültigen
Weise von Konrad Lange formuliert rvurden und
die sich in eineni gewisfen Sinne berufen können
auf die grosze romankische Frühzeit der neuen Päda-
gogik, auf Pestalozzi und Fröbel, wenn man sie
rechk auszulegen weijz. Wir wissen, was es be-
deukete, dasz man dem Kinde Erlaubnis und Muk
gab zu eliiem wenn nuch noch so unvollkommenen
,',Skizzieren" vor der Freilichk- und Freilufknakur,
und wleviel damik schon fiir die Erwecliung des
Form- und Aaumverständnisses, fllr eine Schulung
des Sehens und dann auch des Darstellens
aeschehen war. Wir besknkigen, dasz mit dem Glau-
ben jener Zeik, die Uebung würde, wenn man dem
Kinde nur recht viel Möglichkeit zum Skizzieren
gäbe, von selber nachkommen, kaksächlich eine Ent-
deckung gemacht war. Wie kiefgreisend diese Ve-
wegung gewirkk haben mub, das zeigt sich daran,
daß mik ihr Lurchaus paraltel ging eine Schulung
auch der rezeptiven Kräfke des Kindes,
wobei ich auszer an die genannken Namen nur an
Alfred Lichkwark (Hamburg) erinnern möchte. Ob
die damnls gängigen Auffassungen von einer nllge-
meinen künstlerischen Volksbildung im einzelneii!
richkig sind, ob z. Ä. Lichkwarks Versuch, den Ham-
burger Diletkankismus zu fördern, nichk schlieszlich
im Sande eines senkimentalcn Zeimakkunskges6)macks
verlaufen ist, das ist freilich eine Frage; aber selbst
ihre skleptische Beankwortung trifft höchstens die
Kunsterziehungsldeale jener Zeik, niemals die posi-
kiven Eroberungen des Zeichenunterrichts.
MaS mich an dieser guas! hiskorischen Bekrachknng
inkeressierk hak, ist, dafz auch diese neue Nichkung der
kllnstlerischen Erziehung des Kindes wiederum ein
AuSdruck allgemeiner Kunstbewegung war, des
,1m p r e s s i o n i s m u s, der Freilicht- und Frei-
luftmalerei, deren Grundlagen hler als bekannk vor-
ausgesehk werden dürfen. Für viele mag in dem,
was der Impresslonismus für den zepchnerischen und
den Kunstunkerrlchk in den Schulep gewann, die
Suinme nller möglichen Neuerungen beschlossen sein.
Biele aber unter uns haben vielleicht die gröhte
Ueberraschung, den lebendlgsten Erfolg erst in einer
noch späkeren Phase erlebt, welche wiederum, wie
ich noch auäsühren werde, Ausdruck einer neuen
ganz elementaren künstlerischen Wendung sein sollle.
Etwa um das lahr 1910 bis 1912 war man soweit, ^
dajz man wagen durfte, gegenüber der Schulung peri-
pherer Organe wle Land und Auge sich auf die
inneren Kräfte des Kindes zu stützen, die nicht ge- >
schult und eczogen, sondern nur „geweckt" zu wer-
den brauchen, weil sie die reifsten, fertigsten, mäch-
tigsten in ihni.sind. Wer es selbst erlebt hat, wird
zugeben müssen, daß diese neue „Methode" des Er -
weckens latenker Ausdruckskräfte der „Kindes-
Natur" geradezu erstaunliche, ja wunderbare Er-
folge gezeikigt hak.*
Es gelang fortab aus dem Kind vermöge einer
gewissen Geburtshilfe Kräfte herauszulocken, die
sich sonst nur etwa im Spiele gezeigt hatten, und
dieses schöpferische Spiel dem Anterrichk dienstbar
zu machen. Dieses Spiel, das sich seine Phantasie-
objekke schafft, set es ein Bild, eine Bastelei, ein
Bauwerk, ist für das Kind in hohem Masze lust-
hebend. And seik man sich auf diese Kräfte stühte,
hat man in der reinen Kinderleistung die erstaun-
lichsken Dinge erfahren. Damit war keineswegs be-
dingk, dasz der Erzieher fortab mit verschränkken
Armen neben dem „schöpferischen" Kinde skand, son-
dern die neuc Aufgabe war, datz er die Phankasie
des Kindes anfeuerke, und dann erst, wenn des
Kindes Seele gefüllt war mik dem Inneren Bild,
es „loslieh" auf seinen Zeichenblock. Aber auch
darauf beschränkle sich die Täkigkeik des Lehrers
keineswegs. Mer seinen linterricht verltand, wuhte
genau, dah jedes Ktnd — das eine früher, das an-
dere späker, das begabte zu einem häufig ganz
abnormen Zeikpunkke — nach gewissen Kunstmit-
keln verlangk, dajz ihm diese Kunstmitkel swie
zeichne ich einen Raum, einen Körper, wie behandle
ich Perspektive und Schakken, was muh ich von Pro-
portionen wissen) — Mikkel, die also zunächst mit
„Aesthetik" gar nichts zu kun haben — vom Lehrer
dann gegeben werden mllssen, wenn es innerlich da-
nach verlangt. So war also die Tätigkeit des Leh-
rers nichk verminderk, sondern sie war sogar ver -
mehrk, denn es kam an den Lehrer die Aufgabe
heran, zu wachen, zu horchen, zu forschen, wann
der Momenk gekommen Ist, dies und das zu geben,
und wo man, indem man den Skoff von auszen an
das Kind heranbrächke, nur Schaden und Schaffens-
unlust erzielen würde. Verstehen wir die Wek-
kung der unterbewuhken Kräfke des Kindes so, dann
bleibt auch heute noch — troh der lnzwtschen ein-
gekrekenen Neakkion — ein unbezweifelbar posikives
Ergebnis. Wir haben es erlebt, wie plötzllch --
gleichsam Lber Nacht — fast in jeder zweiken Skadt
irgend eine Schulklasse sichkbar wurde, deren zeich-
nerische Leiskungen als Zeugen einer sponkanen,
zum mindesken kunstähnlichen und kunstvorbereiken-
den Täkigkeik ües Kindes erschükkerken und freudig
überzeugken. Den anscheinend so subjektlven Me-
khoden des neuen Zeichen- und Kunskunkerrlchks war
* Mai, weiß auch aus andcren Gebieten, dab das Auswerten
der imaaiuattven Phantagekräfte i,n Menschen qegenüber dem
Zwaug des Willens dis grohteu Srfolge hat; z. B. auf dem Ge>
b ete der Medizin, wo ich nur ani die Schule »on Lous hinweise,
die iinmerhin b-inerkensw-rte Srfolge erztelt nur dadur», daß
der Patteut sich suggerlert .ich werde das Ziel erreichen", statt
dafj er sich anstrengt, es zu wollen.
Leben schon mieder an Durchschlagskraft ver-
loren haben. Es war der Akademismus, der sich
im Zeichenunterricht aussprach, das klassisch-antike
Neal der 2!enaissance übel vermischt mik einem Ein-
schlag der hvchst realistischen Lebensstimmung der
70er bis 90er Oahre, monach das Kind vor allem „er-
ttichtigl" merden solike für das was es spciter im prak-
tischen Aerufe brauchen würde. Diese kypische Ver-
inlschung des Sumanismus mik »interlalistischen Lehr-
zielen ergab wie überall so auch im Zeichenunterricht
eine, zwar nur mit halbem Ernst bekriebene „Me-
khode" und ihren geradezu verblllffenden Miszerfolg.
Wir wissen nun aber,' daß um 1900 herum sich
eine Stellungiiahme zur Kunst durchsebke, die nicht
ausging auf Schulung der Hand, sondern auf „S ch u-
lung des Auges", wodurch man gewiß in den
inneren Bezirk der Kindheitskräfke des Menschen
ein guteS Skück tiefer eindrang. Wir haben es
als Schüler, vielleicht sogar als Lehrer erlebk, mit
mas für einer befreienden Kraft die Programme
sich ausgewirkt haben, die zuerst in England von
i Crane, Ärang und Liberky-Tadd aufgestellt maren,
^ die in ihrer heuke zum großen Teil noch gültigen
Weise von Konrad Lange formuliert rvurden und
die sich in eineni gewisfen Sinne berufen können
auf die grosze romankische Frühzeit der neuen Päda-
gogik, auf Pestalozzi und Fröbel, wenn man sie
rechk auszulegen weijz. Wir wissen, was es be-
deukete, dasz man dem Kinde Erlaubnis und Muk
gab zu eliiem wenn nuch noch so unvollkommenen
,',Skizzieren" vor der Freilichk- und Freilufknakur,
und wleviel damik schon fiir die Erwecliung des
Form- und Aaumverständnisses, fllr eine Schulung
des Sehens und dann auch des Darstellens
aeschehen war. Wir besknkigen, dasz mit dem Glau-
ben jener Zeik, die Uebung würde, wenn man dem
Kinde nur recht viel Möglichkeit zum Skizzieren
gäbe, von selber nachkommen, kaksächlich eine Ent-
deckung gemacht war. Wie kiefgreisend diese Ve-
wegung gewirkk haben mub, das zeigt sich daran,
daß mik ihr Lurchaus paraltel ging eine Schulung
auch der rezeptiven Kräfke des Kindes,
wobei ich auszer an die genannken Namen nur an
Alfred Lichkwark (Hamburg) erinnern möchte. Ob
die damnls gängigen Auffassungen von einer nllge-
meinen künstlerischen Volksbildung im einzelneii!
richkig sind, ob z. Ä. Lichkwarks Versuch, den Ham-
burger Diletkankismus zu fördern, nichk schlieszlich
im Sande eines senkimentalcn Zeimakkunskges6)macks
verlaufen ist, das ist freilich eine Frage; aber selbst
ihre skleptische Beankwortung trifft höchstens die
Kunsterziehungsldeale jener Zeik, niemals die posi-
kiven Eroberungen des Zeichenunterrichts.
MaS mich an dieser guas! hiskorischen Bekrachknng
inkeressierk hak, ist, dafz auch diese neue Nichkung der
kllnstlerischen Erziehung des Kindes wiederum ein
AuSdruck allgemeiner Kunstbewegung war, des
,1m p r e s s i o n i s m u s, der Freilicht- und Frei-
luftmalerei, deren Grundlagen hler als bekannk vor-
ausgesehk werden dürfen. Für viele mag in dem,
was der Impresslonismus für den zepchnerischen und
den Kunstunkerrlchk in den Schulep gewann, die
Suinme nller möglichen Neuerungen beschlossen sein.
Biele aber unter uns haben vielleicht die gröhte
Ueberraschung, den lebendlgsten Erfolg erst in einer
noch späkeren Phase erlebt, welche wiederum, wie
ich noch auäsühren werde, Ausdruck einer neuen
ganz elementaren künstlerischen Wendung sein sollle.
Etwa um das lahr 1910 bis 1912 war man soweit, ^
dajz man wagen durfte, gegenüber der Schulung peri-
pherer Organe wle Land und Auge sich auf die
inneren Kräfte des Kindes zu stützen, die nicht ge- >
schult und eczogen, sondern nur „geweckt" zu wer-
den brauchen, weil sie die reifsten, fertigsten, mäch-
tigsten in ihni.sind. Wer es selbst erlebt hat, wird
zugeben müssen, daß diese neue „Methode" des Er -
weckens latenker Ausdruckskräfte der „Kindes-
Natur" geradezu erstaunliche, ja wunderbare Er-
folge gezeikigt hak.*
Es gelang fortab aus dem Kind vermöge einer
gewissen Geburtshilfe Kräfte herauszulocken, die
sich sonst nur etwa im Spiele gezeigt hatten, und
dieses schöpferische Spiel dem Anterrichk dienstbar
zu machen. Dieses Spiel, das sich seine Phantasie-
objekke schafft, set es ein Bild, eine Bastelei, ein
Bauwerk, ist für das Kind in hohem Masze lust-
hebend. And seik man sich auf diese Kräfte stühte,
hat man in der reinen Kinderleistung die erstaun-
lichsken Dinge erfahren. Damit war keineswegs be-
dingk, dasz der Erzieher fortab mit verschränkken
Armen neben dem „schöpferischen" Kinde skand, son-
dern die neuc Aufgabe war, datz er die Phankasie
des Kindes anfeuerke, und dann erst, wenn des
Kindes Seele gefüllt war mik dem Inneren Bild,
es „loslieh" auf seinen Zeichenblock. Aber auch
darauf beschränkle sich die Täkigkeik des Lehrers
keineswegs. Mer seinen linterricht verltand, wuhte
genau, dah jedes Ktnd — das eine früher, das an-
dere späker, das begabte zu einem häufig ganz
abnormen Zeikpunkke — nach gewissen Kunstmit-
keln verlangk, dajz ihm diese Kunstmitkel swie
zeichne ich einen Raum, einen Körper, wie behandle
ich Perspektive und Schakken, was muh ich von Pro-
portionen wissen) — Mikkel, die also zunächst mit
„Aesthetik" gar nichts zu kun haben — vom Lehrer
dann gegeben werden mllssen, wenn es innerlich da-
nach verlangt. So war also die Tätigkeit des Leh-
rers nichk verminderk, sondern sie war sogar ver -
mehrk, denn es kam an den Lehrer die Aufgabe
heran, zu wachen, zu horchen, zu forschen, wann
der Momenk gekommen Ist, dies und das zu geben,
und wo man, indem man den Skoff von auszen an
das Kind heranbrächke, nur Schaden und Schaffens-
unlust erzielen würde. Verstehen wir die Wek-
kung der unterbewuhken Kräfke des Kindes so, dann
bleibt auch heute noch — troh der lnzwtschen ein-
gekrekenen Neakkion — ein unbezweifelbar posikives
Ergebnis. Wir haben es erlebt, wie plötzllch --
gleichsam Lber Nacht — fast in jeder zweiken Skadt
irgend eine Schulklasse sichkbar wurde, deren zeich-
nerische Leiskungen als Zeugen einer sponkanen,
zum mindesken kunstähnlichen und kunstvorbereiken-
den Täkigkeik ües Kindes erschükkerken und freudig
überzeugken. Den anscheinend so subjektlven Me-
khoden des neuen Zeichen- und Kunskunkerrlchks war
* Mai, weiß auch aus andcren Gebieten, dab das Auswerten
der imaaiuattven Phantagekräfte i,n Menschen qegenüber dem
Zwaug des Willens dis grohteu Srfolge hat; z. B. auf dem Ge>
b ete der Medizin, wo ich nur ani die Schule »on Lous hinweise,
die iinmerhin b-inerkensw-rte Srfolge erztelt nur dadur», daß
der Patteut sich suggerlert .ich werde das Ziel erreichen", statt
dafj er sich anstrengt, es zu wollen.