Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

DOI Heft:
Heft 8 (August 1927)
DOI Artikel:
Martell, P.: Zur Geschichte der Radierung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0219

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

ttiiMii MdorferS haben zu dieser Entwickluna den
släriislen Ansiojz gegeben. Alä ein sehr fruchtbarer
Aadierer eniwiclielle sich der 1503 zu Nlirnberg ge-
borene Augustin H i r s ch v o g e l, der in seiner Äiel-
seitlgkelt auch alS Ingenieur und Stempelschneider
wirlite. Der Kunsller schuf in der kurzen Zeit von
1543 biS 1545 elwa 155 Älätter, die besonders in
üer Landschaft Anmut und feines Empfinden ver-
raten. Die lilinstlerische Bewältigung einer Figuren-
szciie bereikete ihm allerdings Schwlerigkeiten, den-
noch ist Hirschvogel ein Träger echten Kllnstlerkums.
3n seinen 120 Äadiejimngen zum Alten und Neuen
Testameiik sagl uns maiiches nicht zu, als Gesamtheit
aber bemerkenswert. Der Meister, zu Wien lebend,
stand in Dienslen Kaiser Ferdinands I. und schuf so
von der Donausladt im Oahre 1547 ein werkvolles
Stadtbild als Nadierung. Als ein lreffllcher Land-
lchafker in der Nadierung isk auch der 1524 zuNürn-
berg geborene Hans Sebald Laukensack zu
nennen, der nach Lukas van Leyden einer der
ersten war, der Stichelarbeit und Äekung auf der-
selben Platte miteinander vereinigte. Lautensack mit
Hirschvogel in Wien lebend, ragk künsllerisch über
letzkeren hinaus. Lautensacks Äadierunaen lassen
bereiks eine malerische Durchführuna und Behand-
lung erkennen. Als ein zu seiner Zeit bedeutender
Naolerer wirkte der zu Zürich geborene 5ost Amman
(1539—1501), der vornehmlich in Nürnberg arbeikete.

Nlcht immer leiskete die Äadierung reinen Dienst
an der Kunsk, auch als fleißige Helferin im Gewcrbe
krak die Ändierung mit Geschick auf. Ein Beispiel
dieser Ark liefert der Skratzburger Wendelin Diet-
terlein, der 1593 ein grotzeS, 209 radierke Tafeln
umfassendes Lehrwerk „Archikekkura" herausgab, das
als ein Musterbuch für öie Tischlerei und der ver-
wandken Gewerbe aufzufassen ist. Wenngleich das
Borlagenwerk eine Fülle eigenarkiger Erfindungen
aufweist, ist es teilweise von einer gewissen Ge-
schmacksverwilderung nicht frei, die später in un-
günskiger Weise auf die sogenannke deuklche Äenais-
lance einwirkke. 11m diese Zeit enkstanden auch in
den Abinessungen unförmliche Bildwerke, so das grotze
Städtebuch, das der Kölner Dechant G. Braun
mit dem Maler und Äadierer Franz Hogenberg
um 1572 herausgab, das hunderke von foliogrotzen
Skädteanlichken enthält.

Mikke oes 17. Oahrhunderks beginnk die holländische
Nadierkunst zusehends Einflutz auf die deutsche Äa-
dierung zu gewinnen. Die klassische Kunlt eines
RubenS und Nembrandts spiegelt sich in der
deukschen Nadierung vortrefflich wieder, die in dem
Pfälzsr Ooh. Heinr. Noos einen damalS meister-
haften Bertreker gewann. Äoos weitz der Tierwest
freundliche Mokive abzugewinnen und hälk sich klug
von jenen realistischen Geschmacklosigkeiken fern,
unter denen die holländischen Tlerstücke gelegentlich
zu leiden haben. Auch Licht und Luft beherrschk
Noos mit der Radiernadel sicher.

Das 18. Oahrhunderk zeigt uns dann den berühmken
Berliner Kupferstecher Georg Friedrich Schmidk
<1712—1775) gleichzeitig alS einen hervorragenden
Radierer. Zu Paris sich in der französischen Schule
deS Kupferstichs bildend, führke er ln dem friderizia-
nischen Äerlin und späker in dem zaristischen Peters-
burg seine Skechkunst zu grotzer Bollendung. 5n der
Nadierung von hochentwlckelker Technik, suchke
Schmidk im Banne Äembrandks dessen Im Male-
rischen liegende Zauberwelt nachahmend zu erschöpfen,

191

was ihm ofk, aber nichk immer, gut gelang. Nach
der Nembrandt'scheii Oudenbrauk schuf Schmidt eine
der vollendetsten Radierungen, welche die Kunstge-
schichke kennt. Der Radierer 5oh. Elias Ridinger
(1695—1767) zeitweise zu Augsburg und Äegensburg
täkig, ist kunstgeschichkiich weniger durch ein vollen-
dekes Rünstlerkum beachtenswert, als wie durch ein
von ihm erschlossenes Sondergebiet. Ridinger isk
unker den Nadierern der Klassiker des Weidwerks.
Obwohl sein Radierwerk aus nahezu 1300 Blätkern
bestehk, wutzke er die Tiere des Waldes weder in der
Anakomie noch im lebendigem Ausdruck künstlerisch
restlos zu erfassen. Seine Hunde sind fast immer
mit der Maske des reitzenden Tieres behaftet und
seine Bögel erschcinen figürlich von einer Blei-
schwere unnatüriich belastek. Trotzdem erfreuen sich
Ridingers Aadierungen bei den llagdherren noch
heute grotzer Beliebtheik.

3n Äaniel Chodowieckie, 1726 zu Danzig ge-
boren und 1801 zu Berlin gestorben, gewinnt dann
dis deuksche Nadierung des 18. Oahrhunderts ihren
eigenklichen klassischen Meister. Mit einer verblüsfen-
den Schärfe lebendiger Darstellungskunst bannt
Chodowiecki die Welt des Spietzbürgerkums auf die
Plakken, die so zu köstlichen Kulturdokumenten wer-
den. So spricht aus den Äadierungen des Meisters
der wahrheitsgekreue Sikkenschilderer des preutzischen
Bolkes und im engeren Sinne der damaligen Ber-
liner Gesellschafk, die, beseelt vom frlderizianlschen
Geisk, ihre eigene scharfgeschniktene Silhouetke zeigke.
Chodowieckis freundliches Talent scheiterte an jeder
Monumenkalikät: im Kleinen und Kleinsken lag deS
Meiskers zeichnerische, darstellerische Grötze. Als
Ollustrakor zu Lessings „Minna von Barnhelm" oder
w Äessners lldyllen schuf Chodowiecki jene köstlichen
Äadierungen, die wahre Meifkerwerke graphischer
Kleinkunst sind. 5n der Technin des Meisters spielke
die kalte Nadel eine wichkige Nolle. mit ihrer Hilfe
verlieh er dem Bild jene zarie Abkönung, durch
welche dle Radierungen Chodowieckis erst den letzken
Schliff der Vollendung erhlelten. Der Meister liebke
eä, von seinen Radierungen zahlreiche Äbdrucks-
gakkungen herzustellen, eine Matznahme, die weniger
aus künstlerischen Gründen erfolgte, sondern die mehr
auf die Liebhaberei der Sammlerwelt berechnet war.

Als ein in der Kunstgeschichke vernachlässigker Ra-
dierer hak der damals in Berlin äutzersk erfolgreich
täkige 5oh. Wilh. Meil, 1733—1805, zu gelten, der
die Nadel mik unleugbarer Meiskerschafk führke. 5n
der allegorischen und mythologischen Buchilluskration,
in der Vignetke hat Meil Borzügliches geleistet:
Friedrich d. Gr. hielt den Künskler für würdig, ihn
1760 bei der Herausgabe der Gedichie mik der 5llu-
skration zu bekrauen. Die Nadel Meils zeigk ln der
Führung eine grvtze Feinheik: die Bläkter sind hell
und anfprechend. Das Werk Meils umfatzt mehr
alS kausend Radierungen. Der in Müncken lange
täkige Ferdinand Kobell (1740—1799) widmeke 9^
der landschaftlichen Radierung, der er neue künst-
lerische Wege wies. Kobell wutzke der feierlichen
Ruhe der Nakur in der Radierung einen künstlerisch
vollendeken Ausdruck zu verleihen, steks volle Zar-
monie atmend. Aehnlichs Ziele verfolgke damals der
an der Wiener Akademie käkige F. E. W e i r o k t e r
(1730—1771), dessen geistreiche Nadel stimmungsvolle
österreichische Mald- und Gebirgsbilder schuf.

Das 19. llahrhundert führke jedenfalls in den ersten
stahrzehnten weder technisch noch geistig zu Irgend-
 
Annotationen