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die orgmiische Kcaft des Bewußkseins ersetzt, die
erst im hohe» Alker erlischk. Die Lindrücke werden
nicht inehr feslgehalten, weil sie die iugendlich !en-
sible Gehirnsubstanz physiologisch starn reizend, son-
dern weil sie im feskgesügten Äewutztseinszusammen-
hang als unenkbehrliche Glieder erlrannt worden
sind.
WelcheS aber wären die pralrkischen pädagogischen
Forderungen, üie sich aus dem ovigen formalen Er-
ziehungsgrundsatz ergeben mützken? Entfalkung der
EinbilüungslrraftZwang zur Konzentration —
organische Gestaltung als glücklichste Wechselwirkung
beider Kräfte!
Einbildungskraft isk die Aeusierung des Subjekts,
daS sich der unmikkelbaren Einwirkung öer Tatsachen-
welt vorübergehend enkzogen hat. 3hr Medium ist
die Sprache als Trägerin der sreien Borstellung, ob
sie nun in den Geist deS Kindes hineinredet oder
umgekehrt von der selbständigen Erlebniswelt des
jungen Menschen Zeugnis ablegt. Nur die unbe-
wußt aufgefalzte und spontan gestaltete Mutter-
lprache kann hier in Frage kommen, weil sie allein
die unmittelbarske Fllhlung mik dem Inhalt besitzt.
Die Unkerrichksmittel, üie nun andererseiks einen
Jwang zur Konzentration bedeuken, scheinen sehr
znhlreich und in jedem Unterrichtsfach gleich wirk-
sam: Bedrohung der Unaufmerksnmkeit üurch Stra-
sen, persönlicher Ehrgeiz des Schülers, der sugge-
stive Eindruck der Lehrerpersönlichkeit, die unange-
tasteke Autorität der Lehrbücher bzw. Grammatik-
regeln. Aber deuklicher betrachtet, stellen alle diese
Momenke nuc relakiv wirksame Nötigungen zur Kon-
zentration üar: sie reden nicht aus der letzten Tiefe
der Tatsächlichkeik und besihen nuc Gültigkeit für
üen Geist, der sich in den bekreffenden Fällen ob
seiner lZugend noch passiv verhälk. Nur die in voll-
ster Freiheik erkannte Notwendigkeit kann wahrhaft
werkvolles Aufbauelement eines nach höchsten Lel-
stungen ringenden GeifteS werden. . . .
Welche prakkische Forderungen ergeben sich nun
für den Pädagogen, dem es ernst ist mlt der Auf-
wärtserziehung der Menschheit? Er mützte vor allem
den Anterschied zwischen elemenkarem Äildungsgang
und den Lehrplünen der „höheren Schule" aus tie-
feren psychologischen Einsichten heraushegründen und
nicht blotz durch den Ilmfang des Lehrstoffes fest-
legen. Datz der Nlitlelschüler neben den Elementar-
fächern »och fremde Sprachen lernt, verringerk nur
bie Möglichkeit, die werkvolleren Fähiglreiten der
Geskalkung zur Entwicklung zu bringen. Man treibk
ferner einen kläglichen Mitzbrauch mik den Bezeich-
nungen: „Deutsche-, Französische-, Englische.- usw.
Sprache". Denn während man bei den fremden
Sprachen nnr die Gcammakik, Rechtschreibung und
Aussprache im Auge hak, zwängt man in den Ve-
griff des „deutschen Ankerrichts" auch noch die
Uevung in der sprachlichen Gestaltung überhaupt.
Und doch ist die Grundtätigkeit der inneren For-
mnng eines StofseS bzw. Gedankenkomplexes eine
in allen Sprachen gleiche und nur die Oberfläche der
Sntz- und Wortbildung gibt den einzelnen Sprachen
ihr spezifisches Gcpräge. Datz die freie Formung des
llnhalks dem Schlller nur in der Mukkersprache mög-
lich ist, dürfte nicht der ausschlaggebende Gesichls-
punkt sein.
Grundsätzlich mützte man jagen:
2ene jungen Menschen, deren gnnze geisiige Fähig-
keit sich in einer mechanischen Geüüchtniskrasl er-
schöpft, sind zn unterscheiüen von 'üen Schlliern, die
neben ihrer Gedächtniskraft schon früh eine gewijse
geistige Eigentätigkeit erkennen lassen. Die ersle
Gruppe lätzt sich nur durch Drill erziehen, die zweiie
aber kaan nur durch die Weckung eines elemen-
taren elnkeresses ihrer Bestimmung zugeführt werüen.
Der Gegensatz wiederholt sich dann in einer höheren
Begabungssphähre noch einmal. Nur so könnte der
Erziehungskreis der Grund-, Ntiktel- und Hochjchule
nach tieferschürfendeii Prinzipien abgegrenzt wecden.
l!n erster Linie matzgebend wäre die Methode, in
zweiker erst der Stoffkreis. 2ene Unterrichtszweige,
die eine gewisse Gestaltungskraft voraussetzen und
znr weiteren Enkwicklung bringen, mützte stärker in
üen Mitkelpunkt gerückt werden, Unterrichtszweige,
üie jetzt teils als Nebenfächer gclten, keils in ein
anderes Fach eingeschachtelt sind. Ein Schüler, der
weder zu e r f i n d e r i s ch e r H a n d f e r t i g k e i t,
noch zum naturwissenschaftlichen Experinient, noch zum
Zeichne n*, noch zur Musik, noch zur schriftstelleri-
schen Geskaltung oder zur Organisalion seiner Kame-
raden bei Spiel und Sport Begabung zeigl, ein solcher
Schüler dllrfte unter keinen Umstünden zum Weiler-
siudium ermuligt werden, wenn er infolge seines
Fleitzes und seines Gedächtnisses auch in den jetzt
als Hauptfächer gelkenden Untercichtszweigen ein
Musterschlllec wäre. Dann könnte es nicht mehc vor-
kommen, datz geistig ganz unselbskändige Menschen
den „Gipfelpunkt der Bildung" ersteige», während
zur Äeurteilung des wahrhaft schüpferischen Men-
schen überhaupl kein Matzstab bestehk. Diesen Matz-
jtab lieferk erst das spütere Leben. Aber es ist be-
trübend, datz die Schule selbst nicht lebensweisend
sich betütigk und damit eine der allerwichligsten Auf-
aaben unseres Wiederaufbauproblems llbeinimmt.
Gewitz! die Ansätze zu dieser Umbildung sind zahl-
reich: die Befürwortung deS freien Aufsatzes, die
Bevorzugung der indukkiven Unterrichtsmethode, die
pädagogische Berwertung der experimenkellen Psy-
cholögie, die iiachsichkige Behandlung künstlerijch
stark veranlagler Schlller in Füchern, die ihnen
weniger liegen. Aber man begnügt sich dabei meist
mit Kompromissen, stalt aus grotzen Grunderkennt-
nissen heraus neu aufzubauen.
Keine Kulkur der Äergangenheit enthült üen ret-
tenden Gedanken fllr das Schicksal von uns Deut-
schen, weil dieses Schicksal beispiellos Ist. Aber wir
wissen, üatz die Sonne Homers auch unS leuchket.
Wir haben Teil an der grotzen Urgesetzlichkeit, üie
in jeder Epoche sich zu anderen Formen entfaltet.
Die uns angemessene Form kann nicht durch Nach-
ahmung der Äergangenheit gefunden werden, son-
dern nur durch ein Neuerkennen und Neuausdeuken
dessen, was in uns liegk.
Aus dor Phrlimide, Wocheuschrift zum Karlsruhor Tagblait.
* Bon der Schristl. gesperrt.
die orgmiische Kcaft des Bewußkseins ersetzt, die
erst im hohe» Alker erlischk. Die Lindrücke werden
nicht inehr feslgehalten, weil sie die iugendlich !en-
sible Gehirnsubstanz physiologisch starn reizend, son-
dern weil sie im feskgesügten Äewutztseinszusammen-
hang als unenkbehrliche Glieder erlrannt worden
sind.
WelcheS aber wären die pralrkischen pädagogischen
Forderungen, üie sich aus dem ovigen formalen Er-
ziehungsgrundsatz ergeben mützken? Entfalkung der
EinbilüungslrraftZwang zur Konzentration —
organische Gestaltung als glücklichste Wechselwirkung
beider Kräfte!
Einbildungskraft isk die Aeusierung des Subjekts,
daS sich der unmikkelbaren Einwirkung öer Tatsachen-
welt vorübergehend enkzogen hat. 3hr Medium ist
die Sprache als Trägerin der sreien Borstellung, ob
sie nun in den Geist deS Kindes hineinredet oder
umgekehrt von der selbständigen Erlebniswelt des
jungen Menschen Zeugnis ablegt. Nur die unbe-
wußt aufgefalzte und spontan gestaltete Mutter-
lprache kann hier in Frage kommen, weil sie allein
die unmittelbarske Fllhlung mik dem Inhalt besitzt.
Die Unkerrichksmittel, üie nun andererseiks einen
Jwang zur Konzentration bedeuken, scheinen sehr
znhlreich und in jedem Unterrichtsfach gleich wirk-
sam: Bedrohung der Unaufmerksnmkeit üurch Stra-
sen, persönlicher Ehrgeiz des Schülers, der sugge-
stive Eindruck der Lehrerpersönlichkeit, die unange-
tasteke Autorität der Lehrbücher bzw. Grammatik-
regeln. Aber deuklicher betrachtet, stellen alle diese
Momenke nuc relakiv wirksame Nötigungen zur Kon-
zentration üar: sie reden nicht aus der letzten Tiefe
der Tatsächlichkeik und besihen nuc Gültigkeit für
üen Geist, der sich in den bekreffenden Fällen ob
seiner lZugend noch passiv verhälk. Nur die in voll-
ster Freiheik erkannte Notwendigkeit kann wahrhaft
werkvolles Aufbauelement eines nach höchsten Lel-
stungen ringenden GeifteS werden. . . .
Welche prakkische Forderungen ergeben sich nun
für den Pädagogen, dem es ernst ist mlt der Auf-
wärtserziehung der Menschheit? Er mützte vor allem
den Anterschied zwischen elemenkarem Äildungsgang
und den Lehrplünen der „höheren Schule" aus tie-
feren psychologischen Einsichten heraushegründen und
nicht blotz durch den Ilmfang des Lehrstoffes fest-
legen. Datz der Nlitlelschüler neben den Elementar-
fächern »och fremde Sprachen lernt, verringerk nur
bie Möglichkeit, die werkvolleren Fähiglreiten der
Geskalkung zur Entwicklung zu bringen. Man treibk
ferner einen kläglichen Mitzbrauch mik den Bezeich-
nungen: „Deutsche-, Französische-, Englische.- usw.
Sprache". Denn während man bei den fremden
Sprachen nnr die Gcammakik, Rechtschreibung und
Aussprache im Auge hak, zwängt man in den Ve-
griff des „deutschen Ankerrichts" auch noch die
Uevung in der sprachlichen Gestaltung überhaupt.
Und doch ist die Grundtätigkeit der inneren For-
mnng eines StofseS bzw. Gedankenkomplexes eine
in allen Sprachen gleiche und nur die Oberfläche der
Sntz- und Wortbildung gibt den einzelnen Sprachen
ihr spezifisches Gcpräge. Datz die freie Formung des
llnhalks dem Schlller nur in der Mukkersprache mög-
lich ist, dürfte nicht der ausschlaggebende Gesichls-
punkt sein.
Grundsätzlich mützte man jagen:
2ene jungen Menschen, deren gnnze geisiige Fähig-
keit sich in einer mechanischen Geüüchtniskrasl er-
schöpft, sind zn unterscheiüen von 'üen Schlliern, die
neben ihrer Gedächtniskraft schon früh eine gewijse
geistige Eigentätigkeit erkennen lassen. Die ersle
Gruppe lätzt sich nur durch Drill erziehen, die zweiie
aber kaan nur durch die Weckung eines elemen-
taren elnkeresses ihrer Bestimmung zugeführt werüen.
Der Gegensatz wiederholt sich dann in einer höheren
Begabungssphähre noch einmal. Nur so könnte der
Erziehungskreis der Grund-, Ntiktel- und Hochjchule
nach tieferschürfendeii Prinzipien abgegrenzt wecden.
l!n erster Linie matzgebend wäre die Methode, in
zweiker erst der Stoffkreis. 2ene Unterrichtszweige,
die eine gewisse Gestaltungskraft voraussetzen und
znr weiteren Enkwicklung bringen, mützte stärker in
üen Mitkelpunkt gerückt werden, Unterrichtszweige,
üie jetzt teils als Nebenfächer gclten, keils in ein
anderes Fach eingeschachtelt sind. Ein Schüler, der
weder zu e r f i n d e r i s ch e r H a n d f e r t i g k e i t,
noch zum naturwissenschaftlichen Experinient, noch zum
Zeichne n*, noch zur Musik, noch zur schriftstelleri-
schen Geskaltung oder zur Organisalion seiner Kame-
raden bei Spiel und Sport Begabung zeigl, ein solcher
Schüler dllrfte unter keinen Umstünden zum Weiler-
siudium ermuligt werden, wenn er infolge seines
Fleitzes und seines Gedächtnisses auch in den jetzt
als Hauptfächer gelkenden Untercichtszweigen ein
Musterschlllec wäre. Dann könnte es nicht mehc vor-
kommen, datz geistig ganz unselbskändige Menschen
den „Gipfelpunkt der Bildung" ersteige», während
zur Äeurteilung des wahrhaft schüpferischen Men-
schen überhaupl kein Matzstab bestehk. Diesen Matz-
jtab lieferk erst das spütere Leben. Aber es ist be-
trübend, datz die Schule selbst nicht lebensweisend
sich betütigk und damit eine der allerwichligsten Auf-
aaben unseres Wiederaufbauproblems llbeinimmt.
Gewitz! die Ansätze zu dieser Umbildung sind zahl-
reich: die Befürwortung deS freien Aufsatzes, die
Bevorzugung der indukkiven Unterrichtsmethode, die
pädagogische Berwertung der experimenkellen Psy-
cholögie, die iiachsichkige Behandlung künstlerijch
stark veranlagler Schlller in Füchern, die ihnen
weniger liegen. Aber man begnügt sich dabei meist
mit Kompromissen, stalt aus grotzen Grunderkennt-
nissen heraus neu aufzubauen.
Keine Kulkur der Äergangenheit enthült üen ret-
tenden Gedanken fllr das Schicksal von uns Deut-
schen, weil dieses Schicksal beispiellos Ist. Aber wir
wissen, üatz die Sonne Homers auch unS leuchket.
Wir haben Teil an der grotzen Urgesetzlichkeit, üie
in jeder Epoche sich zu anderen Formen entfaltet.
Die uns angemessene Form kann nicht durch Nach-
ahmung der Äergangenheit gefunden werden, son-
dern nur durch ein Neuerkennen und Neuausdeuken
dessen, was in uns liegk.
Aus dor Phrlimide, Wocheuschrift zum Karlsruhor Tagblait.
* Bon der Schristl. gesperrt.