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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 7.1927

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Heft 11 (November 1927)
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Schmiedel, Hanns: Menschenformung und Kulturgestalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.23855#0276

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Nichl wecien der eeili eptischen Zulängllchlieit und
ciner veistnndcsuiäsjig gctibten Kritik und Nachlivn-
trolle nvrmnler LedenSgelkung. Das „Skilmoinent"
ist hier bereils von Anbeginn nn dn, mie lnnge lnszt
cs sprnchlich in den Oberklnssen nuf sich wnrken,
bis es rege, mulig und selbslsicher dnherwnndelt und
sein Dnseinsrechk dokumeutierk! Doch ich bliebe zn-
lnnge im Neich des KunstunterrichlS. Mnn gestntle
mir einen kleinen Spaziergnng enldeckender Ark
durch Nnndgebiele um diese neue Kunstgeskalkung
herum, um die Nichkigkeik zu erweisen, die sich in
dem Progrnmmsnh „Knnsk und llugend" nusdrtickt.
Schliejzlich isk üns Work „tlugend" sehr dehnbar und
könnte gekrosk auch nuf die Hochschule überkragen
werden. Lehten Endes ist nlles jung, wns sich zu
enlwickeln krnchkek. Mnrum htingk eknes Sertaners
Auge nm Aild, dns seinem deukschen Sngenbuch den
unnuslöschlichen Skempel erster Eindrucksfrische auf-
drückt? Das Bild isk Essenz seines unruhig-genetisch
enkworsenen, nus hundert Spnnnungen geschaffenen
uagen Erlebnischnos. Nun erstnrrk der Skrom nuf
Augenblickc, und dnS Fnzik wird gezogen. AuS dem
Neich der Fnmn trilk ei» „Mirkliches" hernus, nn
dem nlle nufgepeikschken Sinne hafken und sich snkk
erleben können. Bezwungene Geistigkeit ist aus-
kristallisierk. And nun muh eS doch so sein, dnsz
nur das Schasfen solcher Bisionen im dnmmernden
Zusknnd der Keele überhnupk „Erkennknis" isk. Mas
mnn so obenhin und philosophisch kühl „Borstellung"
nennh scheint mir doch ein eben gnr nichk nbstrnkkes,
sondern crlebnisgesültigkes Mesen zu sein, das wie
die Nluskrnkivn eines drnmnkisch gespannten Vuch-
knpikels die Sinne befriedigk und zum Beschauen
einlndk. Die perspekkivischen Hinkergründe des Gei-
skigen und Seelischen fluten um solche Gesknlkungen,
sie sind lebendig, sie hnben eigene Ezistenz, sie sind
bezwungene Schauungen und geistige Beherrschthei-
ken. Sie sind ideelle Normen. Leseakte primikiver
Sckülerschnften sind doch lelitlich nur Gnlerien von
mehr oder weniger scharfen PorträkS. Der Nieder-
schlng vor nllcm menschlich vackender Dinge isk bild-
hafke Bnnnung des Geschehnisses. Nun erschrickt
plöhlich der Germnnisk, wenn bei gnnzlich nbstrnkken
Kkaffen jede bildhnfke friscbe Greifbarkeik des An-
schnulichen nusbleibk. Er weih ofk nicht, dafz schon
der Sprnchkünskler dnzu gehört, der Berufene, der
Worlprvphek, der Workznuberer, um den lehken
Schwingungen des Geiskigen, diesen welken work-
koken Ersknrrungen dingliche Lebhnfkigkeik, Vildllch-
keik, Anschnulichkeik zu verleihen. Dns Hinübergrei-
fen des Wvrkkünsklers ins Bildnerische ist doch das
-V und 0 nlleS Poekisch-Könnenden. Mns mensch-
lich bezwungen ist, wns in die Bildhnftigkeik des
Menschlichen hineingezogen wurde, das redek uns
verskändlich, dns gehk in uns ein. Es beskeht nun
taksächlich ein doppelker Weg, um zu den Dingen
des Lebens zu kommen. Ich geskehe: jedes versuchte
Berspnr eiues Primnners lehrk mehr der Grenze
und Möglichkcik nls hundert Skunden Mekrik nn
poekischen Leichenskümpsen. Schöi'ferische' Knnst soll
gelelirk werden, nein, nichk „gelehrk", erlebt, gesknlkek
werden. Zunächsk vor-gesknlkek werden. Wer nntür-
lich den Popnnzschreck nbsoluken, ausgemnchken Mu-
skerwissens oder Alleinwissens um sich verbreitek. der
wird keine llünger finden. DnS Miktel der deutschen
Schrifksprnche isk einseilig nur nls „Norm". Aber
die Dehnbarkeik, die ein Künstler des Workes selbst

mit ihr erreicht, die plnstische bildnerische Behand-
lung, die man mit ihr vornimmt, weckk Sinn und
Augenmah. Diese Uebung erstarrt freilich gar oft.
Denn die völlig gesättigte Borskellung ist nichk da,
nus der hernus man die einzelnen Glieder lösen
könnke. Das geistlge Auge sollke geschulk werden,
ersl wenn Nhykhmus und Fläche innerer geistiger
Zeiä-nung vorhanden ist, kann von einem freien
Gebrauch der Teile geredet werden. Das optische
Bild hälk zusammen, dns rednerisch-sprnchliche Bild
ist oftmnls kümmerlich bis zum entsehlichsten Stüm-
pern eines unverskändlichen Stnmmelns. Die zeich-
nerische Methodik (im Sinne eines prnktischen schu-
lischen Anleitsns für eigene Wege) kann dem Eer-
manisten beske Wege zelgen, wie man von orgnnisch
gesehenen und geschaffenen Bildern zu dem kommt,
wns man einen nusgeglichenen wohlgegliederten Auf-
sah nennt. llch glaube, daß Kunstunterrichk der beste
Wegbereiter für jede Skilgestalkung überhaupk Ist.
Wenn dem nun bedingungslos so wäre, dann könnke
der dentsche „Kunstunterrichk" zu hervorragender
Nolle Im Vildungsgnnzen bcrufen sein. Ein schön-
geistelndes Herumschnüffeln In Skilen nnd Heimak-
formen allein tnts nicht, nvch weniger aber auch ein
Büffeln eines Kompendiums! Der Zugang zu den
Werk- und Geistesquellen eines Meisterwerkes ist
für den Germanisten unerläszlich. Menn freilich die
llnivcrsität Im reinen referierenden Kolleg von den
Bildern und Epochen als solchen redek und sich hier
und da rein kunstphilosophisch verhälk, kommt man
nichk zu den elemenkaren Grundeinsichken eines Mer-
kes. Mir sind Thodes seminariskische Forschungs-
skunden z. V. über südfranzösische Plasklk in aus-
gezeichneker Erinnerung. stch finde bis heuke kelne
Skudienvorschrift für den Germanisten, und ich habe
nus künstlerischem Gewissen hernus meine 5 Seme-
ster Kunstgeschichke mik gelegenklichem Akkzeichen
usw. gepflegt. Das ist doch wohl das Mindeske, dast
mnn Studien mnchk, nichk zuleht im Umgang mit
Malern in deren Atelier. Wer nun den Respekt
uor künstlerischem Schaffen gelernt hak, wer dns
Geheimnis des Schöpfungsnktes mehr denn nur ge-
nhnk hak, der wird den Enkwicklungsphnsen des Nein-
Künsilerischen vieles enknehmen können, was an-
derem Fachbereich nühlich werden mufz. Mnn hak
die Textkompositionen zu eigenen Sklzzen belächelt.
Aber wie will ein Primnner ein Barockkloster schil-
dcrn, dns dem kunstgeschichtlichen Ausflug die
Grundlnge wurde, ohne ein zureichendes Skizzieren
oon charakteristischen Einzelheiten? Wie soll elne
Führung im Kunstverein und eine ersprießliche Aus-
wertung der kulkurellen Erscheinungsformen von
Kunstgewerbe usw. denkbar sein, wenn nur ein ober-
flächliches Geschwäh über dies und jenes elnes
„ismus" an der Tagesordnung isk? Hler vor der
Lösung eines Bildes soll gesagk werden, wle man
sich eingelebt, was man gesehen, erlebt, erfaßk hak,
was einem kiefer gewordener Eindruck wurde, was
zur Krikik herausforderk und wnrum. Der Kollege
von der Kunstfakulkäk wird unbedingt der „Beglei-
ler" aller solcher Ausflttge. Der Historiker wird einen
armseligen Ankerricht erkeilen, wenn ihm die Ein-
gliederung, meinekwegen der Archikekkur, nicht
packend gelingl. Wenn aber erst der „Kunstunker-
r>chk im Deukschen" vielleicht die Tagebücher großer
Künskler ausschöpft, Programme bestimmter Gruppen
und Hochzeiten des Geschmacks erfassen lehrk, wenn
 
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