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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Tietze, Hans: Franz von Bayros und die Wiener Kunst
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0061

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101

Nekrologe — Sammlungen Vereine

102

scharfe Kritik geübt, dieser dabei aber sehr unberech-
tigter Weise in einen Wesenszusammenhang mit der
Wiener Kunst gebracht worden; die geringschätzige
Charakteristik dieser ist so einseitig, wie wenn z. B.
ich über spezifisch Berliner Malerei zu urteilen mir
herausnehmen würde. Hier liegen eben Wesensver-
schiedenheiten vor, die wir als Spannung zwischen
Nord und Süd, zwischen preußischer und öster-
reichischer Sonderart im reichen Gesamtbild der
ganzen deutschen Kultur nicht missen möchten. Liegen
im dekorativen Zug und der wärmeren Sinnlichkeit
Wiens auch in der Tat Elemente, die in »Hang nach
äußerlichem Prunk, einem fatalen Schick, einer billigen
Niedlichkeit« umzuschlagen drohen, so ist doch kein
Grund vorhanden, die Wiener Kunst geiler Triebe zu
bezichtigen, die in Norddeutschland nicht ebenso un-
behindert zur Entwicklung gelangen. Nur ein größeres
Tatsachenmaterial historischer und psychologischer
Natur könnte den Nachweis liefern, ob die Eigen-
schaften der Wiener oder der Berliner Malerei in
höherem Grade geeignet sind, das erotische Blatt —
in des Wortes schlimmster technischer Bedeutung —
zu fördern. Vorderhand aber liegt zu dieser Streit-
frage keine andere Tatsache vor, als daß Bayros mit
keinem der für Wiens Kunst maßgebenden Künstler
die geringste Verwandtschaft zeigt, und daß er in
Wien niemals — nicht einmal im Rahmen eines ele-
ganten, modischen Geschäftshauses — ausgestellt hat.
Hätte er es versucht, hätte man ihm wahrscheinlich
wohlmeinend geraten: »In Wien ist für so was kein
Publikum, wissens was, machens die Ausstellung in
Berlin; dort wird sie sicher kolossalen Anklang finden.«
Was ja auch tatsächlich in hohem Grade der Fall zu
sein scheint. HANS TIETZE.

Nachbemerkung der Redaktion: Unser verehrter Wiener
Mitarbeiter hat, wie wir meinen möchten, den Ausführun-
gen seines Berliner Kollegen einen Sinn unterstellt, der aus
dem Wortlaute nicht zu folgern war. Vergleicht man die
Berliner und die Wiener Äußerung, so möchte man eher eine
erfreuliche Übereinstimmung der Meinungen feststellen.

NEKROLOGE

Am 8. Dezember starb in Düsseldorf der Bildhauer
Professor Clemens Buscher, der besonders durch das
große Reilerdenkmal Kaiser Wilhelms 1. in Frankfurt a. M.
bekannt geworden ist. Andere Kaiserdenkmäler von ihm
befinden sich in Bochum und Köln-Mülheim. Vorteilhafter
vertreten den sehr fruchtbaren Künstler die Denkmäler
Karl Immermanns und Felix Mendelssohn-Bartholdys am
Stadtthealer zu Düsseldorf und die Büste des neunzig-
jährigen Andreas Achenbach in der Vorhalle des »Mal-
kastens« daselbst. Buscher stammte aus Oamburg in
Baden und war von 1883 bis 1902 Lehrer für Plastik an
der städtischen Kunstgewerbeschule zu Düsseldorf.

SAMMLUNGEN
Kunstdebatten im englischen Oberhaus. Aus dem

Haag wird dem Berliner Tageblatt telegraphiert: »Im Ober-
haus fanden Debatten über einen Gesetzentwurf statt, der
dieTreuhänderder National Gallery, denen auch die modernen
Bilder in der Täte Gallery unterstellt sind, die Befugnis
erteilt, Kunstschätze aus diesen Sammlungen zu verkaufen.
Der Ertrag ist für den Ankauf von Kunstwerken von Be-

deutung bestimmt, die sonst außer Landes gehen würden.
Es ist zunächst mit Verkäufen von Zeichnungen aus der
großen Turner-Sammlung zu rechnen. Zahlreiche bedeutende
Künstler Englands protestieren gegen die Maßnahme.«

Diese Nachricht scheint in Zusammenhang zu stehen
mit einer anderen, die wir kürzlich an dieser Stelle wieder-
gaben. Es handelte sich damals um ein Ausfuhrverbot
für hervorragende Kunstwerke. Durch die neue gesetzliche
Verfügung soll nun offenbar die Frage der Bereitstellung
der notwendigen Mittel zum Ankauf solcher Werke gelöst
werden. Die Maßnahme, die zu dem Zweck vorgeschlagen
wird, ist in der Tat von einschneidendster Bedeutung für
den gesamten Museumsbetrieb. Gelegentliche Verkäufe
von Kunstwerken aus öffentlichen Sammlungen haben aller-
dings immer stattgefunden. Aber nicht selten boten sie
auch bereits Anlaß zu heftigen und oftmals begründeten
Anklagen gegen den verantwortlichen Direktor. Aber es
bedeutet mehr, wenn nun in England die Befugnis zum
Verkauf als allgemeines Prinzip anerkannt werden soll,
wenn sogar von den Leitern der Sammlungen verlangt
wird, daß sie durch Veräußerung große Summen erzielen,
wie sie für den Ankauf bedeutender Kunstwerke erforderlich
sind. Die öffentlichen Galerien geraten dadurch in eine
Gefahr, der sie gerade durch die relative Stabilität ihres
Besitzes enthoben sein sollten, nämlich dem ständigen
Wechsel des Geschmacks unterworfen zu sein. Bisher
äußerte sich der Einfluß der Kunstmoden wesentlich in
dem Charakter der Neuankäufe und dem System der Auf-
stellung wie der teilweisen Deponierung des vorhandenen
Kunstgutes. Die Geschichte der großen Galerien lehrt
aber auch, daß die Vorratsräurne und Tochtermuseen von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt eine Fundgrube der Bereicherung
und die Basis der Wandlungsfähigkeit einer Sammlung
bleiben. Hätte es jedem früheren Direktor freigestanden,
nach seinem Geschmack zu verkaufen, so wäre eine all-
mähliche Verarmung die notwendige Folge.

Auf der anderen Seite sind die Unzuträglichkeiten, die
mit dem ständigen Anwachsen des öffentlichen Kunstbe-
sitzes verbunden sind, nicht zu übersehen. Insbesondere
sind die Museen zeitgenössischer Kunst ein schwer zu be-
handelndes Problem, und ihre Überleitung in historische
Sammlungen, wie Tschudi sie in der Berliner National-
galerie versucht hatte, wird niemals ohne ganz radikale
Maßnahmen möglich sein. So ist es wohl denkbar, daß
im Laufe der Zeit eine Wiederveräußerung der übermäßig
angestauten Kunstschätze zu einer unausweichlichen Not-
wendigkeit wird. Aber gerade die Verquickung mit rein
finanziellen Fragen, wie sie aus der englischen Meldung
hervorzugehen scheint, ist sehr bedenklich, denn sie führt
letzten Endes dazu, daß die Museen sich zu Zentral-
stellen des Kunsthandels entwickeln. Wenn überhaupt das
Prinzip diskutiert werden soll, so muß als erster Grundsatz
bleiben, daß jeder Verkauf der Steigerung des Gesamt-
niveaus zu dienen hat, daß keine Veräußerung durch den
finanziellen Vorteil, der aus ihr erwächst, motiviert sein darf.

VEREINE

Der Rheinische Verein für Denkmalpflege und
Heimatschutz hielt am 7. Dezember seine 10. Hauptver-
sammlung ab. Aus dem Geschäftsbericht für die Jahre
1906 bis 1916 sei hervorgehoben: Der Verein zählt heute
51 Stifter, 68 Patrone, 1655 Mitglieder. Unter diesen Mit-
gliedern befinden sich sämliche Stadt- und Landkreise der
Provinz, 149 Gemeinden und Landbürgermeistereien und
137 sonstige korporative Mitglieder. Selbst der Krieg,
der im übrigen natürlich die Vereinstätigkeit vielfach be-
einträchtigt und gehemmt hat, vermochte den ziemlich sta-
 
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