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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Tietze, Hans: Das Pettenkofenwerk des österreichischen Unterrichtsministeriums
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0139

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Personalien

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nur den Sonderling; auch auf den Werdegang des Künst-
lers übt diese Entwurzelung des Menschen Einfluß. »Wien
ist meine natürliche Heimat, wo ich meinen menschlichen
Gefühlen nach hingehöre, aber mit der Malerei, welche
mein ganzes Wesen allein vollkommen beschäftigt, ist es
ein anderes. Ich wüßte aus dem, was sich da bietet, nichts
zu machen, ich wüßte da nichts zu machen, das ich mir
nicht von anderswo erst wieder holen müßte usw. (S. lQ5f.,
Brief vom 5. Mai 1875). Als Maler kommt Pettenkofen
von Eybl und Fendi her; alles was darüber zu sagen ist,
hat Weixlgärtner ausgezeichnet und erschöpfend gesagt,
aber er will ihm nicht recht glauben, daß er sich als reifer
Meister wirklich bitterlich darüber beklagte, daß man ihm
einen Eybl als Lehrer gegeben (S. 10). Ich meine im
Gegenteil, daß es ihm sehr ernst mit seiner Klage war;
denn so wenig wie sein Alt-Wiener Menschentum ist er
sein Alt-Wiener Malertum jemals ganz losgeworden. Als
er die Franzosen kennen lernte, haben ihm wohl Decamps
und die Meister von Barbizon die Hand gelöst und den
Blick befreit, im wesentlichen war er ein fertiger Mann,
den nichts von seinem Wege abbringen konnte; schon vor-
her — um 1851 — hatte er sich aus der vormärzlichen
Enge loszureißen begonnen, die ihm doch wie ein Blei-
gewicht angekettet blieb. Alle Probleme und Aufgaben
Pettenkofens staken bereits wie im Keime in ihm; wie er
sie entwickelt und erweitert — was sich an gewissen durch
sein ganzes Leben sich durchziehenden Themen besonders
reizvoll verfolgen läßt —, wie das Persönliche seines Stils
entsteht und was überhaupt seine künstlerische Eigen-
tümlichkeit bildet, all dieses — soweit es über die Er-
örterung des Technischen hinausgeht — bleibt uns das
Buch nahezu völlig schuldig.

Pettenkofen zeigt eine auffallende ästhetische Ver-
wandtschaft mit seinem Zeitgenossen, dem wunderbaren
»Unbekannten« Alexander Villers. Was er sieht, wird
ihm zur Poesie — »Ich war immer ein Dichter« (S 283) —,
die Natur, die er malt, ist immer ein Stück seines Ichs,
un etat d'äme,* wie einer der ästhetischen Wortführer
dieser Generation, Amiel, es ausdrückt oder wie Petten-
kofen selbst sagt: »Jedes Bild muß etwas Zuckendes
haben«. Dieses Bedürfnis nach Poesie aber führt nicht
zu einer Verachtung des Wirklichen, zu seiner bewußten
Uniformung und Steigerung wie bei Rahl oder Romako;
tief saß Pettenkofen die Liebe zum anschaulich Erfaßbaren
im Blute, er durchtränkt mit seinem dichterischen Ich die
Dinge des Alltags. Freilich die banalen, anekdotenhaften,
moralisierenden Dinge, in deren Kult die Genremaler auf-
gingen, von denen er herkam, malte er nicht; ihnen war
diese philisterhafte Enge die Welt, in der ihr Leben ruhig
verlief, ihm, dem ehemaligen Soldaten Radetzkys, in dessen
Lager Osterreich war, dem Mann, der Kampfgetöse und
Revolutionsgeschrei aus nächster Nähe gehört hatte, war
jene eingeschlafene wienerische Lokalwelt zu eng geworden.
Auf seiner Suche nach Gegenständen, die noch nicht durch
abgestandene Assoziationen stumpf und trivial geworden
waren und die seinem kräftiger gespannten Lebensgefühl
entsprachen, entdeckte er den nächsten Orient mit seinen
Zigeunern und abgeschirrten Pferden oder Ochsen, mit
seinen Strohtristen und Ziehbrunnen; und in ähnlichem
Sinne hat er andere Schlupfwinkel der Poesie der Wirk-
lichkeit, Bauerngärten und Schusterwerkstätten, Apotheker-
gewölbe und italienische Dachterrassen, Netzflickerinnen
und eine Alte, die sich schneuzt, ins Reich der Kunst er-
hoben. In diesem engen Umkreis sich stets wiederholender
und variierender Themen, fast immer ohne Sentimentalität
und groben Naturalismus, fand er sein volles Genügen;
wenn er den Lockrufen seines Freundes Leopold Müller
stets widerstand, der ihm den wirklichen Orient des sonnen-

durchgluteten Ägypten als seine Domäne pries, die für ihn
erfunden worden sei (S. 193), so war das nicht hypochon-
drische Bizarrerie, sondern ein natürlicher Instinkt. Wie
eben jener Villers nach dem Anblick der Mediceergräber
in Florenz hätte Pettenkofen in Ägypten ausrufen können:
»Was ich davon hatte, habe ich nun verloren, und was
ich jetzt habe, kann ich nicht brauchen«. Schon Neapel
hat Pettenkofen nicht mehr gegeben als die Dörfer der
Pußta; der Orient mit den großen neuen künstlerischen
Aufgaben, um die sein jüngerer Freund rang, wäre ihm
ebenso verschlossen geblieben wie die Poesie des fort-
brausenden modernen Lebens, die Menzel zu erschließen
verstand. Der Gegensatz zu diesem, an den die zeich-
nerische und malerische Ausdrucksweise so gut erinnert
wie die Selbständigkeit ohne Oslentation, der Fleiß, der
nicht zur Schablone führt, wirft noch ein weiteres Licht
auf Pettenkofens Stellung. Er findet die Poesie im Leben,
aber nur wo es still und abseits verläuft; er weiß die Natur
in einem begrenzten Kreise von Typen glücklich zu fassen,
sie in kleinen Formaten wiederzugeben; er trägt ein Stück
romantischen Kunstgeists, fruchtbar weiterentwickelt, tief
in die Zeit des Pleinairismus hinein. Er ist ein Kavalier
vom Scheitel zur Sohle, ein Träger einer feinen alten
Kultur, ein Alt-Wiener, der seine Periode versäumt hat; er
ist ein köstlicher Kleinmeister, ein Dichter der kleinen
Wunder, ein am Konflikt von Alt und Modern Erkrankter.
In seiner menschlichen Empfindlichkeit ein Sonderling, in
seiner künstlerischen Sonderart ein abseits von der Haupt-
straße Stehender; trotz des gediegenen Buches, das nun
alles aufschließt, was dieses Leben von nah oder ferne
irgend betrifft, in gewissem Sinn jetzt und immerdar »ein
Unbekannter«. hans t/etze.

PERSONALIEN

Dr Martin Wackernagel, Dozent für mittlere und
neue Kunstgeschichte an der Leipziger Universität, wurde
zum Professor ernannt.

' Heine Rath, der bekannte Graphiker, Lehrer für
Holzschnitt an der Kgl. Akademie der bildenden Künste
zu Stuttgart, wurde vom König von Württemberg zum
Professor ernannt.

Otto Hettner, der Berliner Maler, wurde an die
Kgl. Kunstakademie zu Dresden berufen. Er ist der
jüngste Sohn des berühmten Dresdner Literaturhistorikers
Hermann Hettner, kehrt somit infolge dieser Berufung in
seine Vaterstadt zurück. Er wurde am 27. Januar 1875
geboren, erhielt seine künstlerische Ausbildung in Karls-
ruhe und in Paris und lebte dann als selbständiger Künst-
ler längere Jahre in Florenz. Vor einigen Jahren siedelte
er nach Berlin über, wo er sich dem Kreise von Max
Pechstein und Genossen anschloß. In Dresden ist Hettner
durch wiederholte Gesamtausstellungen wohlbekannt. Im
November 1915 stellte er hier vor allem die bedeutsamen
Vorarbeiten zu seinen Fresken im Museum zu Stettin,
darunter die Sintflut aus; ferner eine Reihe Lithographien,
die auf die Eindrücke des großen Krieges zurückgehen.
In diesen wie in seinen sonstigen Schöpfungen zeigte sich
der Zug zum Monumentalen, die Kraft zur Ausgestaltung
großer und bedeutender Ideen und Empfindungen und
eine außergewöhnliche kraftvolle Farbensprache. Das
Dresdner Rathaus besitzt von Hettner ein Gemälde Die
Barke. In der Berufung Hettners spricht sich erneut das
zielbewußte Streben der Dresdner Akademie zur Verjüngung
im Sinne der Moderne aus. Für das Akademische im
tadelnden Sinne ist an ihr kein Raum.
 
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