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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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261

Sammlungen — Vermischtes — Literatur

262

Geranien gehören zum Besten, was Kühl geschaffen hat.
In allen diesen Bildern ist nichts von grellen Gegensätzen,
von Absichtlichkeit und Kraftbewußtsein zu spüren, nur
das feine Malerauge und das sicherste Farbenempfinden,
das sich selbst genügen wollte. Die großen effektvollen
Malereien, wie das dreiteilige Gemälde aus dem Lübecker
Waisenhaus, kommen dagegen nicht auf. Daß unter den
Dresdner Bildern viel Vorzügliches zu finden ist, braucht
kaum wieder erwähnt zu werden. Unter den Gemälden
aus Kühls letzten Jahren finden sich auch solche, wie das
Vorzimmer und das Innere der Peterskirche in Salzburg
von 1914, die deutlich das Nachlassen seiner Kraft be-
kunden. Die Kühl-Ausstellung als Ganzes ist außer-
gewöhnlich fesselnd und mit viel Liebe und Verständnis
angeordnet. Der Sächsische Kunstverein, der uns im letzten
Jahre schon die großen Gesamtausstellungen von Oskar
Zwinlscher und Eduard von Gebhardt beschert hat, hat
sich mit dieser Gedächtnisausstellung für den verstorbenen
Dresdner Meister ein neues Verdienst erworben. ^

Frankfurt a. M. Der Januar—Februar brachte im
Kunstsalon Schneider u. a. eine Ausstellung von Werken
des Frankfurter Malers Waldemar Coste, eines Trübner-
schülers, der sich in Art und Wesen seines Meisters bis
zur Virtuosität eingelebt hat. Mag die persönliche Eigen-
art dadurch vielleicht etwas leiden, so ist doch ein der-
artig gediegenes Können an sich sehr erfreulich. So ent-
stehen auf dem Gebiete des Bildnisses, des Innenbildes
der Landschaft, also auf den gleichen Stoffgebieten, wie
sie Trübner pflegt, höchst respektable Leistungen. — Solche
Leistungen lagen noch kaum vor in einer freilich gänzlich
anders gearteten Ausstellung des Kunstsalon Schames,
die Holzel und seinem Kreise gewidmet war. Man
weiß, daß hier vor allem Probleme zur Diskussion gestellt
werden, und man war dankbar, in dieses Ringen um solche
Probleme einmal intimeren Einblick zu erhalten. Auch
das größere Publikum konnte hier Respekt vor einem
Suchen bekommen, das den Ältesten der Aussteller be-
wogen hat, ein sicheres Können aufzugeben und sozu-
sagen noch einmal von vorn anzufangen. Ebensowenig
konnte aber verhehlt werden, daß es im ganzen eben erst
ein Suchen ist und daß, wenn auf diesem Wege überhaupt
weiter zu kommen ist, der Anteil, den der Verstand an
diesen Produktionen hat, allzugroß ist, um ihnen unab-
hängig von der Problemstellung an sich eine größere Be-
deutung zu sichern. Von einer eigentlichen künstlerischen
Gestaltungskraft könnte man am meisten bei den Bildern
des leider bereits 1911 verstorbenen Hans Brühlmann
sprechen; es scheint aber fraglich, ob seine Schöpfungen von
den Vertretern der strengsten Observanz in jenen Kreisen als
ihren Ansprüchen entsprechend anerkannt werden, ob ihnen
nicht noch zu viel »Naturalismus« darin enthalten ist?

Dagegen wirkte doppelt kräftig und in sich geschlossen
der auf die Stuttgarter folgende Emil Nolde, von dem
seit 1910 entstandene Werke gezeigt wurden. Es fehlten
— außer einem wenig geglückten halbfigürlichen Familien-
porträt — Figurenbilder fast völlig, vor allem die religiösen
Kompositionen. Aber die köstlichen Blumenstücke, Blumen-
beete und Blumengärten, die bis ins Jahr 1916 hinein-
reichen, zeigen die alte Kraft in dem ursprünglichen Ge-
fühl für die Farbe und auch für die Gestaltung des Raumes.
Und gerade bei seinen Stilleben drängt sich unwillkürlich
auf, wie dieses deutsche Wort selbst so unendlich mehr
bezeichnend ist als etwa die französische »Nature morte«.
Diese Gegenstände leben wirklich, diese Götzen der Süd-
see, oder der mittelalterliche Apostel mit seinem Zwickel-
bart neben der betenden Frau in Gelb, Blau und Rot, oder
diese schwarzweiße Kuh neben der japanischen Figur

stehend auf dem Beiderwandstoff mit seiner fabelhaft
sicher gezeichneten ornamentalen und figürlichen Weberei.
Auch die Meerbilder sind wieder von besonderer Unmittel-
barkeit; dunkelgrünes Wasser mit weißem Gischt, sonst
nur schwarzer Himmel oder auf blauer Flut unter blauem
Himmel mit weißen Wolken leicht und duftig grünblaue
Schiffe mit grünem Segel (»Lichte See«, 1915). Mächtiger
dann, wo etwa der Himmel in breiten Flächen von Gelb
oder Purpur erstrahlt, und die Silhouetten von Schiffen oder
einer Südsee-Insel dunkel dagegen stehen. — Zeichnungen,
Radierungen und Holzschnitte lassen die zeichnerischen
und raumgestaltenden, den besonderen Anforderungen der
Graphik entsprechenden Qualitäten der festin sich geschlosse-
nen Künstlerpersönlichkeit noch besonders hervortreten.

SAMMLUNGEN
Das Kupferstichkabinett der Berliner Museen hat
wieder eine Anzahl von Werken der Hauptmeister der
jüngsten Berliner Kunst als Geschenk erhalten. Darunter
sind ein steingedrucktes Bildnis und eine Anzahl von
Probedrucken zu den Kriegsflugblättern Max Liebermanns,
ferner ein radiertes Bildnis von Max Slevogt. Von Menzel
wurde die neue Veröffentlichung seiner sieben vergessenen
Holzschnitte zu Kuglers Geschichte Friedrichs des Großen,
die der Leipziger Bibliophilen-Abend herausgegeben hat,
dem Kabinett überwiesen.

VERMISCHTES
Hermann Struck hat soeben mit Genehmigung
des Kriegsministeriums ein Werk veröffentlicht, das in
unseren Kriegsgefangenenlagern entstanden ist. Es bringt
in 100 Steinzeichnungen die charakteristischen Typen der
Kriegsgefangenen, die sich aus aller Herren Ländern ver-
sammelt haben. Genaue Herkunfts-, Alters- und Berufs-
bezeichnungen vervollständigen das Bild der Gefangenen
aus vier Erdteilen. Ein Begleitwort zu dem Werk, das bei
Dietrich Reimer erschien, hat der Anthropologe Geheim-
rat Prof. Dr. von Luschan geschrieben. Es gibt eine Ein-
führung in die Grundzüge der Anthropologie und ergänzt
Strucks Zeichnungen durch photographische Aufnahmen.

LITERATUR

Ernst Heidrich, Beiträge zur Geschichte und Methode der
Kunstgeschichte. Basel 1917, B. Schwabe & Co.

Aus dem Nachlasse Ernst Heidrichs, der zu Kriegs-
beginn im Westen fiel, liegt diese Schrift zur Geschichte
und Gestalt seiner Wissenschaft vor. Heinrich Wölfflin,
sein Lehrer, der den aus der Geschichtswissenschaft
Kommenden einst in die Kunstgeschichte hineinleitete,
führt jetzt dies Bändchen des unvergeßlichen Toten hinaus
in das Bereich fortlebender Wirkungsmöglichkeiten.

Die Aufsätze gehen auf die Jahre 1911, 1912 und 1913
zurück. Die beiden ungedruckten, frühesten hätte Heidrich
nicht veröffentlicht. Inzwischen waren ihm schon neue
Gesichtspunkte aufgestiegen und sein Reichtum behauptete,
daß er jetzt manches anders geben würde. In sozusagen
ständiger Überlegung über das Schicksal seiner Wissen-
schaft plante er neue, umfangreichere Auslassungen über
das Thema. Nachdem ein letzter Band, die Holländer des
17. Jahrhunderts, für die bei Diederichs erschienene Folge
fertig wäre, wollte er an jene methodologische Arbeit
gehen. Beide Werke haben bloße Pläne bleiben müssen.
Aus den zurückliegenden Aufsätzen aber, die heute er-
scheinen, erhellt das alte, tiefsinnige Lebensgesetz, daß
jeder großgebaute Mensch in jedem Lebenspunkt seiner
Entwicklung über die bloß relative Stufe hinaus ein
Absolutes darstellt.
 
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