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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0146

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271

Erwiderung zur Kritik von Hans Thoma, Griffelkunst

272

Dresdener Materials von 194 Blättern und wirft mir, trotz
meiner Kenntnis von rund 500 gleichwertigen Blättern
(also Karten, Buchkunst und ähnliche Blätter mit etwa
500 Nummern nicht mitgerechnet) »mangelnde Kenntnis
des Materials«, »Willkür und Ungenauigkeit der Arbeits-
methode«, »sinnlose Bezeichnungen«, »Mangel an wissen-
schaftlicher Disziplin« und vor allem Außerachtlassung
des durch jahrhundertlange Entwicklung gebildeten Typus
des »Oeuvre-Kataloges« vor. Gegen so einseitig begrün-
dete kritische Urteile Stellung zu nehmen, ist mehr als
mein Recht, ist meine Pflicht.

1. Der Kritiker unterschiebt meiner Arbeit den Begriff
»Oeuvre-Katalog«. Weder in meinem Buch, noch in irgend
einer Ankündigung desselben ist meines Wissens von
einem »Oeuvre-Katalog« die Rede. Ich habe ausdrücklich
eine einstweilige, möglichst vollständige »Zusammenstellung
der über mehr als zwei Jahrzehnte sich erstreckenden
Graphik Thomas« — also auch der nicht oeuvre-fähigen
Buchgraphik u. s. f. — gegeben, weil »Thomas umfangreiche
graphische Tätigkeit nicht mehr zu übersehen war,« wie
der Kritiker selbst gesteht. Heute, da in Thomas Griffelkunst
alles noch in lebendiger Bewegung und in reicher Erwei-
terung begriffen ist, ein Thoma-Oeuvre zu fordern, ist in
der Tat »sinnlos« und ein »Mangel an wissenschaftlicher
Disziplin< und zugleich an Ehrfurcht vor dem Wirken des
Meisters. Heute ein Thoma-Oeuvre verfassen zu wollen,
hieße unter wissenschaftlichem Deckmantel mit einem Stück-
werk Sammler, Liebhaber und Kunsthändler täuschen1).

2. Zum einzelnen übergehend, bemerke ich:

Die unter Nr. 942 zusammengefaßten sogenannten
»Rahmenlithographien« (Köpfchen, Fruchtgehänge, usw.)
sind auf ausdrücklichen Wunsch des Meisters nicht unter
die rein graphischen,sondern unterdiegebrauchsgraphischen
Werke aufgenommen worden, weil sie in verschiedenen
Zusammenstellungen lediglich als Unterlagen für die »be-
malten« Rahmen dienten und rein graphisch nie verwendet
wurden. Sie gehören wohl zu den frühen, nicht aber zu
den frühesten graphischen Originalarbeiten Thomas, sind
von 1893 an entstanden und 1896 in ziemlicher Vollständig-
keit geschenkweise nach Dresden gekommen. Sie sind außer-
dem z. Z. noch im Kunstgewerbemuseum in Berlin zu finden.

Ebenso mußte Nr. 838 unter Buchkunst verzeichnet
werden, wenn buchkünstlerische Arbeiten Thomas überhaupt
einen Platz in meiner Zusammenstellung finden sollten.

3. Was der Kritiker über B 30, 31 und 32 (Märchen-
erzählerin 1, II und III) behauptet, ist irrig. Die Blätter
entstanden, wie ich genau weiß, folgendermaßen: Thoma
hat, als unermüdlich experimentierender Künstler, die
Zeichnung (Erzählergruppe und Mondlandschaftshinter-
grund) auf dem Tachographiestein hergestellt — und nicht
gedruckt, sondern den landschaftlichen Hintergrund mit
Papier abgedeckt, jetzt erst auf die Gelatinemasse gedruckt
und von dieser abgezogen (30, I). Die kleinen Pentimente
über dem Kopf der Erzählerin sind dabei nicht ganz scharf

1) Dies ist ein grundsätzlicher Irrtum des Herrn
Dr. Beringer; denn sonst wären z. B. die Kataloge von
Singer über Klinger, von Schiefler über Liebermann, und
viele andere Werk-Kataloge — das, was Herr Dr. Beringer
hier sagt; sie sind aber alle das Gegenteil davon. Hier
ist wohl überhaupt der kritische Punkt des Streites und
damit ergibt sich für den Leser, der Beurteilung und Er-
widerung gegen einander hält, die Lösung und der auf-
klärende Nutzen der Debatte. Die Redaktion.

abgedeckt worden. In welcher Reihenfolge weiter gedruckt
wurde (31. II, 32. III oder 32. III, 31. II), entzieht sich heute
dem Wissen. Sicher ist Nr. 30. I, zuerst gedruckt worden;
ich habe den Druck richtig eingeordnet; also der große
kritische Aufwand des Dr. W. ist schmählich vertan. (Nb. es
handelt sich um eine »Tacfiographie«, nicht um einen
»Steindruck«.)

4. Ein »etwas komplizierteres Beispiel« ist B. 55, 56
57 »Bildnis von Frl. La Roche« allerdings. Wir irrten
alle: Von Thoma bestehen aus 1895 in Wirklichkeit zwei
Flachdruck-Porträts nach Frl. La Roche.

a) Eine Tachographie dreiviertel im Profil nach links,
Nr. 55. (Mein Irrtum, daß ich nach Angaben der Knack-
fuß-Monographie Thoma S. 72 und des Privatbesitzers in
Karlsruhe sie als Steindruck nahm und dort einreihte, ist
entschuldbar, weil Thoma im Jahr 1895 sonst nicht tacho-
graphierte.) Diese Tachographie Nr. 55 erhielt in einem
Exemplar von Frl. La Roche den landschaftlichen Hinter-
grund (von mir nach bestimmter Angabe des Besitzers
als Oberrhein bezeichnet, von Frl. L. R. als Elbe bei Losch-
witz erklärt) und ist ein Mal in Karlsruher Privatbesitz
vorhanden. Weitere Abzüge von diesem Bildnis ohne
Hintergrund sind m. W. 8—9 vorhanden (bei Frl. L. R. 4,
in Dresden 1 — weiß gehöht —, in Karlsruher Privat-
besitz 2 und in meiner Sammlung 1 Blatt mit zwei Ab-
zügen — Probedruck?).

b) Ein zweites, sehr gutes, reines Profilbildnis nach
links ist auch 1895 hergestellt. (Daran scheint sich Frl.
L. R. nicht zu erinnern, oder es ist ihr nicht bekannt ge-
worden, daß die Kreidezeichnung 1895 auch zu einer Litho-
graphie Veranlassung gab, oder sie verwechselt die Vor-
gänge). Dessen Spuren ist Herr Dr. Wolff nicht nachge-
gangen, weil es in Dresden nicht vorhanden ist. (Die etwas
größere »Kreidezeichnung« dazu ist abgebildet in Hanf-
stängels Thoma 1900 S. 91. Wie gut ist es doch, wenn
man sich auf die in Dresden so verachteten Autotypien be-
ziehen kann!) —

Hinter dieses reine Profilporträt hat Frl. L. R. die Be-
festigung der Basler St. Albanvorstadt gezeichnet, die mit-
gedruckt worden ist. Ein Exemplar mit dem nur schwach
angedeuteten »Burghof« ist im Karlsruher Thoma-Museum,
wie im Verzeichnis angegeben: Nr. 56. Außerdem sind
Drucke vom Bildnis mit der Befestigung, wie Nr. 57 sie
beschreibt, vorhanden. Also Nr. 55 und Nr. 57 sind nicht
identisch, sondern gründlich verschieden. Ich habe diese
beiden verschiedenen Blätter in meiner Sammlung (Nr. 57
mit der Hand weiß gehöht und leicht getuscht). Sie können
eingesehen werden.

5. Ebenso lade ich den Kritiker, der noch keine »Thoma-
Lithographien gesehen hat, deren Strichplatte nicht mit
schwarzer Farbe gedruckt wäre,« zur Besichtigung meiner
Sammlung ein. Er kann, dann welche kennen lernen und
seine technischen Kenntnisse bereichern.

Über die Radierungen und ihre »Zustände« ist von
mir zusammengetragen worden, was möglich war. Voll-
ständigkeit in der Zahl der Platten ist erreicht, die »Etats«
nur soweit sie s. Z. nachweisbar waren (s. S. 7).

Die eingangs erwähnten kritischen Vorwürfe muß ich
also zurückgeben.

Das Gesetz meiner Arbeiten nehme ich aus dem Stoff
selbst. Ein unfehlbares literarisches Kunstrichteramt kenne
ich nicht. Ihm würde ich auch nicht folgen, von woher
und durch wen es sich immer geltend zu machen ver-
sucht. DR. JOS. AUG. BERINGER.

Inhalt: Sollen kunsthistorische Expertisen honoriert werden? Von Hans Tietze — Lorenz Dietrichson f. — Ausstellung in Hannover. — Zu dem
Correggio der Sammlung Moll. — Erwiderung zur Kritik von Hans Thoma, Griffelkunst. Von Dr. Jos. Aug. Beringer.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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