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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0154

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287 Forschungen 288

Hinsicht gewisse Bedeutung haben — und in der ein-
schlägigen Literatur nicht bekannt zu sein scheinen. Wurz-
bach erwähnt sie in seinem niederländischen Künstler-
Lexikon (Bd. II, S. 666) nicht. Stoop, welcher um 1651
bis 1652 noch in seiner Heimatstadt Utrecht tätig war,
verließ dieselbe und wurde später in Lissabon Hofmaler.
1662 begleitete er von dort die Infantin Katharina von
Braganza, Tochter Johanns IV. von Portugal, nach London,
wo sie^sichjm Mai desselben Jahres mit Karl II. von Groß-
britannien verheiratete. Aus diesem Jahre stammt ihr von
Stoop gemaltes Brustbild in der National Portrait Gallery
in London. Die Reise der Infantin von Portugal nach ihrer
neuen Heimat verewigte der Künstler in einer Folge von
sieben Radierungen (B. 13—19), von der Ankunft des
großbritannischen Gesandten, Lord Montague, in Lissabon,
den 28. März 1662 bis zu ihrer Ankunft mit Karl II. in
Hampton Court. Acht weitere radierte Blätter: Ansichten
von Lissabon mit Widmung an die Königin Katharina
(1662) stehen mit seinem Aufenthalt in Portugal in Zu-
sammenhang — sie sind, nebenbei bemerkt, in kompletter
Folge sehr selten (vgl. Naglers Künstler-Lexikon, Bd. XVII,
S. 408, Nr. 20—-27). Im Mauritshuis zu Haag hängt ein
großes, leider stark mitgenommenes Bild als Werk des
Stoop mit der Ansicht der Kirche und des Klosters von
Beiern bei Lissabon (Nr. 172). Nach der Abbildung des
Bildes Nr. 72 in dem Kendeschen Auktionskatalog zu ur-
teilen, scheint dieselbe Komposition wie auf dem Haager
Bilde vorzuliegen: rechts die perspektivische Darstellung
des Klosters und der Kirche, links der Tejo mit Seglern.
Auch kehrt im Vordergrunde rechts der große Brunnen
mit dem Jäger und Hunden und der am Boden kauernde
Bettler wieder, der seinen mit der vorgestreckten Rechten
gehaltenen Hut den vorbeireitenden zwei vornehmen Herren,
denen zwei Begleiter zu Fuß voranschreiten, zum Almosen
hinhält. Vor der Kirchenmauer steht eine von vier Pferden
bespannte Karosse. Die Maße der beiden Bilder stimmen
so ziemlich überein. Das Haager Bild mißt in der Höhe
111,5, in der Breite 179 cm, das Csäkysche Bild ist in der
Höhe 125, in der Breite 179 cm groß. Der Auktionskatalog
gibt einfach an: »Große Baulichkeiten mit Kirche gotischen
Stils, an einer Meeresküste« usw. ohne zu sagen, daß es
sich hier um das berühmte Convento dos Jeronymos de
Beiern bei Lissabon handle, zu welchem Emmanuel I. zum
Andenken an die glückliche Heimkehr von Vasco da Gama
von^ Ostindien (1499) den Grundstein legte. Es wäre
gewiß.,nicht uninteressant festzustellen, in welchem Ver-
hältnis das Haager Bild zum Csäkyschen steht, ob beide
Bilder miteinander genau übereinstimmen und ob der
Künstler auch_beide eigenhändig gemalt hat.

Als Gegenstück zu dem genannten Bilde Nr. 72 des
Auktionskatalogs steht das andere (in den Maßen gleich
große), welches daselbst unter Nr. 71 angeführt ist. Dar-
gestellt ist ein weiträumiger Platz mit Brunnen, den ein
mächtiges Gebäude in Seitenansicht, dessen vorderster Teil
mit einer ziemlich niedrigen Kuppel bekrönt ist, begrenzt.
Im Vordergrunde rechts eine von vier Pferden gezogene
Karosse (wie auf Bild Nr. 72), die vorne, hinten und auf
der Seite eskortiert wird. Der Platz selbst ist überdies
sehr reich staffiert mit allerlei Figuren, Kutschen usw.
Besonders fallen links drei vornehm gekleidete Reiter auf,
vor welchen zwei Männer schreiten — die Pferde sind, wie

auch auf anderen Werken Stoops, meisterlich gemalt. Hinter
dem schloßähnlichen Bau erheben sich auf einer Anhöhe
verschiedene hohe Baulichkeiten. Links vom Platze erbtickt
man den Fluß mit vielen Seglern darauf. Um welchen
bedeutenden Bau es sich handelt, konnte infolge Mangels
an Vergleichsmaterial hier nicht festgestellt werden. Zu
vergleichen wären wohl in erster Linie jene bereits erwähn-
ten radierten Ansichten von Lissabon. Gewiß kommt hier
ein dicht am Tejo in Lissabon gelegener Bau (Kgl. Schloß?)
in Betracht, der möglicherweise bei dem großen Erdbeben
von 1775 auch zerstört wurde. Dieses Bild ist nicht nur
künstlerisch bedeutender als sein Gegenstück, sondern auch
deswegen wichtig, weil es die Bezeichnung des Künstlers:

Rodrigo S.....f. 1663 trägt, also jene Signatur, die Stoop seit

seinem portugiesischen Aufenthalt zu gebrauchen pflegte,
also im Gegensatze zu der Bezeichnung D. Stoop, die sich
auf seinen Werken der 1640er und 1650er Jahre findet, so
z. B. auf den Bildern in Kopenhagen, Prag (Gal. Nostitz),
Amsterdam, Wien (Gal. Schönborn, Liechtenstein) usw.

Die beiden Bilder, welche sich seit langer Zeit im
Schloß des Grafen von Csäky bei Pozsony (Preßburg)
befanden und uns seit einer Reihe von Jahren bekannt
sind, liefern einen weiteren Beitrag zu Dircks künstlerischer
Tätigkeit. Vielleicht läßt sich mit Hilfe von Vergleichs-
material nicht nur der Bau, sondern auch die auf dem
Bilde Nr. 71 geschilderte Hauptdarstellung mit der großen
Karosse herausfinden. Die Begebenheit dürfte mit der
Vermählung der Infantin Katharina von Portugal in Ver-
bindung Stehen. Gabriel v. Te'rey.
Nachtrag.

Joseph Meder in Wien hatte die Güte, auf meine
Anfrage, ob das auf Bild Nr. 71 dargestellte große Ge-
bäude auf Radierungen von Stoop vorkommt, folgende aus-
führliche Auskunft zu erteilen: »Bei der Folge der Lissaboner
Ansichten (bei Bartsch nichts erwähnt) kommt ein Blatt mit
derselben Ansicht vor wie bei Kende Nr. 71; fast genau
von demselben Standpunkt aus aufgenommen, nur daß,
entsprechend dem einen oder anderen Zweck, kleine Ver-
änderungen eingeführt wurden. So die Kaimauer, im
Bilde nicht vorhanden, die in der Radierung von der linken
Turmecke aus geradeaus zu dem Beschauer quer über dem
Schloßplatz sich erstreckt. Das Bild scheint das richtige
zu zeigen. Die Gebäude des Hintergrundes kommen in
derselben Einteilung und Aufbau vor. Die Unterschrift
sagt: „O Palacio Reyal de Lixboa". Ferner kommt auf
Stoops anderer Radierungsfolge (B. IV 99, 13—19) „Voyage
de Catherine", Infante de Portugal etc. auf Blatt 14 dieselbe
Schloßpartie noch einmal vor, nur freier umgestaltet, mit
englischer und portugiesischer Aufschrift: „Reais festas e
areos triumfais Em Lixboa q se fizeraö na Partiva da Sm»
Donna Catarina Rainha da gram Bretanha. The publique
proeeedings etc." Der Eckpavillon zur Linken kommt
außerdem noch auf Blatt 15 von der Seeseite aus gesehen
vor. Stoop hatte jedenfalls viele Zeichnungen mitgebracht,
die dann in den radierten Blättern verwendet wurden.«

Durch diesen Vergleich der in Frage kommenden zwei
radierten Folgen mit dem Bilde Nr. 71 des Kendeschen
Auktionskataloges ist somit in erfreulicher Weise mit
Bestimmtheit festgestellt, daß es sich hier um den
damaligen, am Tejo liegenden kgl. Palast in Lissabon

handelt. Gabriel v. Terey.

Inhalt: Zur Frage der Honorierung von Expertisen. — Dr. Fritz von Harck f; Ludwig Stutz f. — Personalien. — Ausstellungen in München
und Wien. — 75jähriges Bestehen der Tiedge-Stiftung in Dresden. — Woltmann und Woermann, Geschichte der Malerei. Neu bearbeitet
von M. Bernath. Katalogherausgabe über Otto Oreiners graphisches Werk. — Forschung über Dirck (Rodrigo) Stoop.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Hospitalstraße IIa
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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