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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Hagen, Oskar: Bemerkungen zum Aschaffenburger Altar des Matthias Grünewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0183

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Bemerkungen zum Aschaffenburger Altar des Matthias Grünewald

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der hl. Josef sein, ja es hat den Anschein, als habe
der Zeichner eine Analogie zu dem »blühenden« Stab
Josefs geben wollen durch die Art, wie sich das Eichen-
laub des benachbarten Astes um denselben schlingt1).

Der Mohrenkönig allein müßte als Beweis ge-
nügen, daß wir es mit einem Entwurf zu einer An-
betung der Könige zu tun haben. Dennoch bleiben
noch einige Fragen offen, ehe wir an den Versuch
einer Rekonstruktion gehen können.

Man wird sich mit dem ungewöhnlich pompösen
Mantel des Mohrenfürsten in dieser auf die Entfaltung
höfischen Pomps so eifrig bedachten Zeit wahrschein-
lich eher zufriedengeben, als mit dem Umstand, daß
er kniend dargestellt ist. Der Fall ist selten, aber er
findet sich, und vor allem in dem Bilde, das auch
sonst Beziehungen zu unserem mutmaßlichen Drei-
königsbilde aufzuweisen hat: in dem Mantegna-Trip-
tychon für die Gonzaga, das sehr bald nach seiner
Entstehung nach Florenz in den Besitz der Medici kam
(Uff izien). Dort ist gerade der Mohr in die Knie gesunken,
während der älteste und erste König, dessen Vorrecht
dies gewöhnlich ist, eben erst im Begriff ist, vor Ma-
donna und Kind niederzuknien. Nur beiläufig sei
bemerkt, daß an der Stelle, wo bei Mantegna der
Turban des Mohren am Boden liegt, unterhalb des
Grünewaldschen Königs sich eine ähnlich gestaltete,
kreisförmige Figur befindet, die man als einen Globus
hat deuten wollen.

Was aber sollen nun die Engel hinter dem König?
• Daß sie das Amt der zuweilen als Schleppenträger
fungierenden Pagen übernehmen, ist in der Tat außer-
gewöhnlich, aber man darf nicht vergessen, daß Grüne-
wald gerade auf dem Felde der Ikonographie selbst-
herrlicher waltete als irgend ein anderer seiner Zeit.
Bekanntlich gibt es eine Bildtradition, welche die An-
betung des Kindes im Kreise von Engeln vor sich
gehen läßt. Auch Mantegnas Gemälde gehört dazu.
Finden sich weitere Bestätigungen dafür, daß es auch

1) Daß die drei Zeichnungen nicht zu dem Altar für
Uskem gehören können, ergibt sich aus folgendem: die
einzige Quelle (Reitzmanns Testament v. 1514) spricht von
einem Vinzentius rechts und einem Hieronymus links von
der Madonna. Der König ist — auch wenn man meinen
Beweis für den Mohren nicht gelten lassen wollte — weder
mit Vinzentius noch mit dessen Legende zusammenzubringen,
und der Wiener Heilige ist niemals ein Hieronymus. Die
einzige Beziehung bietet also die Jungfrau, die man, wahr-
scheinlich wegen der Ähnlichkeit mit der Isenheimer, mit
Recht in deren zeitliche Nähe rücken wollte. Die Stup-
pacher Madonna aber ist ihrer elsässischen Schwester min-
destens ebenso ähnlich, nur, daß beide in viel stärkerem
Maße auch isoliert denkbar sind als diejenige, welche das
Berliner Blatt zeigt. Diese, mit ihren ohne jede Gegen-
richtung nach links geneigten Kurven ist nie als Zentralfigur,
sondern nur am rechten Bildrande in Beziehung zu einem
links sich abspielenden Vorgange möglich. Mit größerem
Rechte hätte man da an eins der Mainzer Dombilder denken
können, welches ja ein Vielheiligenbild war. Sandrart, der
es gesehen hat, spricht aber mit keinem Wort von einem
König — an den man in Hinsicht auf Dürers Allerheiligen-
bild wohl hätte denken können — nennt dagegen allein
sechs weibliche Heilige, so daß der Gedanke an die beiden
Männer doch wohl aufzugeben wäre.

in unserem Falle so gehalten war, so ist es sehr wohl
im Sinne des besonders feierlichen Grünewald denk-
bar, daß die Schar der Engel über die ganze Bild-
bühne verteilt war und auch den heiligen drei Königen
Pagendienste erwies.

Die Jungfrau selbst kann darüber Aufschluß geben.
Daß sie mehr noch als der König, der wie ein vene-
zianischer Stifter aussieht, einen ungewöhnlich starken
italienischen Einfluß verrät, wird man ohne weiteres
zugeben müssen; der Eindruck verstärkt sich noch,
wenn man den Unterkörper ergänzt. Da das Kind
mit nach rechts hinüber gelegten Beinen nur auf dem
rechten Knie der Mutter sitzend zu denken ist, so
muß dieses, und damit auch das linke, nach rechts
hinüber gewendet zu denken sein Die ganze Gestalt
war also in italienischer Weise gedreht und muß sehr
ähnlich ausgesehen haben wie die Madonna Mantegnas
auf dem genannten Triptychon. Diese thront nun in
der Höhle und ist rückwärts von Engeln umgeben;
genau an der Stelle, wo bei ihr ein Engelsköpfchen
über die Schulter sieht, befindet sich bei Grünewald
der zweite Knabe. Man hätte ihn zunächst für einen
jugendlichen Johannes halten können. Der ist aber
in dem Drei-Königsvorgang schwer denkbar Es bleibt
somit nur die angenommene Vermutung, daß auch
Grünewald eine Engelsszene im großen geplant hatte.

Bleibt der hl. Josef, der in seiner adorierenden und
dabei stark gedrehten Gestalt abermals an ein italie-
nisches Vorbild gemahnt. Es gibt bei Mantegna zwei
Figuren von sehr ähnlicher Haltung. Die eine ist
der Täufer des großen Madonnenbildes der Samm-
lung Trivulzio. Die andere aber, die vor allem in
der Drehung um die Körperachse, der Fußstellung
und dem nach links geneigten, gegensätzlich zur Brust
bewegten Haupt die größte Übereinstimmung mit un-
serer Zeichnung aufweist, ist der himmelfahrende
Christus auf dem linken Flügel desselben Triptychons
von Mantegna in Florenz. Alle aufgezeigten Über-
einstimmungen zwischen den Zeichnungen Grünewalds
und dem Mantegnabilde können natürlich nur für
denjenigen zwingend sein, der sich über die im Grunde
so unerschütterliche Originalität Grünewalds, im Ver-
gleich zu den oft sklavisch kopierenden anderen
Deutsch-Romanisten immer im klaren bleibt.

Dann aber müssen die gezeigten Analogien, denke
ich, um so überzeugender sein. Die italienische Note,
die in allen drei Zeichnungen durchklingt, ist gewiß
nicht zu leugnen, und die Wahrscheinlichkeit, daß
sie zu einer projektierten Darstellung der Epiphanie
gehören, ist da. Die einzelnen Motive stimmen ferner
gerade in denjenigen Momenten, worin sie von dem
Gebräuchlichen abweichen, mit einem bestimmten ita-
lienischen Bilde überein, dessen Hauptthema ebenfalls
die Epiphanie ist. Auch die formalen Momente zeigen
da, wo ein spezifisch undeutscher Zug an ihnen zu-
tage tritt, die frappantesten Analogien. Dieses italie-
nische Bild rührt von Mantegna her und befand sich
in Florenz zur Zeit, als Grünewald dort weilte. Man-
tegna hat den Deutschen stärker als irgend ein an-
derer beeinflußt. Zu schweigen von der Figur des
Sebastian, sind Dinge, wie der verkürzt gesehene
 
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