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Ausstellungen
— Sammlungen
366
AUSSTELLUNGEN
Der zweiten Kriegsbilder-Ausstellung, die die Ber-
liner Akademie am Pariser Platz etwas eilig ihrer ersten
folgen läßt, wollte man durch Einladung der Kriegsmaler
unserer Bundesgenossen einen besonderen Charakter geben.
Wie gern würde man bei unsern modernen Ausstellungen
den beschränkten Raum, von dem das Vorwort als Ent-
schuldigung für das Fehlen mancher Kriegsmaler spricht,
gelten lassen, wenn er der Qualität der Ausstellung zugute
käme. Fehlen aber in diesen sechs großen Räumen Namen
— oder sind gar zurückgewiesen worden —, die eher ein
Recht hätten hier gezeigt zu werden, als neun Zehntel der
wirklichen Aussteller, so kann die Veranstaltung nicht als
eine Ausstellung gelten, die »deutsche Kriegsmaler« zeigt
und »freie Bahn für die Tüchtigen« läßt. Daß die besonders
sorgfältige Auswahl eine Ergänzung und Weiterführung
des Programms der vorjährigen Ausstellung ist, wie das
Vorwort sagt, scheint somit nicht ganz zuzutreffen. Zwar
begegnet man denselben Namen; daß es aber rein psycho-
logisch unmöglich ist, einem so großen Gegenstand wie
der Kriegsdarstellung jahrelang mit der gleichen seelischen
Intensität zu folgen, zeigen am besten die neuen Arbeiten
Ludwig Dettmanns, die nur selten noch die rein mensch-
liche Wirkung der ersten Ausstellung erreichen. Die un-
gehemmte Niederschrift der starken Eindrücke droht von
wägendem Verstände behemmt, die freie Form, die Stil
hätte werden können, von Stilisierung erdrückt zu werden.
Wenn Hamlets Worte zu Recht bestehen sollen, daß wahr-
haft groß sein heißt, nicht ohne großen Gegenstand sich
regen, so darf der große Gegenstand nicht mit dem äußeren
Aufwand oder einem falschen Sentiment verwechselt werden.
Beide Mißverständnisse machen sich aber bei vielen
Kriegseindrucken fühlbar. Wenn das Können Hugo Vogels
aus der geistigen Energie, die das bescheidene Zimmer
durchzitterte, als Hindenburg und sein Stab ihre Pläne im
Osten erdachten, nur die pathetische Wirkung eines
»stummen Dramas« herausfühlt, so ergibt sich deutlich, daß
der große Gegenstand mit der Persönlichkeit des Künst-
lers nicht zusammengegangen ist, und der Eindruck des
Monumentalen sich nicht einstellt. Nicht die Weitung der
Formate oder die bengalischen Farbtöne, auch nicht die
geschmackvolle Stilisierung Erlers vermögen den großen
Vorwurf zu zwingen. Am allerwenigsten die bewußte
Steigerung des Inhalts. — Der »Kompagnieführer« Erlers
wird in Haltung und Ausdruck zu einem kleinen Napoleon,
der »Schlaf« (ein Krieger mit Helm auf der Brust), eine
Aufbahrung auf dem Totenbett. Zu solchen Steigerungen
steht nicht nur der raffiniert dekorative Ausschnitt im
Widerspruch, sondern auch die etwas süßlich graue Farbe,
während Georgi und Kohlschein diese dekorativen Mittel
und Mittelchen mit anspruchsloseren Themen verbinden;
Themen, die allerdings nur noch sehr locker mit dieser
Ausstellung zusammenhängen.
Jenem gesteigerten Pathos oder falschem Sentiment
gehen die Österreicher glücklicher aus dem Wege. Wenn-
gleich Oskar Laske die künstlerischen Mittel in seinen
sechs Kriegsbildern vom Kunstgewerblichen noch nicht
ganz befreit hat, so ist der objektive Wert des Inhalts ge-
rade für diese Ausstellung ein Gewinn. Laskes Art, Raum
und Menschen zusammenzusehen, die aus seinen Orient-
bildern bekannt ist, findet in dieser Vogelperspektive
die künstlerische Synthese moderner Taktik. Mit diesem
Typus ist das Schlachtenpanoramabild von 1870 mit den
gestellten Requisiten überwunden. Auch Alfred Pasel zeigt
diese erfrischende Sachlichkeit. Mag man den künstlerischen
Wert solcher Arbeiten nicht hoch einschätzen, ein historischer
Wert bleibt ihnen als Typus. Unter der großen Masse
der Kriegsbilder in den elf Sälen mag mancher echte Ein-
druck sich seine Form gesucht haben, doch nur ganz ver-
einzelt begegnet man einem reiferen Ausdruck. Meist
herrscht das Handwerk einer mittelmäßigen Skizzierkunst,
und unter dem Mantel der flotten Mache posiert falsches
künstlerisches Temperament.
Vieles sinkt überhaupt zur bloßen Zeitungsillustration
herab und wird auch wohl meistens nur von dem »Ein-
druck und Erlebnis« der photographischen Momentauf-
nahme hergeleitet. Zu dieser treten dann die Lichteffekte
und die »Erlebnisse«, die der Maler hinzutut. Am meisten
hält sich Franz Eichhorst von solchen Inszenierungen fern.
Auch die guten Skizzen Otto Heichertsdürfen genannt werden.
Zum Schluß bleibt nur die Hoffnung, daß eine »ge-
schlossene umfassende Übersicht über die deutsche Kriegs-
malerei« die dem Vorwort des Katalogs nach als eine Auf-
gabe für eine spätere Zeit vorbehalten bleiben muß, ihr
Ziel nicht darin sieht, Gelegenheitsarbeiten in jeder Menge
anzubringen. Man wird gut tun, geraume Zeit, am besten
einige Jahre vergehen zu lassen. Dann erst wird sich zeigen,
ob es der modernen deutschen Kunst möglich war, dem
großen Geschehen große Form zu geben. w. Kurth.
SAMMLUNGEN
Das Berliner Kupferstichkabinett vereinigt in dem
Aüsstellungssaal der Abteilung für moderne Graphik eine
Anzahl seiner Neuerwerbungen aus dem Jahre 1915—1916.
Von Liebermann wurde das Bildnis einer jungen Dame er-
worben, eine frühere Arbeit, in der die Lithographiekreide
mit einem weichen Mittelton noch ganz den silbrigen Tönen
seiner Palette nachstrebt ; während die letzten Radierungen,
die der reichen Sammlung angefügt werden konnten, mit
den bekannten Themen der badenden Knaben, der Trab-
rennen, die Kaltnadel-Technik des Meisters in steigender
Entwicklung zeigen. Das Licht verliert jede differenzierende
Tönung und schlägt in breiter, leuchtender Welle unmittel-
bar an die kräftigen Klippen des Schwarz, deren einzelne
Striche das breitauslaufende Komma spritziger Federstriche
zeigen. Slevogt, der sich selbst in einem vortrefflichen
Porträt (Zustandsdruck) radiert hat, setzt in einer ganzen
Reihe von Tierstudien die alte Serie fort und eilt mit gleich
scharfer Beobachtung und sicherstem Können den momen-
tansten Temperamentsäußerungen seiner Modelle nach.
Aus der reichen Zahl der Radierungen und Lithographien
Corinths, die erst in letzter Zeit mehr zu Angebot und Aus-
stellung kamen, konnte den älteren Beständen ein wei-
teres Dutzend guter Beispiele angefügt werden, meist Blätter,
Landschaften und Porträts, die mit freierer Benutzung seiner
Malerpalette eine mehr graphische Sinnlichkeit zeigen als
die letzten Aktradierungen.
Von August Gaul wurden sechs Beispiele aus der
Serie »Trinkende Tiere« zur Ausstellung gebracht, die in
mancher schön abgewogenen Reliefkomposition sich den
älteren Darstellungen anschließen. Von den jüngeren Ber-
liner Graphikern sieht man einen Probedruck vom Barm-
herzigen Samariter von Hans Meid, in dem die ruhige
Komposition und die kraftvolle Breite des Lichtes ihn
von einer neuen Seite zeigt. Daniel in der Löwen-
grube und die Auffindung Mosis, Beispiele aus der
ersten Mappe seiner Bibelillustrationen, zeigen seine
bekannte wirksame Technik. Von besonderem Interesse
ist Beckmanns »Kriegserklärung«, mit der er sich als
ein höchst eindringlicher Charakteristiker menschlicher Phy-
siognomien vorführt, und von Großmann interessiert eine
frühe Radierung La Villette-Paris neben anderen Arbeiten.
Pechsteins Lithographie von dem Bildnis des Malers
Schmidt-Rottluff hat die ruhige und gesammelte Energie
Ausstellungen
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AUSSTELLUNGEN
Der zweiten Kriegsbilder-Ausstellung, die die Ber-
liner Akademie am Pariser Platz etwas eilig ihrer ersten
folgen läßt, wollte man durch Einladung der Kriegsmaler
unserer Bundesgenossen einen besonderen Charakter geben.
Wie gern würde man bei unsern modernen Ausstellungen
den beschränkten Raum, von dem das Vorwort als Ent-
schuldigung für das Fehlen mancher Kriegsmaler spricht,
gelten lassen, wenn er der Qualität der Ausstellung zugute
käme. Fehlen aber in diesen sechs großen Räumen Namen
— oder sind gar zurückgewiesen worden —, die eher ein
Recht hätten hier gezeigt zu werden, als neun Zehntel der
wirklichen Aussteller, so kann die Veranstaltung nicht als
eine Ausstellung gelten, die »deutsche Kriegsmaler« zeigt
und »freie Bahn für die Tüchtigen« läßt. Daß die besonders
sorgfältige Auswahl eine Ergänzung und Weiterführung
des Programms der vorjährigen Ausstellung ist, wie das
Vorwort sagt, scheint somit nicht ganz zuzutreffen. Zwar
begegnet man denselben Namen; daß es aber rein psycho-
logisch unmöglich ist, einem so großen Gegenstand wie
der Kriegsdarstellung jahrelang mit der gleichen seelischen
Intensität zu folgen, zeigen am besten die neuen Arbeiten
Ludwig Dettmanns, die nur selten noch die rein mensch-
liche Wirkung der ersten Ausstellung erreichen. Die un-
gehemmte Niederschrift der starken Eindrücke droht von
wägendem Verstände behemmt, die freie Form, die Stil
hätte werden können, von Stilisierung erdrückt zu werden.
Wenn Hamlets Worte zu Recht bestehen sollen, daß wahr-
haft groß sein heißt, nicht ohne großen Gegenstand sich
regen, so darf der große Gegenstand nicht mit dem äußeren
Aufwand oder einem falschen Sentiment verwechselt werden.
Beide Mißverständnisse machen sich aber bei vielen
Kriegseindrucken fühlbar. Wenn das Können Hugo Vogels
aus der geistigen Energie, die das bescheidene Zimmer
durchzitterte, als Hindenburg und sein Stab ihre Pläne im
Osten erdachten, nur die pathetische Wirkung eines
»stummen Dramas« herausfühlt, so ergibt sich deutlich, daß
der große Gegenstand mit der Persönlichkeit des Künst-
lers nicht zusammengegangen ist, und der Eindruck des
Monumentalen sich nicht einstellt. Nicht die Weitung der
Formate oder die bengalischen Farbtöne, auch nicht die
geschmackvolle Stilisierung Erlers vermögen den großen
Vorwurf zu zwingen. Am allerwenigsten die bewußte
Steigerung des Inhalts. — Der »Kompagnieführer« Erlers
wird in Haltung und Ausdruck zu einem kleinen Napoleon,
der »Schlaf« (ein Krieger mit Helm auf der Brust), eine
Aufbahrung auf dem Totenbett. Zu solchen Steigerungen
steht nicht nur der raffiniert dekorative Ausschnitt im
Widerspruch, sondern auch die etwas süßlich graue Farbe,
während Georgi und Kohlschein diese dekorativen Mittel
und Mittelchen mit anspruchsloseren Themen verbinden;
Themen, die allerdings nur noch sehr locker mit dieser
Ausstellung zusammenhängen.
Jenem gesteigerten Pathos oder falschem Sentiment
gehen die Österreicher glücklicher aus dem Wege. Wenn-
gleich Oskar Laske die künstlerischen Mittel in seinen
sechs Kriegsbildern vom Kunstgewerblichen noch nicht
ganz befreit hat, so ist der objektive Wert des Inhalts ge-
rade für diese Ausstellung ein Gewinn. Laskes Art, Raum
und Menschen zusammenzusehen, die aus seinen Orient-
bildern bekannt ist, findet in dieser Vogelperspektive
die künstlerische Synthese moderner Taktik. Mit diesem
Typus ist das Schlachtenpanoramabild von 1870 mit den
gestellten Requisiten überwunden. Auch Alfred Pasel zeigt
diese erfrischende Sachlichkeit. Mag man den künstlerischen
Wert solcher Arbeiten nicht hoch einschätzen, ein historischer
Wert bleibt ihnen als Typus. Unter der großen Masse
der Kriegsbilder in den elf Sälen mag mancher echte Ein-
druck sich seine Form gesucht haben, doch nur ganz ver-
einzelt begegnet man einem reiferen Ausdruck. Meist
herrscht das Handwerk einer mittelmäßigen Skizzierkunst,
und unter dem Mantel der flotten Mache posiert falsches
künstlerisches Temperament.
Vieles sinkt überhaupt zur bloßen Zeitungsillustration
herab und wird auch wohl meistens nur von dem »Ein-
druck und Erlebnis« der photographischen Momentauf-
nahme hergeleitet. Zu dieser treten dann die Lichteffekte
und die »Erlebnisse«, die der Maler hinzutut. Am meisten
hält sich Franz Eichhorst von solchen Inszenierungen fern.
Auch die guten Skizzen Otto Heichertsdürfen genannt werden.
Zum Schluß bleibt nur die Hoffnung, daß eine »ge-
schlossene umfassende Übersicht über die deutsche Kriegs-
malerei« die dem Vorwort des Katalogs nach als eine Auf-
gabe für eine spätere Zeit vorbehalten bleiben muß, ihr
Ziel nicht darin sieht, Gelegenheitsarbeiten in jeder Menge
anzubringen. Man wird gut tun, geraume Zeit, am besten
einige Jahre vergehen zu lassen. Dann erst wird sich zeigen,
ob es der modernen deutschen Kunst möglich war, dem
großen Geschehen große Form zu geben. w. Kurth.
SAMMLUNGEN
Das Berliner Kupferstichkabinett vereinigt in dem
Aüsstellungssaal der Abteilung für moderne Graphik eine
Anzahl seiner Neuerwerbungen aus dem Jahre 1915—1916.
Von Liebermann wurde das Bildnis einer jungen Dame er-
worben, eine frühere Arbeit, in der die Lithographiekreide
mit einem weichen Mittelton noch ganz den silbrigen Tönen
seiner Palette nachstrebt ; während die letzten Radierungen,
die der reichen Sammlung angefügt werden konnten, mit
den bekannten Themen der badenden Knaben, der Trab-
rennen, die Kaltnadel-Technik des Meisters in steigender
Entwicklung zeigen. Das Licht verliert jede differenzierende
Tönung und schlägt in breiter, leuchtender Welle unmittel-
bar an die kräftigen Klippen des Schwarz, deren einzelne
Striche das breitauslaufende Komma spritziger Federstriche
zeigen. Slevogt, der sich selbst in einem vortrefflichen
Porträt (Zustandsdruck) radiert hat, setzt in einer ganzen
Reihe von Tierstudien die alte Serie fort und eilt mit gleich
scharfer Beobachtung und sicherstem Können den momen-
tansten Temperamentsäußerungen seiner Modelle nach.
Aus der reichen Zahl der Radierungen und Lithographien
Corinths, die erst in letzter Zeit mehr zu Angebot und Aus-
stellung kamen, konnte den älteren Beständen ein wei-
teres Dutzend guter Beispiele angefügt werden, meist Blätter,
Landschaften und Porträts, die mit freierer Benutzung seiner
Malerpalette eine mehr graphische Sinnlichkeit zeigen als
die letzten Aktradierungen.
Von August Gaul wurden sechs Beispiele aus der
Serie »Trinkende Tiere« zur Ausstellung gebracht, die in
mancher schön abgewogenen Reliefkomposition sich den
älteren Darstellungen anschließen. Von den jüngeren Ber-
liner Graphikern sieht man einen Probedruck vom Barm-
herzigen Samariter von Hans Meid, in dem die ruhige
Komposition und die kraftvolle Breite des Lichtes ihn
von einer neuen Seite zeigt. Daniel in der Löwen-
grube und die Auffindung Mosis, Beispiele aus der
ersten Mappe seiner Bibelillustrationen, zeigen seine
bekannte wirksame Technik. Von besonderem Interesse
ist Beckmanns »Kriegserklärung«, mit der er sich als
ein höchst eindringlicher Charakteristiker menschlicher Phy-
siognomien vorführt, und von Großmann interessiert eine
frühe Radierung La Villette-Paris neben anderen Arbeiten.
Pechsteins Lithographie von dem Bildnis des Malers
Schmidt-Rottluff hat die ruhige und gesammelte Energie