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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0194

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Sammlungen — Forschungen

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seiner früheren Arbeiten, auch die Landschaft von der Ost-
see zeigt in ihrer Raumkraft diese Eigenschaften. Erich
Heckeis Holzschnitt einer Straße in Ostende tritt mit der
bewußten Steigerung der dynamischen Kraft j der Flächen
durch Linienrichtungen der älteren, dekorativ ruhigen
Flächenfüllung den Holzschnitten Pechsteins, Boote auf
Meer, als Weiterentwicklung entgegen. In ein ähnliches
Verhältnis tritt Nauen seinen eigenen früheren Arbeiten
gegenüber. In der frühen Flachlandschaft ist der Radier-
strich noch nicht die notwendige Funktion des sehr an-
spruchsvollen Raumes geworden; erst in der späteren
Arbeit, Bäume am Wasser, schließt sich Mittel, Form und
Ausdruck stark zusammen. Den früheren Arbeiten Franz
Marcs, Totes Reh, Adam und Eva, dürfte man in ihren
weniger gezwungenen Formenelementen mehr Interesse
entgegenbringen als den späteren. Von Purrmanns Graphik
wurden eine Reihe Porträts erworben, darunter Frau Braune,
Herr Outtmann, die den geschmackvollen, simplen Strich
der Lebendigkeit des Ausdrucks nicht in den Weg treten
lassen. Von Orlik sieht man gute Proben seiner viel-
gewandten Technik.

Von den süddeutschen Meistern interessiert besonders
die Marees-Thoma-Gruppe, der zurzeit in der Mannheimer
Kunsthalle eine größere Ausstellung gewidmet ist. Albert
Längs »Satyrfamilie« (in zwei Zustandsdrucken) verbindet
mit der kraftvoll geschlossenen Reliefkomposition eine
so ausdrucksvolle Formengestaltung im einzelnen, daß
hier mehr als bei ähnlichen Arbeiten Thomas der be-
freiende Geist Marees zu spüren ist. Seine Landschafts-
radierungen von S. Gemigniano und Malcesine vermeiden
bei ruhigem Strich glücklich den Eindruck simpelnder Tech-
nik. Steppes steht mit seinen Landschaftsradierungen, von
denen vier gezeigt werden, mehr auf Seite Thomas, ebenso
die schöne Landschaft Steinhausens. Von den jüngeren
Süddeutschen ist ein ausdrucksvolles Selbstporträt Wald-
schütz' und eine große Baumgruppe erworben worden.

Vom Ausland konnte die besonders reiche Abteilung
holländischer Meister des 19. Jahrhunderts, die das Kabi-
nett aus der Gruppe Maris und Mauve besitzt, außer
manchen anderen charakteristischen Arbeiten des seltenen
Matthijs Maris um die große Radierung nach Millets Säe-
mann ergänzt werden, eine Reproduktionsradierung, die
in ihrer kongenialen Nachschöpfung im 19. Jahrhundert
vereinzelt steht. Die groteske Phantasie Bruykers, die
Dore nahesteht, ist in dem Markt in Gent gut vertreten,
während die Straße von Ostende von Ensor mit subtilen
Mitteln duftige Wirkungen zu erreichen sucht. Der rei-
chen Munch-Sammlung des Kabinetts konnte wieder eine
Reihe vortrefflicher Arbeiten angefügt werden. Besonders
ragt eine Reihe lithographierter Tiere hervor. Das Schwarz
der Kreide beherrscht in wenigen Gesten souverän die
Fläche. Das Tier als Element steht hier dem Tier als
Temperament bei Slevogt gegenüber. Die Porträts, dar-
unter der Komponist Sinding und Stang, gehen mit we-
nigen Strichen unmittelbar auf die Ausdrucksform los, die
unmerklich ohne jede Stilisierung zum monumentalen Stil
aufsteigt.

Zum Schluß interessieren noch einige ältere Arbeiten.
Besonders ein Waldinneres von Schinkel, das ihn im Baum-
schlag ganz in der Gefolgschaft des Schweizers Kolbe er-

scheinen läßt, mit seinem Naturgefühl aber bereits die
Romantik Blechens ahnen läßt. Das seltene Blatt trägt in
einem zweiten Exemplar des Schinkelmuseums den inter-
essanten Vermerk »mit ätzender Tinte auf Kupfer«. Von
Schadow konnte das Lithographiewerk um zwei Porträt-
arbeiten vermehrt werden, von denen die Porträts zweier
Mädchen die Frische seiner Naturauffassung mit dem ge-
wählten Linienstil besonders gut charakterisieren. k.

FORSCHUNGEN

Zur Geschichte von Mantegnas Flügelaltar in
den Uffizien. In seinem Beitrag zum Aschaffenburger
Altar Grünewalds (Kunstchronik vom 11. Mai) sucht Oskar
Hagen den Nachweis zu führen, daßderdeutscheMeister den
Flügelaltar Mantegnas, der heute in den Uffizien hängt,
gekannt und — frei — benutzt hat. Die Möglichkeit einer
solchen Kenntnis erscheint ihm vorhanden: er spricht von
dem »Triptychon für die Gonzaga, das sehr bald nach
seiner Entstehung nach Florenz in den Besitz der Medici
kam.« Und noch positiver heißt es weiter unten: »er be-
fand sich in Florenz zur Zeit, als Grünewald dort weilte.« —
Ich will auf den Kern von Hagens Ausführungen, auf
das Problem »Grünewald-Mantegna« hier nicht eingehen;
nur jene einzelne Behauptung in ihrer Richtigkeit bezwei-
feln resp. zu entkräften suchen. Tatsächlich schwebt ein
Dunkel über Bestimmung des Triptychons, Herkunft und
seinem Übergang an die späteren Besitzer. Man vermutet
darin jene Tavoletta, die Mantegna nach Vasari (III, 395)
für die Kapelle des Mantuaner Schlosses gemalt hat. Sicher
nachweislich im Besitz eines Mitgliedes des Hauses Medici
ist es aber erst im Jahr 1587; in einem Inventar der dem
Don Antonio de' Medici gehörigen Villa Magia bei Pistoja
ist es damals genau beschrieben (Florenz, Staatsarchiv,
Guardaroba F. 136, Fol. 154). Nach einer Angabe bei
Kristeller (englische Ausgabe des Buches über Mantegna
S. 213) ist es 1632 aus dessen Erbschaft in die Medicaeischen
Kunstsammlungen gelangt. Aber noch eines spricht da-
gegen, daß das Werk schon seit 1500 sich in Florenz befunden
haben soll, nämlich das Schweigen Vasaris. Dieses hervor-
ragende Stück würde er gewiß ebensowenig übergangen
haben, wie jene feine kleine, noch in den Uffizien bewahrte
Madonna mit dem Steinbruch im Hintergrund, die zu seiner
Zeit Eigentum des Francesco Medici war (S. 401/2).
Vasari kannte den Kunstbesitz des fürstlichen Hauses ganz
genau; sein Stillschweigen ist daher als vollgültiger Beweis
dafür anzusehen, daß jenes kostbare Stück sich damals
noch nicht in Florenz befunden hat. Es muß demnach
zwischen 1566/7 (dem ungefähren Termin von Vasaris
Mantegna-Biographie) und 1587 an die Medici gejangt sein.
Auf welchem Wege, das festzustellen bleibt späteren
Nachforschungen vorbehalten. Die von Milanesi (u. a. O.)
mitgeteilte Behauptung des früheren Galeriedirektors
Puccini, wonach die drei Gemälde nach alten Inventaren
»antichissimi nella Galleria« seien, ist abzuweisen, da ge-
nannter Autor es versäumt hat, seine Quellen anzuführen.
Auf die Möglichkeit einer Bekanntschaft mit Werken Man-
tegnas in Rom — den Fresken in der 1780 zerstörten
Kapelle Innocenz' VIII. im Vatikan — mag beiläufig ver-
wiesen sein. Onnau.

Inhalt: Leipziger Museumsfragen. Zum Tode Fritz von Harcks. Von W. von Bode. — Anders Montan f; Dr. Hans Otto Schaller f; Professor
Karl Doettl t- — Personalien. — Kriegsbilder-Ausstellung in Berlin. — Neuerwerbungen des Berliner Kupferstichkabinetts. — Zur Ge-
schichte von Mantegnas Flügelaltar in den Uffizien.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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