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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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Dvořák, Max: Sollen die deutschen Kunsthistoriker sich zu einer Fachgenossenschaft zusammenschließen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0195

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KUNSTCHRONIK

Neue Folge. XXVIII. Jahrgang 1916/1917 Nr. 35. 1. Juni 1917

Die Kunstchroiiik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und Augusi nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark.
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leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. IIa.
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SOLLEN DIE DEUTSCHEN KUNSTHISTORIKER
SICH ZU EINER FACHOENOSSENSCHAFT
ZUSAMMENSCHLÜSSEN?

Von Max Dvorak

Die unter diesem Titel in der Kunstchronik Nr. 32
erschienene Anregung Wilhelm von Bodes begrüße
ich lebhaft. Eine Organisation, wie sie von Bode
vorgeschlagen wird, wäre schon lange aus verschie-
denen Gründen zweckmäßig gewesen. Heute scheint
sie mir — und soviel ich weiß, teilen viele Fachge-
nossen in Österreich diese Meinung — geradezu un-
erläßlich zu sein.

Es ist begreiflich, daß man dem Oedanken eines
zunftmäßigen Zusammenschlusses der Kunsthistoriker
bisher nicht näher trat. Er hat wenig Verlockendes
für Menschen, die in überwiegender Mehrzahl aus
Freude an Kunst und aus Forschungsdrang ihren Be-
ruf gewählt haben und für die die Fragen praktischer
und materieller Natur erst in zweiter Reihe in Be-
tracht kamen. Nun kommt es aber heute gar nicht
mehr darauf an, ob uns eine solche Organisation
sympathisch ist oder nicht, sie ist einfach notwendig
geworden, weil sich in den letzten Jahren Zustände
entwickelt haben, zu denen wir korporativ Stellung
nehmen müssen, wenn uns die Würde des Standes,
dem wir angehören, nicht gleichgültig ist.

Die Hauptrolle spielt dabei, wie von Bode richtig
hervorgehoben wurde, das immer weiter um sich
greifende Gift einer Verkettung von Wissenschaft und
Handel, die in Kreise zu dringen scheint, die ihr
ihrer Stellung und ihren Aufgaben nach immer fern
bleiben sollten. Mögen auch die Fälle der mittel-
baren oder unmittelbaren Beteiligung von Musealbe-
amten oder Dozenten am Kunsthandel durch Provi-
sionen, bezahlte Gutachten, Gewinnanteil usw. oder
die Fälle, wo umgekehrt Leute in öffentliche Stellungen
kamen, die ihrer Bildung und ihren Interessen nach
den Machinationen der Händler aus »Liebhaberei«
näher als gelehrten Berufen stehen, nur eine Ausnahme
bilden, ja mögen sie selbst aktenmäßig nicht nach-
weisbar sein — in dem Augenblicke, wo sie in den
Bereich der Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit treten,
sind wir verpflichtet, zu Abwehrmitteln zu greifen.

Denn sobald einmal in der öffentlichen Meinung
Männer, die aus idealen Gründen und um der Öffent-
lichkeit zu dienen, sich dem Studium der alten Kunst
gewidmet haben und Leute, die ihre Vertrautheit mit
der gangbaren künstlerischen Handelsware dazu be-
nützen, um Perzente zu nehmen, nicht haarscharf ge-
schieden werden, gelangen wir auf eine schiefe Bahn
und verlieren früher oder später das Recht, im Namen
der Wissenschaft zu sprechen und ethische Forde-

rungen und öffentliche Pflichten auf dem Gebiete der
alten Kunst zu vertreten.

Jeder, der die Verhältnisse vor zwanzig, dreißig
Jahren kennt, weiß, wieviel Mühe es gekostet hat,
wissenschaftlich geschulten Beamten Einfluß auf die
Musealverwaltung und Denkmalpflege, der Kunstge-
schichte die ihr gebührende Stellung im Rahmen der
Universitäten zu erkämpfen. Auch heute bleibt in
beider Richtung noch viel zu wünschen übrig. Soll-
ten wir in unserer Mitte Leute dulden, die mit dem
Makel einer unlauteren Wirkung in ihrer öffentlichen
Stellung behaftet sind, für die die Kunstgeschichte
nur ein Sprungbrett für die Laufbahn eines geheimen
Kunsthändlers bedeutet, so würden wir selbst alles
untergraben, was die vorangegangene Generation
schwer errungen hat. Die Museen müßten da immer
mehr in die Hände von geschäftskundigen und be-
triebsamen Bilderagenten geraten, Dilettanten und
Schwätzer hätten überall die Oberhand, und das öffent-
liche Ansehen der Kunstgeschichte, ihre Stellung den
exakten Wissenschaften und allen wissenschaftlichen In-
stituten gegenüber würden die größte Einbuße erfahren.

Es kann sein, daß ich zu schwarz sehe, doch in
mancher Beziehung sind schon heute die Verhältnisse
höchst unerfreulich, und bei Gefahren dieser Art gilt
ganz besonders das alte principiis obsta. Dazu bietet
aber die von Bode vorgeschlagene Vereinigung die
richtige Handhabe. Ich möchte nur dafür eintreten,
sie nicht nur auf Deutschland zu beschränken, son-
dern von Anfang an auch auf Österreich auszudehnen,
was nicht nur der alten und in der Zukunft hoffent-
lich noch gesteigerten Gemeinsamkeit und Rezipro-
zität der wissenschaftlichen Bestrebungen und Ein-
richtungen entsprechen würde, sondern auch viele
praktische Vorteile hätte. Als Vorbild könnten bis
zu einem gewissen Grade Ärzte- oder Advokaten-
kammern dienen, wobei jedoch die kunsthistorische
Vereinigung nicht länderweise, sondern einheitlich für
den ganzen Bereich Deutschlands und Österreichs
mit einer deutschen und österreichischen Untergruppe
zu begründen wäre1).

Der Hauptzweck wäre die Vertretung der Standes-
interessen. Mitglieder der Vereinigung könnten
nur Kunsthistoriker, Archäologen, Prähistoriker wer-
den, die den Doktorgrad ihres Faches besitzen oder

1) Inzwischen haben sich letzter Tage in Frankfurt
eine Anzahl von Museumsdirektoren zusammengefunden,
die unter Führung von K. Koetschau, O. Pauli und
Q. Swarzenski einen »Deutschen Museumsbund« ge-
gründet haben; dieser Zusammenschluß eines kleineren
Kreises ist in Planung und Statuierung unabhängig von
den hier behandelten weitergreifenden Ideen v. Bodes
erfolgt. Anm. d. Red.
 
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