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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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429

Sammlungen — Literatur

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haltige italienische Plastik der Renaissancezeit, deren Auf-
stellung in absehbarer Zeit erfolgen soll, ist durch Neu-
erwerbungen, besonders auf der Auktion Beckerath (Terra-
kotten von Luca della Robbia und Giovanni Minelli de'
Bardi und eine Cartapesta-Madonna von Sansovino) er-
gänzt worden. Parallel damit ist der Anfang für außer-
italienische Plastiken gemacht worden. In erster Linie
seien drei Hauptstücke genannt: die Statue der Maria mit
dem Kinde, mittelrheinisch um 1430, und die beiden er-
greifend schönen Figuren der Maria und des Johannes von
der Kreuzigungsgruppe von Großkönigsdorf bei Köln, köl-
nisch um 1500 — sodann eineMarienstatue, kölnisch aus der
zweiten Hälfte des H.Jahrhunderts; eine kleine Kreuzigungs-
gruppe, bayrisch von der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts,
und eine Johannisfigur (?), welche der Katalog als franzö-
sisch vom Ende des 15. Jahrhunderts bezeichnet. Kleinere
Bronzegegenstände (besonders Plaketten) von Moderno,
Riccio, Fra Antonio da Brescia, Peter Flölner, Adriaen de
Vries und andere plastische Arbeiten seien hiernoch genannt.

Infolge der im Verhältnis zu den genannten Abtei-
lungen spärlichen Dotation konnten für die Galerie alter
Meister in den verflossenen drei Jahren nur vier Werke
käuflich erworben werden: Gaudenzio Ferraris Pietä;
Bastianio Mainardis St. Stefan Martyr, Albrecht Altdorfers
Maria mit dem Kinde und die Judith von Jan Lys. Dank
der Opferfreudigkeit von Kunstfreunden hat aber die Galerie
wertvolle Schenkungen erhalten: eine Pietä von Marco
Marziale; Maria mit dem Kinde in der Art des A. Isen-
brant; eine Pietä von M. v. Heemskerk, ein Knabenbildnis
eines unbekannten (deutschen?) Künstlers um 1800 (aus
dem Nachlasse Paul Meyerheims; Geschenk des Herrn
Julius Kaszab) und zwei Bilder von Alessandro Magnasco.
Besonders sei ein wundervolles, bis jetzt ganz unbekanntes,
mit dem Monogramm bezeichnetes kleines Gemälde von
vorzüglicher Erhaltung von Albrecht Altdorf er, als Deposit aus
gräflich Erdödyschem Fideikommisbesitz, hervorgehoben,
das zu des Künstlers interessaatesten Werken gerechnet
werden darf: eine etwa aus fünfzig Figuren bestehende Kreu-
zigung, die sich vom Goldgrunde sehr plastisch abhebt.

Budapest. Die im Museum der bildenden Künste
befindliche Gemäldegalerie des Grafen Johann Pälffy,
welche vor einigen Jahren dem ungarischen Staate ver-
macht wurde, war bis jetzt in Räumlichkeiten untergebracht,
welche sich an die moderne Galerie anschließen. Infolge
einer Neueinteilung resp. Ausbreitung der modernen Galerie
mußte die Pdlffysche Sammlung in anderen Lokalitäten auf-
gestellt werden. Die Frage wurde so gelöst, daß die
modernen Bilder dieser Galerie an die moderne, die alten
Meister an die der alten Galerie des Museums ange-
schlossen wurden, was vom Standpunkte des Studiums
nur vom Vorteile ist. Um die alten Bilder der Palffyschen
Sammlung — als geschlossenes Ganze — unmittelbar und
organisch mit der alten Galerie verbinden zu können,
hat Direktor Hofrat Dr. Gabriel v. Terey die Italiener des
17. und 18. Jahrhunderts in den Halbstock des Museums
verlegt, wodurch zwei Oberlichtsäle und ein Kabinett frei
wurden. Bei der Neuordnung schließen sich nun einer-
seits die italienischen Bilder der Palffyschen Sammlung in
folgerichtiger Weise direkt an den Cinquecentosaal und
andererseits die Niederländer an die der alten Galerie an.
Infolge dieses Anschlusses der Palffyschen Sammlung an
die alte Galerie wurde die beträchtliche niederländische Ab-
teilung des Museums neu aufgestellt und zwar in der Weise,
daß in dem ersten Kabinett die Werke des 15. und im
zweiten die des 16. Jahrhunderts plaziert wurden. Dann
folgt die Reihe der holländischen und flämischen Kabinette
des 17. Jahrhunderts. In diesen ist das Material über-

sichtlich nach Schulen geordnet. Im ersten Kabinett
sind die Werke der Künstler vom Haag, im zweiten die
von Leiden und Utrecht, im dritten die von Rotterdam,
Dordrecht und Deventer untergebracht. Ein Kabinett ist
den Delftern, je drei den Künstlern von Haarlem und Amster-
dam gewidmet. Dann folgten drei Kabinette mit Vlamen.
Ganz am Schlüsse ist das englische Kabinett. Je ein Ober-
lichtsaal in Verbindung mit den Kabinetten enthält Holländer
und Vlamen (zumeist große und größere Bilder). Die
deutschen Meister des 15. und 16. Jahrhunderts haben in
einem Oberlichtsaal eine würdige Unterbringung gefunden.

LITERATUR

Warschauer Bauten aus der Zeit der sächsischen
Könige von Cornelius Gurlitt. Der Zirkel. Architektur-
Verlag. Berlin 1917.

Vor kurzer Zeit erst konnte Cornelius Gurlitt mit Paul
Clemen zusammen im Auftrage des Kaiserlich Deutschen
General-Gouvernements in Belgien ein größeres Werk über
die Klosterbauten der Zisterzienser in Belgien im gleichen
Verlag herausgeben und den drei großen Ruinenkomplexen
Orval, Villers und Aulne eine allseitig anerkannte, würdige
Untersuchung zuteil werden lassen. Und jetzt überrascht
uns Gurlitt wieder mit einem größeren Werke, in dem er
zwar nur einen durch die Zeitverhältnisse gebotenen Ver-
such erblicken möchte, einen Versuch, den innerhalb von
35 Jahren dieser Historiker der Baukunst des Barocks
wiederholt aufgenommen hat, ohne zu einem befriedigen-
den Ergebnis zu kommen. Schon 1884 konnte er die Er-
laubnis zum Besuch aller öffentlichen Bauten Warschaus
durch höchste Protektion erreichen und die Forschungen
in der Zeitschrift für Bauwesen 1888 (Bd. 46) veröffent-
lichen. Wohl wurden dadurch manche polnische Gelehrte
angeregt, der Baukunst ihrer Stadt in der Blütezeit unter
den sächsischen Königen nachzugehen. Allein das Inter-
esse kam nicht in rechten Fluß, und nur Gurlitt selbst
konnte die Ergebnisse weiter in seinem Buch über Schlüter
verwerten. Bis die Besetzung Polens neue Möglichkeiten
schuf, die Gurlitt weitschauend ergriff und in diesem Band
über die Warschauer Bauten zur Tat werden ließ.

Aus kurzen Abschnitten über die Macht der Kirche
in Polen, der streng klerikalen Politik des Groß-Adels als
höchster Geistlichkeit, deren scharfe Charakteristik uns an
die besten Stellen seiner Geschichte des Barocks erinnern,
wird der enge Zusammenhang mit der italienischen Kunst
dargelegt, die von Rom aus ihren Weg über Salzburg, Wien
nach Polen findet. Die kluge Ökonomie der Jesuiten je-
doch, welche Anpassung an traditionellen Geschmack zur
Aufgabe machte, kam dem klassizistischen Geschmack der
polnischen Architektur entgegen, der sich von den ersten
starken Kunsteindrücken der Baukunst der Renaissance ge-
bildet hatte. So wurde die maßvollere Sprache Vignolas
das Vorbild im allgemeinen, und die St. Antoniuskirche
ein magerer Exzerpt aus II Gesü in Rom und im Innern
fast puritanisch. Aus dieser Zeit vor den sächsischen
Königen zur Zeit Johann Sobieskys interessiert besonders
das Palais Kraszinski, dessen Baugeschichte mit dem Prob-
lem des vorpreußischen Schlüter in engster Beziehung steht.
Gurlitt möchte, obwohl die Rechnungsbücher Andreas
Schlüter nur als Bildhauer aufführen und als Architekten
den Italiener Bellotti nennen, in der reicheren Gliederung
der Fassade nicht nur in Mittelrisalit, sondern auch in Eck-
risalite, dem Wechsel der Fensterbekrönungen in Segment
und Giebel »viel Verwandtes« mit dem Berliner Schloß
erblicken. Daß in dieser freieren Artikulation der Baumasse
sich nordische Eigentümlichkeit ausspricht, will dann der
Hinweis Gurlitts auf das Amsterdamer Rathaus und auf
 
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