Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0226

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Literatur — Vermischtes — Anzeige

432

das Palais im Großen Garten in Dresden mit Recht be-
kräftigen. Noch näher schließt Gurlitt die Autorschaft des
Palais Kraszinsky an Schlüter an durch den Hinweis auf
den ursprünglichen Entwurf Schlüters zum Charlottenburger
Schloß. Neben diesen stilistischen Vergleichen verweist
Gurlitt auf die Nachricht eines deutschen Gelehrten, Mar-
perger, der Schlüter persönlich kannte und mitteilt, daß
Schlüter in Warschau" Paläste erbaut habe. Wie diese
Argumente mit der polnischen Nachricht, daß Bellotti der
Baumeister sei, in Verbindung gebracht werden können,
erhofft Gurlitt von einem Aufschluß über die Entstehungs-
geschichte des Baues von Seiten polnischer Kunsthistoriker.
Als Schöpfer des großen Reliefs im Mittelgiebel steht
Schlüters Autorschaft außer allem Zweifel. Eine eingehende
Untersuchung dieses Stückes müßte uns über die Jugend-
und Lehrzeit Schlüters wertvollste Aufschlüsse geben. Gurlitt
spricht auch hier von der Einwirkung Artus Quellinus, des
großen Barockbildners Hollands, eine Beziehung, die ja auch
bei anderen Werken Schlüters schon deutlich geworden ist.

Zu weitgreifender Repräsentation erhebt sich aber der
polnische Adel erst unter dem Vorbild des ersten säch-
sischen Königs, unter August dem Starken. Und zum
zweiten Male tritt ein deutscher Baumeister inmitten der
Schar italienischer Kolonisten: Daniel Pöppelmann, der
Erbauer des Dresdener Zwingers. Für den Prunk sorgte
der reiche Troß der Goldschmiede, Möbeltischler, Bronze-
gießer, Textilkünstler, die August von Dresden herüber-
zog. Leider haben eineinhalb Jahrhunderte von dem säch-
sischen Bauwesen nicht viel bestehen lassen. Gurlitt je-
doch konnte dem Werke alle Entwürfe in Grundrissen,
Aufrissen und den reichen Perspektiven, wie sie das Kgl.
Sächsische Hauptstaatsarchiv und Denkmalsarchiv in Dres-
den verwahrt, meist in ganzseitigen Tafelabbildungen bei-
geben, die das Werk somit zur Grundlage jeder weiteren
Forschung auf diesem Gebiet machen. Die reiche Phan-
tastik Pöppelmanns mußte sich zuerst mit dem Umbau des
Königsschlosses in Warschau beschäftigen, das in seiner
Lage an der Weichsel und mit den kulissenartig aneinander-
geschobenen Bautrakten seinen Zwinger noch überboten
hätte. Die Konföderation von Tarnogrod 1715 machte je-
doch die Ausführung dieser hochgespannten Pläne un-
möglich. Ein weiteres Opfer dieser Umwälzung wurde
auch der große Plan für das Schloß Ujasdow. Der ganze
Machtwille Augusts des Starken, seine ehrgeizige Pracht-
liebe trachtete aber bald nach einem eignen neuen Schloß,
dem sog. »Sächsischen Palais«, das alle seine Bauleiden-

schaft gefangen nahm, so daß unter jenen Plänen der Bau
des Zwingers in Dresden ins Stocken kam. Mit größtem
Geschick ließ er bestehende Adelspaläste in den Riesen-
plan mit einbeziehen, und über ein Dutzend Tafeln zeigen
uns die verschiedenen Entwürfe und Ansichten des Unter-
nehmens und bilden den Hauptteil des Buches. Mit König
August III. erlahmte der Baueifer anfangs noch nicht und
neben Pöppelmann tritt als Baumeister Knöfel auf, der die
Schloßkirche baut; auch der Ilaliener Chiaveri wurde mit
Plänen betraut. Im Jahre 1780 bewachten nur noch einige
Dragoner das leere Schloß, dessen Mobiliar meist entfernt
oder ruiniert war, bis es 1842 umgebaut wurde durch einen
polnischen Architekten. Die Bauten des Adels der säch-
sischen Minister spiegeln ebenfalls die Probleme des säch-
sischen Barocks wider. So steht auch hier die lebhaft
bewegte Formensprache Pöppelmanns neben der gedämpf-
teren Linien- und Flächenrhythmik der Schule von Krub-
satius; letztere gewann schließlich die Oberhand. Auch
zu diesem Teil, zu den Palästen der Sulkowski, Brühl,
Radziwill, Muniscech, Bielinsky, Potocki wird reiches Bilder-
material in älteren Darstellungen aufgerollt. Im Kirchen-
bau behielten die Italiener jedoch lange die Oberhand,
deren Familiengruppen und Stilrichtungen Gurlitt deutlich
werden läßt, und mit Stanislaus Augusts Einfluß gewann
das italienische Element endlich den ganzen Boden. Den
letzten sächsischen Klang vermitteln die vier großen Tafeln
mit Warschauer Veduten nach Stichen Canalettos. Mit
diesen großen Grundrißlinien der Warschauer Baukunst
hat Gurlitt dem deutschen Barock einen letzten Ausläufer
historisch angegliedert und dem Dresdener Barock ins-
besondere die bedeutende Vermittlerrolle zwischen Ost
und West zugewiesen. Dem reichen, aus den Archiven
geholten Abbildungsmaterial hat der Verlag seine größte
Aufmerksamkeit gewidmet und auch durch eine vornehm
ruhige Ausstattung dem Buch, das dem König von Sachsen
gewidmet ist, eine würdige Gestalt gegeben. w. Kurth.

VERMISCHTES
Hans Thoma wird demnächst unter dem Titel »Die
zwischen Zeit und Ewigkeit unsicher flatternde Seele«,
ein Bekenntnis- und Vermächtnisbuch, im Verlage von
Eugen Diederichs, veröffentlichen.

Nach Meldung englischer Blätter sind in London nun-
mehr mit Ausnahme eines Teiles der Nationalgalerie sämt-
liche Museen geschlossen worden.

Griechische Originale

Von EMIL WALDMANN

Ein stattlicher, vornehmer Band mit 207 Tafeln und zugehörigen Erläuterungen
sowie einer Einführung in die Griechische Skulptur. Geb. in Halbperg. M. 8.—

VERLAG VON E. A. SEEMANN IN LEIPZIG

Inhalt: Die Große Berliner Kunstausstellung 1917 im Kunstpalast zu Düsseldorf. Von Walter Cohen. — Sommerausstellung der Münchener Neuen
Sezession«. Von A. L. M. — John Q. Johnson und sein Vermächtnis an seine Vaterstadt Philadelphia. Arthur Wansleben f. — Personalien.
— Ausstellungen in Hannover, Halle, München, Wiesbaden und Zürich. — Übersiedelung der Kgl. graphischen Sammlung in München in
ihr neues Heim. Eine Neuerwerbung des Bayerischen Naiionalmuseums. Neuerwerbungen für das Museum der bildenden Künste in
Budapest. Die Gemäldegalerie des Grafen Pälffy in Budapest. — Warschauer Bauten aus der Zeit der sächsischen Könige. Von Cornelius
Gurlitt. — Ein Bekenntnis- und Vermächtnisbuch von Hans Thoma. Schließung der Museen in London. — Anzeige.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 1 i a
Druck von Ernst Hedrtch Nachf., o. m. n. h., Leipzig
 
Annotationen