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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 28.1917

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https://doi.org/10.11588/diglit.6187#0238

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Forschungen — Anzeige

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allerdings nicht gut. Es ist immer mißlich, eine freie Porträt-
studie solchen Formats, die obendrein fünf Jahre nach dem
Stich (mindestens!) entstand und die ganz anderen Ab-
sichten diente als der satirische Stich, in dem der Kopf
nur einen kleinen Bruchteil ausmacht und gewiß dem Aus-
druck zuliebe karikierende Übertreibungen enthält, auf die
Identität der dargestellten Person hin miteinander zu ver-
gleichen. Dennoch läßt sich, sowohl was die Zusammen-
hänge der Formen, die Proportionen und die allgemeine
Gestalt des Kopfes angeht, als in bezug auf charakteristische
Einzelheiten wie die gebuckelte Nase und das aus den
Fettpolstern heraustretende, auffallend starke, runde Kinn,
die Ähnlichkeit kaum verkennen. Aber der Kopf auf der
Berliner Zeichnung, die ein halbes Jahrzehnt nach dem
Stich entstand, gehört doch offenbar einer wesentlich jün-
geren Person an als die ist, welche im Stich auf der Ofen-
bank träumt! Ja, die Daten sagen dnch außerdem, daß
Pirckheimer 1498 (als ungefährer Terminus ante genommen)
damals erst 28 Jahre alt war, während die Interpreten
durchweg von einem »alten Manne« reden!?

Fragen wir bei Dürer selbst an, was er im derben
Scherz 1506 aus Venedig schreibt, als Pirckheimer ein Sechs-
unddreißiger war. Gerade, wenn er den »amator« im
Freunde geißelt - und wie oft geschieht das! — immer
wird er als der »Greis« bewertet. Am 8. September: Er
sei in gewissen Dingen ein Fünfziger; im Oktober
noch derber: »Ihr sollt euch schämen, daß ihr alt seid und
meint ihr seid als hübsch. Wann das Buhlen steht euch

an, wie des groß zottechten Hunds Schimpf mit dem jungen
Kätzle«. Das ist der Ton, aus dem das Bild geht. Ridens
dicere verum ist Dürers Losung für die Satire; wie in
Worten so im Bild. Das »Altaussehen« kommt von dem
verdrossenen Zug um den Mund; der Mann kann deshalb gut
und gerne Ende zwanzig sein. Nur »verlebt« ist er; und das
wird dem Kenner der Pirckheimerliteratur nicht auffallen.
Er korrespondierte schon früh mit dem Leidensgenossen
Beheim über allerlei Kuren und Remedien gegen die Krank-
heit, die, wie man meinte, die Franzosen 1494 nach Italien
eingeschleppt hatten. Damals als Pirckheimer in Pavia
weilte, hatten sie drei Wochen dort herumgesumpft. Nicht
weniger ein paar Monate später in Rom, wo Beheim
wohnte. Beide waren keine Kostverächter gewesen; und
Pirckheimers junge Frau starb 1504 an einer Totgeburt.
Das ist der bittere Kern in der lustigen Schale vom Traum
des Doktors oder des Podagristen. Man wird zwar wieder
entgegnen, Pirckheimer habe ja trotz seines langen Stu-
diums auf den Titel verzichtet. Aber »Doktor« heißt im
Volksmund »Arzt«, und der Name ist nicht eben alt. Den-
noch kann eine alte Tradition mitsprechen, ebenso wie bei
dem andern obengenannten; denn Pirckheimer hat ja auch
das lustige Schriftchen verfaßt »Lob der Podagra«. Mir
scheint, der Stich ist ein gutes bildliches Gegenstück zu
dem beißenden Humor, den wir aus Dürers Briefen
kennen; und daß er von Anfang an nicht anders gemeint
war, steht in dem Beheim-Briefe. Wenn auch zwischen
den Zeilen. Oskar Hagen.

Die 3ukunft
ber üorbilbung unferer Künftler

flusfprüdje Don Künftlern unb Kunftfreunben

ziifninmengeftsllt von

tDolbemar Don Seiblit?

Kalckreuttj, Klinger, Eiebermann, Stuck, Ttjoma, Trübner unb anbere Künftler

über bie

Streitfrage ztpifdjen 10. o. Bobe unb Flrtbur Kampf

Preis SO Pfennige

3u beziehen burd] jebe Budjljanblung ober gegen Cinfenbung oon X5 Pfennigen

(zuzüglidj Porto) oom Uerlage

fl. Seemann in Eeipzig

Inhalt: Die deutschen Museen und Professor Georg Biermann. Von Q. Pauli. — Die Literatur über die jüngste Kunst. Von Hans Tietze. —
Archäologie in Griechenland in den letzten Jahren. Von Max Maas. — Prof. Wilhelm Weimar f; Hugo Flintzer f. — Akademischer Wett-
bewerb um einen Zierbrunnen für den Marktplatz zu Mittweida. — Ausstellung zu Ehren Max Liebermanns in der Kgl. Akademie der
Künste zu Berlin. Ausstellungen in Erfurt, Berlin, Hannover, Frankfurt a. M. und Breslau. — Erwerbungen der Kgl. Preußischen Landes-
kunstkonimission auf der großen Berliner Kunstausstellung in Düsseldorf. Zuwendungen an das Museum der bildenden Künste in Buda-
pest. — Gründung eines Künstlerhilfsbundes für Sachsen. — Deutung über Jacapo Palmas bekannte Dresdner Bilder Jakob und Rahel und
Die drei Schwestern. Eine literarische Parallele zu Dürers »Traum des Doktors (B. 76). — Anzeige.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, HospitalstraBe 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
 
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