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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

DOI Heft:
1./2. Septemberheft
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Kunstauktionen / Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0036

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KunftaukHonen.

Bet’lln.

Die Sammlung Han Coray, Erlenbach (Schweiz), die am
1. Oktober bei W e r t li e i m versteigert wird, enthält italienische,
niederländische und spanische Primitive, Werkc der großen Vene-
zianer wie auch Gemäide der deutschen Schule aus der zweiten
Hälfte des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts. Unter den italieni-
nischen Primitiven vcrdient besondere Hervorhebung ein Haupt-
werk des Neri di Bicci, eine thronende Madonna darstellend, von
ungewöhniich guter Erhaltung und außerordentlich repräsentativer
Wirkung; frtiher in der Sammlung von Baron Heyl in Darmstadt.

Meister von San Pietro Martire., Madonna in Steinnische
Sammlung Han Coray, Erlenbach
Versteigerung bei A. Wertheim, Berlin, am 1. Oktober

Ferner von Defendente Ferrari eine Madonna, das Kind säugend,
von einer Lieblichkeit, die sich bei Defendente sonst so eindring-
lich selten findet. Vom Maestro del Bambino Vispo ein sehr
farbenfreudiger Seitenflügel mit musizierenden Engeln, der uns
lebhaft an jenes Hauptwerk des Meisters erinnert, das auf der
Auktion Nemes in Amsterdam im Jahre 1928 zur Versteigerung
gelangte. Von Benedetto Ghirlandajo eine Madonna, das Kind
mit einer Innigkeit haltend, wie man es sonst in der Quattrocento-
plastik von Lucca della Robbia immer wieder bewundert. Aus

der Werkstatt des Botticelli sei aucli eines Tondos gedacht, von
einem Künstler stammend, dessen Werke van Marle in einer dem-
nächst erscheinenden Publikation zusammenfaßt unter dem Namen:
„Der Meister mit den langen Gesichtern“. Dieses Bild, das sich
friihcr im Besitz von Sedeimeyer befand und auch im Verstei-
gerungskatalog seiner Sammlung abgebildet ist, geht auf ein
Original des Botticelli selbst zuriick, das sich in der Galerie Borg-
hese befindet. Von dem so seltenen Allegretto Nuzi, dem Lehrer
des Gentile da Fabriano, eine Predella mit fiinf Heiligen, die aus
der Sammlung Hohenzollern-Sigmaringen stammt. Es läßt sich
gerade bei diesem Bild die besondere Vorliebe der heutigen Samm-
lerwelt fiir italienische Primitive begreifen. Ferner sei einer
figurenreichen Komposition des Francesco Botticini gedacht, bei
der insbesondere der Schulzusammenhang mit Andreas Verocchio
durchdringt. Während Sudi und Morasse iiberzeugt sind, in die-
sem Bild, vielleicht im Zusammenhang mit dem Gnadenstuhl, der
iiber der Madonna tliront, ein gesichertes Werk des Pesellino zu
selien, glauben andere Gelehrte eher an eine Arbeit des Francesco
Botticini. Ferner noch das Bildnis eines griechischen Kaisers in
hohem, mitraartigem Hut und langem Bart, dessen strenges Profil
wahrscheinlich auf eine Miinze Pisanellos zurückgeht. G r o n a u
gibt dieses Bild keinem geringeren als Gentile B e 11 i n i.

Von den großen Venezianern besitzt die Sammlung Coray
von T i z i a n das Hiiftbildnis eines Edelmannes in schwarzem
Barett aus der späteren Zeit des Künstlers. Ein Werk, das sich
früher in der Privatsammlung von. Julius Böhler befunden hat und
das sicli auch insbesondere der Bewunderung Bodes erfreute. Ein
besonders geistreiches Porträt enthält die Sammlung )in dem
Brustbild eines Mannes von mongolischem Gesichtsausschnitt und
mit schwarzem Samtwams. Ferner auch von derselben Hand ein
unvoliendetes repräsentatives Bild des Dogen Francesco Donato,
das besonders aufschlußreich ist für die Art, in der dieser Künst-
ler seine Bilder zu grundieren pflegte. Ein anderes Bild, das
kunsthistorisch besondere Rätsel aufgibt, und das mit italienischer
Monumentalität auch unverkennbar niederländische Einflüsse auf-
weist, findet sich in einer Madonna, die in einer Steinnische thront.
Dieses Bild, das manche dem Antoniazzo Romano geben möchten,
dürfte doch wohl neapolitanisch sein, und wird neuerdings von
van Marle dem Meister von San Pietro Martyr zugeschrieben.

Die Perle der n i e d e r 1 ä n d i s c h e n Primitiven stellt wohl
die beriihmte Komposition vom Meister von F 1 a m e 11 e dar,
welche die Mutter Gottes mit dem Kind in einer Chornische, von
zwei musizierenden Engeln umgeben, wiedergibt. Ein weiteres,
selir bedeutendes Werk, das Friedländer dem Meister des
Morrissonaltars gibt, vertritt eine vielfigurige, große Komposition
der Verspottung Christi. In diesem Bild fand iibrigens das künst-
lerische Glaubensbekenntnis von Ouinten Massys und Geertgen
mit Verwendung. Auch einem Bildnis Karls des Kiihnen von Bur-
gund, mit der Kette des goldenen Vliesses, aus dem Kreis des
Roger van der Weyden um 1465 gemalt, möchte hier gedacht wer-
den. Der Hintergrund wurde dazu benutzt, die Psyche des Dar-
gcstellten noch besonders zu charakterisieren. Ein umfangreiches
Werk des Jan Saners, genannt Hemessen mit Christus und der
Ehebrecherin und viel Volks im Tempel. Von Joos van Cleve
führen wir noch eine in der Komposition ganz geschlossene, groß-
figurig im Rahmen sitzende Madonna an.

Auch an Werken der deutschen Schule ist in der
Schweizer Sammlung manclies erwähnenswert. So z. B. der
mittelrheinische Barbarameister um 1430 mit einer Szene aus dem
Leben der heiligen Barbara, dessen Kunst erst neuerdings durch
einen Aufsatz von Dr. Ernst Buchner in „Beiträge zur Geschichte
der deutschen Kunst, Band I, Augsburg 1924“ erhellt wurde. Fer-
ner von Hans Brosamer aus der Sammlung Hohenzollern-Sigma-
ringen das Bildnis der Katharina Merian mit reichem Halsschmuck,
oder das eigenwillige Porträt eines Herrn mit schwerer, mehr-
facli um den Hals gelegter Goldkette, lichtem, blondem Haar und
rotem Bart, von Jan Stephan van Calcar. Von den deutschen
Meistern wartet noch auf die endgiiltige Zuschreibung ein monu-

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