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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Oktoberheft
DOI article:
Waetzoldt, Wilhelm: Der Festakt in der Universität
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0048

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Friedrich Wilhelms III. vom 29. März 1810 iiber, die
den Gedanken billigt, in Berlin ei'ne öffentliche, „gut
gewählte Kunstsammlung“ anzulegen. Es ist wieder-
holt dargestellt worden, wie iu den 20 Jahren zwischen
1810 urrd 1830 die Museumspläne reiften, aufgegeben,
wieder aufgegriffen und schließlich verwirklicht wur-
den. Die von Schinkel und 1 lirt in London und in Paris
gesammelten Erfahrungen über bauliche Anordnung,
Auswahl un'd Aufstcllung von Kunstwerken, sowie über
ilire Nutzbarmachung für das Publikum kamen Berlin
zugute. Alle vorbereitende Arbeit lag in der Hand jener
Museumskommission, der unter Führung Wilhelm von
Humboldts, Schinkel, Ra-uch, Waagen u. a. 1829 bis
1830 angehörten.

Zum wahren geistigen Ahnherrn der Berliner
Museen ist Humboldt geworden. Seine staats-
männischen Taten, sein Anteil an der Organisation des
preußischen Kultusministeriüms, an der Gründung der
Universität Berlin und an der Entstehung unserer
Museen zeigen die Verknüpfung zweler großer Ideen:
der Staatsidee Preußens mit der Kunstidee Goethes und
Schillers. Der ästhetische Individualismus der deut-
schen Klassiker und die ethische Staatsgesinnung der
Stein-Hardenberg’schen Peiiode verbanden sich in
Humboldt zu einer und derselben, auf den verschieden-
sten Gebieten gestaltenden Kraft. Von seinem kultur-
politischen Ideal einer Verschmelzung der reinen
Staatsbildung mit reiner Menschenbildung gehen alle
Maßnahmen und Reformen Humboldts aus: auch der
Gedanke der Museumsgründung.

Die Berliner Museen sind Staatsinstitute. Der
Staat unterhält sie, er erblickt in ihnen eine der vor-
nelunsten Forrnen der Repräsentation staatlicher
Kulturpolitik, er stellt sie in den Dienst der Erziehung
der Volksgenossen zu Genuß und Bildung. Der
Museumsfachmann ist Staatsbeamter; etwas vorn Geist
staatlicher Ordnung geht in sein Tun und Treiben ein
und schärft seiü Verantwortungsgefühl der Oefentlich-
keit gegenüber. Auch der feste, organisatorische Auf-
bau der Berliner Museen erklärt sich aus ihrem Charak-
ter als „Veranstaltungen des Staates“.

Allen Anstrengungen der Zeit vor 100 Jahren, noch
in zwölfter Stunde in Berlin cin großes, den älteren
Sammlungen der europäi'schen Hauptstädte eben-
bürtiges Museum zu schaffen, waren natürliche
Schranken gesetzt. Der Erbbesi'tz der Hohenzollern
an Kunstwerken ersten Ranges war nicht mit den alten
Kunstschätzen der Wittelsbacher, Wettiner oder gar
der Flabsburger zu vergleichen. Was fürstlicher Ge-
schmack an anderen -Stätten für den Aufbau der Museen
geschaffen hatte: die strahlende Konzentration von
Wcrken großer Meister, ließ sich auf keine Weise für
Berlin mehr erreichen. Hier mußten andere Kräfte,
wie fachmännisches Wissen und historischer Sinn den
neuen Sarnmlungen eine eigene Physiognomie geben.
So ist es gekommen, daß in Berlin an die Stelle der
Gipfelleistungen der Großmeister von vornherein die
Vorziige möglichst geschlossener kunstgeschichtlicher
Reihen von Werken getreten sind. Wie die Ver-

knüpfung mit dem preußischen Staatsgedanken den
Berliner Muscen einen bis heute bestimmenden
Wesenszng aufgeprägt hat, so sind Sonderart, Ziel-
setzung und Arbeitsweise unserer Sammlungen von der
Durchdringung mit dem Wissenschaftsgedanken inaß-
gebend beeinflußt worden.

Das innere Leben der Museen spielt sich in ihren
Abteilungen ab. Ihr Entstehen und ihr Gedeihen, ihre
Erfolge und ihre Enttäuschungen bilden den Hauptinhalt
der Museumsgeschichte. In dem Maße, in dem inner-
lialb der Abteilungen selbst der Reichtum an Objekten
wuchs und sicli andererseits die wissenschaftliche For-
schung innner m.ehr spezialisierte, haben sich vom
Stannn der alten, 1830 vorhandenen Abteilungen neue
losgelöst. Das allmähliche Sichentfälten der Kultur-
uud Geisteswissenschaften in den letzten hundert Jah-
ren spiegelt sich deutlich wieder in der zunehmenden
Verästelung des Museumsbaues. So weuig man der
Kunst oder der Wissenschaft auf ihren Wegen ein Halt
zurufen kann, so wenig läßt es sich verhindern, daß
sich die Museumsabteilungen, gleichsam durch
Spaltuug, fortpflanzen.

Den Grundstock der Antikenabteilung bildeten
natürlich die Ueberweisungen aus den Schlösseru,
darunter der von Friedrich dem Großen so geliebte
„Betende Knabe“. Die Erwerbung großer Sammlun-
gen (z. B. Gans und Lipperheide, vom Rath und
Saburoff), sowie die Käufe hervorragender Einzel-
stiicke liaben die Geschichte des Antiquariums wie der
Skulpturensammlung bestimmt. Ihren besonderen
Charakter geben aber den Berliner Antikensammlungen
die Ergebnisse der deutschen Ausgrabungen in Perga-
mon, Magnesia, Priene, Samos, Milet, Olympia. Conzes
uiid Humanns Narnen müssen wenigstens genannt wer-
den. In der Pflege der Abteilung hat der fehlende alte
Reichtum ersetzt werden müssen durch einen Aufbau
auf Grund der wissenschaftlichen Erkenntnisse der
modernen Archäologie.

Unter dem Eindruck der Beute aus Napoleons
ägyptischem Feldzug ist die Aegyptische Abteilung
schon 1823 begründet worden durch Ueberweisung von
Objekten aus der Kunstkammer, darunter der seit 1802
im preußischen Besitz befindlichen ersten Mumie. Die
Grundpfeiler der Abteilung, die zunächst in Schloß
Monbijou untergebracht waren, bildeten die Sammlun-
gen Minutoli und Passalacqua. Die Ergebnisse der
Expeditionen von Reinhold Lepsius und der Ausgrabun-
gen der Deutschen Orientgesellschaft, z. B. in Amarna,
dazu die großen Bestände ägyptischer, aramäischer,
griechischer Papyri haben die Abteilung zum Rang
eiues großen europäischen Museums erhoben.

In die Aegyptische und in die Autiken-Abteilung
waren Stiicke vorderasiatischer Herkunft versprengt.
Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte Bunsen
schon den Ankauf assyrischer Reliefs in London durch-
gesetzt. Die deutschen Grabungen in Babylon, Assur,
Sendschirli, Dimrud, Warka, Tell Halaaf brachten eine
reiche Ausbeute an Plastiken, Architekturstücken,
Keramiken und Keilschriften. Durch Zusammenfassung

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