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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 12./​13.1930/​31

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1./2. Novemberheft
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https://doi.org/10.11588/diglit.26236#0108

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vierte der berühmten Davidstatuen. Der David Donatellos und
Verrocchios stelit als Sieger ruhend über dem Haupte des Riesen,
der iDavid Michelangelos greift in verhaltener Erregung nacli dem
Stein; der David Berninis aber in heftiger Drehung des ganzen
Körpers mit zornig-verbissenem Antlitz wird im nächsten Augen-
blick den Stein gegen den Eeind schleudernd. Schon in diesen
Frühwerken ist Berninis Beherrschung von Material und Technik
vollendet und aufs äußerste auf Wirkung bedacht. 1624 erregt
die Gruppe „Apoll und Daphne“ einen Sturm von Begeisterung in
Rom. 1629 wurde Bernini an den Bau von St. Peter berufen,
dessen Leitung er trotz widriger Zwischenfälle, wie der Einsturz
seiner Türme an der Fassade Madernas infolge Terrainsenkung,
die Neider ihm zu Schaden auslegten, bis 1669 behielt. Nun ent-
stand als Erstes das „Tabernakel“ iiber dem Grabe St. Petri,
es entstand das Grabmal der Markgräfin Mathildis von 'Foskana,
Urbans VIII., und viel später das Grabmal Alexanders VII., aile
im Dome. Das zweite große Werk im Innern der Kirche ist die
Kathedraumschließung und außen die herrlichen Kolonnaden. In
den Jahren zwischen 1663 und 1666 vollendet er die Scala Regia,
die gleich den Kolonnaden ein Musterbeispiel raffinierter Perspek-
tive ist. Unabsehbar die Reihe seiner Werke, ihre Bedeutung fiir
das barocke Rom, ihr Einfluß auf die Barockkunst überhaupt.
Weniger bekannt ist er als Maler, da sich außer Entwürfen keine
Gemälde erhalten haben. Dagegen kennen wir Stiche von Fest-
dekorationen und Theaterausstattungen, die er für geistliche Spiele
und weltliche Komödien zu liefern liatte und am berühmtesten
wurde die Scheinarchitektur, die er zum Einzug der Königin
Christine von Schweden an der Porta del Popolo errichtete. Die
bekannten Theaterarchitekten des Barock wie Burnacini, Galli-
Bibiena sind stark von ilnn abhängig, wie seine Kunst ja nicht nur
auf diesem direkten Wege, sondern auch verbreitet durch Stiche
schon zu seiner Zeit weit über die Grenzen Italiens hinaus ihre
Wirkung iibte.

D. L.

JHeuc Kunffbücbcc-

Heinrich Feurstein, M a 11 h i a s Grünewald. Verlag
der Buchgemeinde, Bonn a. Rh. 1930. 160 Seiten,

87 Abbildungen, 3 farbige Tafeln.

Die in den letzten 1E> Jahrzehnten bis hcutc geradezu
lawinenartig angeschwollene Literatur tiber Grünewald läßt eine
neue Gesamtdarstellung seines Werkes in kluger Auseinander-
setzung mit den wesentlichen Ergebnissen dringend erforderlich
erscheinen. Diesem Bedürfnis in knapper Uebersicht zu entsprechen,
ist Feurstein bestrebt.

In geschickter Gliederung „Lebenslauf, Charakteristik, Stil-
analogien, Stoffkreis, Chronologie, Werk“ nimmt der Verfasser zu
den zahlreichen Problemen Stellung. Mit iiberzeugenden Argu-
menten hält er Gothart für den Familiennamen des Meisters und
sucht Nithart als Uebernamen glcichbedeutend mit „neidischer
Mensch“ zu erklären. Ebenfalls richtig weist er die Naumannsche
These des frühen angeblichen Selbstbildnisses energisch zurück
und gelangt vermutungsweise zu dcm Geburtsdatum 1475—1480,
das meines Erachtens noch mn cinige Jahre zurückverlegt werden
könnte. Aber warum fiihlt cr sich dann verpflichtet, das fragliche
Selbstbildnis zu reproduzieren, wo doch die Tafeln manche origi-
nale Arbeit vermissen lassen? Und warum weiter rafft er sich
nicht dazu auf, den nachweislich falschen Namen Grünewald im
Verlauf des Textes und fiir den Titel seines Buches fallen zu
lassen? Mir scheint, es wäre an der Zeit, nunmehr von Gotliart
zu sprechen, um diese wahre Benennung unseres größten Mcisters
neben Dürer endlich populiir zu machen.

Mancherlei läßt sicli des weiteren einwenden. Das Einmalige
von Gotharts Wesen ist selir schwer, fast unmöglich in fünf Druck-
seiten zu kennzeichnen. Geschieht es dennoch, läuft es auf
Schlagworte hinaus, die leider recht wenig besagen. Wolil ist
sodann im Kapitel „Stilverbundenheiten“ der längst bekannte Ein-
fluß Holbeins d. Ä. mit Recht betont, aber sehr fragwtirdig bleibt
die behauptete teilweise starke Abhängigkeit von Dürer und noch
unwahrscheinlicher die Beeindruckung durch Cranach, obschon ein
Zusammenhang mit der sächsischen Schule offenbar vorhanden
war, die aber eher im Verhältnis des Nehmens, denn des Gebens
zu Gothart gestanden haben dürfte. Auch befremdet es, die reli-
giöse Stoffwelt des Meisters sonderlicli aus der mystischen Ge-
dankenwelt der heiligen Birgitta von Schweden deuten zu wollen.
Feurstein wird hier ausführlich, als gelte es, eine Lieblingsthese
unter allen Umständen zu beweisen, und zitiert zahlreiche Stellen
der Birgittinischen Gedichte, oline mich überzeugen zu können.
So wird man sicli kaum dazu entschließen, in der kleinen knieenden
Maria des Isenheimer Altares ein vorzeitiges Wesen zu erkennen,
sondern möchte mit dem größten Teil der namhaften Forscher
diese Figur weiter als „Maria in der Erwartung“ ansehen.

Die zeitliche Anordnung der Arbeiten entspricht im großen
und ganzen der hergebrachten Auffassung, desgleichen befriedigt
die Ansetzung des Isenheimer Werkes in die Jahre 1513 bis 1515,
eine Datierung, die iibrigens Ziilch wahrscheinlich machte. Neue,

bisher unbekannte Werke vermag der Verfasser seinem umfang-
reichsten Kapitel „Die Gemälde“ nicht einzufügen. Jene kürzlich
im Wallraf-Richartz-Museum entdeckten zwei Bildnisse von Got-
harts Hand durfte Feurstein gewiß nicht der Oeffentlichkeit unter-
breiten, da wissenschaftliche Engherzigkeit heute mehr denn je das
Feld beherrscht. Das unter dem Vorgang von Metz fiir den Mei-
ster in Anspruch genommene Fresko im Kapitelsaal des Mainzer
Domes ist so schlecht erhalten, daß die Frage nach der Eigen-
händigkcit besser offen bliebe. Wie es denn auch vorsichtiger
wäre, die verschollene Verklärung Christi in der Frankfurter
Predigerkirche mit Vorbehalt als Fresko aufzufassen. Sandrart
spricht von Wasserfarben. Es kann sich daher ebensogut, ja mir
wahrscheinlicher, um ein Leinwandbild gehandelt haben.

Trotz aller Bedenken im Einzelnen, die sich vermehren ließen,
und trotz der reclit mäßig geratenen Abbildungen, bleibt die rasche
Oiientierungsmöglichkeit durch die gedrängte Zusammenfassung
des wichtigsten Materiales besonders für den Laien erfreulich. Der
Gelehrte hingegen muß ob aller vorliegenden Biographien dem
Wunsche Ausdruck geben: Es möge H. A. Schmid, dem Altmeister
der Griinewald-Forschung, ein würdiger Nachfolger erwachsen.
Scin 1911 erschienenes, grundlegendes Werk ist längsc vergriffen,
naturgemäß veraltet, in vielen Punkten revidierbar. Ein umfassen-
des, von tiefer Verantwortung getragenes opus über Gothart könntc
ein neues wünschenswerte Ehrenmal der deutschen Wissenschaft
und dcs deutschen Volkes werden.

K u r t Steinbart.

Das „Berliner Tageblatt“ nerint
den „Kunstwanderer“ die „auch im weiten Aus- j
land anerkannte Sammler - Zeitschrift.“

Redaktionsschluß für das 1.12. Dezemberheft 30. November.-Redaktionsschluß für das 1.12. Januarheft 1931 29. Dezember.

Herausgeber u. verantw. Leiter: Adolph Donath, Berlin-Schöneberg. / Verlag: „Der Kunstwanderer“, G. m. b. H., Berlin-Schöneberg.
Redaktion: Berlin-Schöneberg, Hauptstraße 107. — Druck: Pflaume «5c Roth, Berlin SW 68.

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