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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 10.1896-1897

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Heft 9
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11731#0148

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wiegt dic echte Empsindung, nnd die F-vrin ist seit der
crsten Snminlnng reiner und geschlossencr geworden.
Anch in diesem Bnndc findcn sich Zeitgcdichte und -Epi-
grnmnie, die nber gcgen die dcs crsten gleichfnlls einen
Fortschritt bedeuten. A- B.

Gedichte von Knrl v. A r n s iv n l d t. < Gvttingen,
Lüder Horstmnnn.)

Arnsivnldt, dcn ich schon bci der Besprcchuug dcs
Göttinger Muscnalmnnnchs erivähnt hnbe, ist cin bcreits
stnrk eutivickeltes Forintalent, das nber cigenen Gehalr
uoch nicht haben knnn. Scine größtenteils crotischen Ge-
dichte erheben sich knuin je über das Hergebrnchte. Doch
bemerkt mnn neben eincr gennssen zierlichen, nrchaistischcn
Schulmanier, die sich in Madrigalen und Drioletten er-
geht und ctiva uon Otto Julius Bierbnum herzulciten
ivnrc, doch das Bestreben, Empsindungen eiufnch zu geben,
und hin und wieder gelingt schon ein Nnturbitd wie dns
folgende, „Mittagsschwüle":

Die Wiesenteiche liegen
Jn tiefer Mittngsruh,

Nur wilde Euten sliegen
Und Kibitze nb und zu.

Es klingt wie ein Schrei mn Hilse
Her über die Wasserbnhn
Und in dem dichten Schilse
Hockt brütend der alte Pnn.

Der nltc Pnn ist natürlich konventionell und hier gnr
noch nls Pointc gebrnucht, nbcr mnn wird dein Gedicht
cine gewisse wünschensiverte Stiininungs-Konzeutrntion
nicht nbstreiten. Vielleicht sprechen wir uns noch einmal
wicdcr über Arnswaldt — diese Saminlung ist jedcnfnlls
verfrüht. A. L.

Gedichte von Theodor R e n n e b e r g. Zweite
Auslngc. tTcutschcnthnl in Mnnsfeld, Selbstverlng des
Bersassers. Mk. 1.)

Theodor Renncbcrg bedeutet ein sehwerlich umfnng-
reiches, nbcr doch echtes lprisches Talent. Es hnt etwas
Rührendes, Einfaches, nllem literarischen Treiben welten-
sern um eine bescheidene Anerkennung ringen zu sehen,
und so dnrs ich vielleicht durch Mitteilung eincr Probe
nn dieser Stcllc nuf dns Bändchen aufmerksnm mnchen:

I m Hcimntgr u n d.

Wob des Frühlings Goldgefunkel
Znubrisch dort im Frühlingshnin,

Nebeldust und Schnttendnnkel
Hüllt ihn nun in Trnuer cin.

tzimmelsgütc perlte lcuchtcnd
Glück in mciner Jugend Lnnd;

Not, niein Auge still befeuchtend,

Streift mich nun mit dunkler Hnnd. .

Herz, und willst du fernwärts streben,

Wähnst, dich küs;t des Lichtgotts Mund:

Wie den Hnin, hält dich das Leben
Allzustnrk im tzeimntgrund.

Fch sindc noch bessere Gedichte als dieses, dns nicht
gnnz rein ist, in der Sammlung, aber dieses ist chn-
rakteristisch sür die Grundstimmung des Dichters.

A. B.

I>ic Bilduugsinüden. Romnn von Oskar Ntpsing.
jOtto Mora). (Berlin, Berein sür sreies Schrifttum).

Es geschieht nicht sclten, dnß der Romnn nus der
Gegenwnrt über dem Bestreben, die moderne Gesellschaft
allseitig, typisch zu spiegeln, ein geradezu phnntastisches

Gepräge bekommt. Der modcrne Dichter sieht sich außcr
stnnde, dns in unendlich vielen Richtungen nuseinander-
gehende Leben zwnnglos zu einem wnhren Kunstwerke zu
konzentrieren; so trngt er eine bestimmte Jdee in das
Leben hinein, oft gar eine fixe Jdee, unter deren Zwnng
nun seine Phantnsie arbeitet, bis ein nbgerundetes Bild
erscheint; dieses Bild ist dann nber nicht mehr die wieder-
gespiegeltc Wirklichkeit, sondern eine Phantasmngorie, oft
selbst eine Fratze. So ist dieser Roman von Oskar
Mysing, der im modernen Berlin spielt, nichts weniger
als ein Berliner Roman im gewöhnlichen Stil. Mögen
immerhin die Grundzüge der meisten Chnraktere nach dem
Leben, die Einzelheiten der Schilderung vielsach der Wirk-
lichkeit entnommen sein, mag selbst die Jdee, daß unsere
Dekadence in der Hauptsache nuf Bildungsmüdigkeit be-
ruht, nicht ohne weiteres von der Hand zu wcisen sein,
das Ganze ergibt doch kein Bild der Gegcnwnrt, wohl
aber eine etwas verzerrte, die schwülste Stimmnng mit
sich bringende Phantasie über die Gegenwart und ihre
Menschen. Da ist der Annrchist Livns, der sozusngen dic
Füden des Romans in der tzand hnt, da Heinz Niclsen,
der brutale Streber, da Frnu Etelka, seine Geliebte, eine
Vampyrnntur, da der träumerische Gelehrte Edgnr Lnn-
dcrs — sie alle sind psychologisch nicht unmöglich, nber
dns grelle Tageslicht vertragen sie doeh nicht recht, und
Mysing braucht denn nuch einen Arbciternufstnnd in Berlin,
um sie ihrem Schicksnl zuzuführen. Unrecht wäre es,
diescn Romnn rein nls Sensationsprodukt nnzusehcn, er
ist ohne Zweisel das Ergebnis dichterischer Phantnsie,
freilich einer überreizten, die gelegentlich auch versngt.
Dic Lücken wcrden dnnn durch nüchterne Annlysen nus-
gcsüllt, wie die Lharnkteristik des Doktors Livns <S. 87
bis 90) eine ist, und gelegentlich mncht sich auch die Tri-
vinlität breit. Jmmcrhin ist dns Gesnmtergebnis ein
intercssantes Werk, das zur Charnkteristik unserer Zeit
jpnssiv) beiträgt, wenn es nuch selbst die Zeit nieht (nktiv)
charakterisicrt. — Gelegentlich finden sich Dummhciten,
wie sie leider bei den meisten unserer jüngeren Dichtcr
vorkommen, die wenig Zeit haben, etwas sür ihre Bildung
zu thun; so siguriert der selige Franz Abt cinmal mit
Schumnnn und Bcethoven nls klnssische Musik. —

Adolf Bnrtcls.

Aus Tng und Traum. Neue Gedichte von Lud-
wig I n k o b o w s k i. (Berlin, S. Calvnry dl Co.)

Dicse Gcdichte sind Knrl Busse gewidmet, Znkobowski
crinnert auch der Art seincs Tnlentes nach an diesen nicht
etwn bedcutendsten, aber dafür beliebtesten unserer mo-
derncn Lyriker, der „die Schünheit wieder nuf den Schild
erhobcn" hat, nber, wic mich bedünkcn will, nuch sehr
rasch konventionell geworden ist. Liest mnn die gnnze
Snmmlung Jaeobowskis, so erhält man den Eindruck
großer Monotonie, wns zum Teil durch ihren hnuptsäch-
lich erotischen Chnrakter („Junge Liebe", „Mnrthn", „Ein
Zyklus", „Elsriede", „Lieder an eine junge Frnu") bedingt
ist. Jm nllgemeinen hnben nber alle modernen lyrischen
Snmmlungen etwns Monotones — die Ursache möchte
ich einerseits in der stnrkcn Äleigung zum Atnlerischen, das
dns Elementnr-Lyrische viclfnch erdrückt, nndererseits indem
um jeden Preis Modernseinwollen sinden, dns zwnr noeh
die Erhaltung einer dichterischen Gesnmtphysiognomie,
nber nicht der Physiognomie des einzelnen Gedichtes cr-
laubt. Wnhrheit der Empfindung und das Streben nnch
lyrischer Rundung wird mnn Jacobowski nicht nbsprechcn
 
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