KUerkAnä jVIusikaiien. 2.
Seit ich das letzie Mal unter dieser Flagge aufs kritische Meer fuhr,
hat sich wieder eine ganz ansehnliche Ladung Waren aus verschiedener Hcrren
Ländern angestapelt. die auf den allgemeinen Musikmarkt verfrachtet sein wollen.
Und auch diesmal könnte man mit der Fracht ein überbunies Thcater aus-
staffieren, so verschieden sind die Gaben.
Jch packe zuerft einen sehr gangbaren Artikel aus: neue Männer-
chöre. Manche Firmen sehen freilich nicht gern, wenn ich in dieser Branche
reisc, sie haben mich merken lassen, das; ich ihnen mit meinem letzten Bericht
(Kw. XV, das Geschäft zu verderben begonnen hätte. Andern Lcuten freilich
war's recht, daß einmal die billigen Massenartikel der Ramschbazare, die mit
Männertönen handeln, beim rechten Namen genannt worden sind. Es ging
jä eben, wie neulich jemand sagte, bisher der Kunst und dem Männerchor-
wescn gar zu oft umgekehrt wie den beiden Königskindern: Sie konnten zu-
sammcn nicht kommen, das Wasssr war viel zu —- seicht.
Aber schon neulich konnten wir als rettende Geister in diesem Elende
neben Hegar und Thuille Männer wie Strauß und d'Albert begrüßen. Als
wciterer Förderer der Kunst hat sich diesen jüngst angeschlossen Siegmund
von Hausegger. Seine beidenMännerchöre mit Orchester (Schmied Schmerz
und Neuweinlied, erschienen bei Ries L Erler in Berlin) habcn für die sehr
spürliche Litteratur kurzer Chorwerke mit Orchcstcr darum so grotzen Wert,
weil sich Form und Jnhalt völlig decken, weil sie innerlich wahr und äutzerlich
geschmackvoll sind. Man mutz nur einmal den gangbaren Klingklang und
Singsang daneben halten, den unsere beliebten Münnerchorkomponisten grötzeren
Kälibers, die sich aus ihre Beherrschung aller Tonformen was zu gute thun,
dcm Publikum zu bieten wagten, um zu verstehen, was solche Stücke wie die
von Hausegger für geschmackbildende Kraft haben. Dabei sind die Chöre gar
nicht schwer und außerordentlich dankbar. Mögen sie darum dem jungen
Künstler auch als Komponisten eine edle Volkstümlichkeit verschaffcn!
Noch einfacher, ganz offenbar mit Absicht dem Volkston genähcrt sind
vicr Männerchöre mit Orchester, die Arnold Mendelssohn ebcnfalls bei
RieS L Erler hat erscheinen lassen. Konnte ich schon in dem erwähnten Auf-
satz (Äw. XV, 4) seinen „Schneider in dcr Hölle" (Leipzig, Rob. Forberg) als
ein humoristisches Stück bester Art rühmen, so muß man diesen neuen Chören
nachsagen, daß sie den Volkston in einer Weise treffen, wie es bloß einem
echten Künstler möglich ist. Es wird zwar ästhetische Feinfühler geben, deren
Astralgeschmack mit einem ü ckouo seinem Bedauern darüber Ausdruck gibt,
daß der Komponist des „Nachtliedcs Zarathustras" sich an solchc Trivialitäten
weggeworsen hat. Uns bewcist er dadurch, daß er beides echt künstlcrisch dar-
geslellr hat, seine kernige, gesunde Kraft. Die vier Männcrchörc können dcn
kleinstcn und grötzten deutschen Männergesangvereinen gleiche Ehre einbringen.
Jhre leicht eingängliche Melodik sichert ihnen die begeisterte Aufnahme, die
schon ihre Texte veranlassen müssen. Und wenn auch beim ersten Lied nicht
reinkünstlerische Jnteressen die Massen fortreitzen werden, so lätzt sich ja bei
Männerchören verzeihen, was mir, als ich das Lied einmal in einem Lieder-
abend von vr. Wüllner gesungen hörte, recht bedenklich erschien. Jch möchte
wohl wissen, ob Nr. ö beim Breitkopfschen Preisausschreiben um ein deutsches
Flottenlied konkurriert hat. Es wäre dann sehr charakteristisch, daß gerade
dicses Lied mit seinem prächtigen Schlutzrefrain keinen Prcis erhalten hat. Die
2. Axrilheft ty02
Seit ich das letzie Mal unter dieser Flagge aufs kritische Meer fuhr,
hat sich wieder eine ganz ansehnliche Ladung Waren aus verschiedener Hcrren
Ländern angestapelt. die auf den allgemeinen Musikmarkt verfrachtet sein wollen.
Und auch diesmal könnte man mit der Fracht ein überbunies Thcater aus-
staffieren, so verschieden sind die Gaben.
Jch packe zuerft einen sehr gangbaren Artikel aus: neue Männer-
chöre. Manche Firmen sehen freilich nicht gern, wenn ich in dieser Branche
reisc, sie haben mich merken lassen, das; ich ihnen mit meinem letzten Bericht
(Kw. XV, das Geschäft zu verderben begonnen hätte. Andern Lcuten freilich
war's recht, daß einmal die billigen Massenartikel der Ramschbazare, die mit
Männertönen handeln, beim rechten Namen genannt worden sind. Es ging
jä eben, wie neulich jemand sagte, bisher der Kunst und dem Männerchor-
wescn gar zu oft umgekehrt wie den beiden Königskindern: Sie konnten zu-
sammcn nicht kommen, das Wasssr war viel zu —- seicht.
Aber schon neulich konnten wir als rettende Geister in diesem Elende
neben Hegar und Thuille Männer wie Strauß und d'Albert begrüßen. Als
wciterer Förderer der Kunst hat sich diesen jüngst angeschlossen Siegmund
von Hausegger. Seine beidenMännerchöre mit Orchester (Schmied Schmerz
und Neuweinlied, erschienen bei Ries L Erler in Berlin) habcn für die sehr
spürliche Litteratur kurzer Chorwerke mit Orchcstcr darum so grotzen Wert,
weil sich Form und Jnhalt völlig decken, weil sie innerlich wahr und äutzerlich
geschmackvoll sind. Man mutz nur einmal den gangbaren Klingklang und
Singsang daneben halten, den unsere beliebten Münnerchorkomponisten grötzeren
Kälibers, die sich aus ihre Beherrschung aller Tonformen was zu gute thun,
dcm Publikum zu bieten wagten, um zu verstehen, was solche Stücke wie die
von Hausegger für geschmackbildende Kraft haben. Dabei sind die Chöre gar
nicht schwer und außerordentlich dankbar. Mögen sie darum dem jungen
Künstler auch als Komponisten eine edle Volkstümlichkeit verschaffcn!
Noch einfacher, ganz offenbar mit Absicht dem Volkston genähcrt sind
vicr Männerchöre mit Orchester, die Arnold Mendelssohn ebcnfalls bei
RieS L Erler hat erscheinen lassen. Konnte ich schon in dem erwähnten Auf-
satz (Äw. XV, 4) seinen „Schneider in dcr Hölle" (Leipzig, Rob. Forberg) als
ein humoristisches Stück bester Art rühmen, so muß man diesen neuen Chören
nachsagen, daß sie den Volkston in einer Weise treffen, wie es bloß einem
echten Künstler möglich ist. Es wird zwar ästhetische Feinfühler geben, deren
Astralgeschmack mit einem ü ckouo seinem Bedauern darüber Ausdruck gibt,
daß der Komponist des „Nachtliedcs Zarathustras" sich an solchc Trivialitäten
weggeworsen hat. Uns bewcist er dadurch, daß er beides echt künstlcrisch dar-
geslellr hat, seine kernige, gesunde Kraft. Die vier Männcrchörc können dcn
kleinstcn und grötzten deutschen Männergesangvereinen gleiche Ehre einbringen.
Jhre leicht eingängliche Melodik sichert ihnen die begeisterte Aufnahme, die
schon ihre Texte veranlassen müssen. Und wenn auch beim ersten Lied nicht
reinkünstlerische Jnteressen die Massen fortreitzen werden, so lätzt sich ja bei
Männerchören verzeihen, was mir, als ich das Lied einmal in einem Lieder-
abend von vr. Wüllner gesungen hörte, recht bedenklich erschien. Jch möchte
wohl wissen, ob Nr. ö beim Breitkopfschen Preisausschreiben um ein deutsches
Flottenlied konkurriert hat. Es wäre dann sehr charakteristisch, daß gerade
dicses Lied mit seinem prächtigen Schlutzrefrain keinen Prcis erhalten hat. Die
2. Axrilheft ty02