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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 2.1913/​1914

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Heft 6
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Fleischer, Victor: Im Krug zum grünen Kranze, [2]: humoristischer Roman
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https://doi.org/10.11588/diglit.66819#0284

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„Bravo!“ riefen ein paar.
wir!“

„Ich hab' g'wußt, es fehlt mir was,“
brummte Gluckhenn. „No ja, mein' Segen
habt's Ihr!“

Doktor Valentin ſetzte ſich ſofort hin-
über zu den Herren, die ihm vorhin zu-
geſtimmt hatten, und begann mit einem
Eifer ſeinen Vorſchlag zu erläutern, daß
Lorenz ganz erſtaunt zuſchaute, wie die ſen-
timentalen Augen ſeines Zimmernachbarn
jetzt zu leuchten anfingen vor Begeiſterung.
Es entſtand eine lebhafte Debatte da drü-
ben am Tiſchende, aber man war doch
bald einig. Die meiſten Herren erklärten
ſich bereit, dem neuen Verein beizutreten
und Mitglieder zu werben. Über den Be-
griff Beamter wurde noch eine Weile hin-
und hergeredet. Die jungen Doktoren,
die dem Advokatenſtand angehörten, wei-
gerten ſich erſt mitzutun. Sie ſeien keine
Beamten.

„In gewiſſem Sinne doch,“ ſagte Valen-
tin, und überhaupt ſo genau brauche man
das nicht zu nehmen. Nach einigem Zögern
fügten ſich die andern. Einer verlangte, daß
eine Reihe moderner Zeitſchriften beſtellt
und hier im „Krug zum grünen Kranz“,
der als Vereinslokal auserſehen war, auf-
gelegt werden ſollten. Der Finanzkonzipiſt
wollte regelmäßige Kegelabende einführen,
ein dritter Vorträge veranſtalten.

„Sie tun doch auch mit?“ wandte ſich
Valentin jetzt an Lorenz.

„Kommt mir heute ſchon nicht mehr auf
einen Verein mehr oder weniger an,“ ſagte
der, griff lachend in die Taſche und legte
eine Anzahl bunter Karten auf den Tiſch
hin. „Alles ſeit elf Uhr geſammelt. Bitte:
Mitgliedskarte des Theater⸗ und Muſik-
vereins — verdanke ich dem Herrn Bürger-
meiſter, Mitgliedskarte des Vereins der
Naturfreunde — vom Kollegen Richter,
Mitgliedskarte des Deutſchen Turnvereins
— vom Kollegen Habicht, Mitgliedskarte
der Scheibenſchützengeſellſchaft .. . Mit-
gliedskarte des Vereins „Volkswohl ...
faſt jeder der Herren, die ich heute beſucht
17 hat mich für einen Verein angewor-
ben!“

„Bilden Sie ſich nur nicht ein, lieber
Freund, daß das ſchon alle ſind!“ Gluck-
henn rollte ſeine Serviette zuſammen. „Das
iſt erſt der Anfang, da kommen ſchon noch

„Machen

ein paar dazu. Und die Hauptſach',“ ſetzte
er zu Lorenz gewandt halblaut fort, „die
Hauptſach' iſt bei faſt allen das Saufen...“

Ein paar von den Herren ſtanden auf,
um eine Partie Billard zu ſpielen. Der
Oberleutnant ſchaute ihnen zu, und wie
abends beim Kartenſpiel, ſo redete er
auch jetzt wieder drein: „Vom Roten müſ-
ſen Sie den ſpielen, Herr Doktor. ſo
mehr Fälſche hätten Sie nehmen müſſen .
Sie ſtellen dem Herrn Konzipiſten lauter
Sitzer auf ... Hopla ... Seien Sie froh,
daß Sie kein Loch ins Tuch geſtoßen haben.
Bravo! Das war einmal geſpielt! ...“
So ging's fortwährend.

Lorenz verabſchiedete ſich bald, um aus
dem Hotel in die neue Wohnung zu über-
ſiedeln. Gluckhenn ſchloß ſich ihm an.
„Wiſſen Sie,“ ſagte er draußen, „die da
drinnen, das ſind eigentlich die ärgſten
Philiſter. No ja, die andern, die Kauf-
leute und ſo die Geſellſchaft hier, die
ſind wenigſtens in ihrem Element, wenn
ſie ſich nur um die allergewöhnlichſten
Tagesereigniſſe kümmern. Damit hängt
ja ihre Exiſtenz zuſammen, daß ſie ſich
fortwährend mit ihrer Umgebung beſchäf-
tigen, nicht? Aber die da, Leut' mit der
ſogenannten akademiſchen Bildung, die
zufrieden ſind, daß ſie ihr kleines Platzl
an der Staatskrippe gefunden haben
Brrrx !- ;

Lorenz begleitete ihn bis zum Haustor
und blieb jetzt ſtehen. „Sie ſind doch wohl
ein bißchen ungerecht. Haben Sie nicht
gehört? Der eine will Zeitſchriften abon-
nieren für das neue Beamtenkaſino, der
andere Vorträge halten ...“

„Hohl —, alles hohl, mein Lieber.“
Gluckhenn machte eine Bewegung, als
werfe er etwas weg. „No ja .. ſolcher
Figuren werden Sie ſchon noch mehr fin-
den . .. Sogar einen Moniſten haben wir
dabei gehabt. Der eine macht ſich inter-
eſſant, der andere macht ſich wichtig. Ernſt
iſt es keinem mit den Sachen.“

„Du lieber Gott, was ſoll man denn
nur anfangen? Muß man nicht ſchließ-
lich auch ſo werden wie die?“

„Weiß nicht. Regeln gibt's da, denk'
ich, keine. No ja, ich für mein Teil, hab'
ja das Mittel gefunden: ich tu' mit —
bis zu einem gewiſſen Grad, und dann
möglichſt fernhalten von der ganzen Sipp-
 
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