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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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1. Heft
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Forrer, Robert: Zur Altersfrage der "Büchse von Sant Orsola-Arco"
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0044

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24

R. FORRER, ZUR ALTERSFRAGE DER BÜCHSE VON SANT ORSOLA-ARCO

VI BAND

l 54
Fig.ä
1 ? 4
Fig. b

e

Die Jahrzahl 1546 wie sie
auf dem Stofsmörser be-
absichtigt war und

die Jahrzahl „1746“, wiesie
infolge falscher Gravier-
ung im Gusse herauskam.

1 Sil
Fig- c

Die Jahrzahl 1522 wie sie auf der
Büchse von Arco beabsichtigt
war und

13 ZZ
Fig.d

die Jahrzahl „1322“, wie sie infolge
falscher Stellung des Querstriches
im Gusse herauskam.

Im Originalgufs hat übrigens die 3 zweifellos
nicht so modern ausgesehen, wie es uns das Bild
Angeluccis widergibt. Sicher war sie, wie auch
die beiden 2, den um 1522 üblichen kursiven
Ziffern besser angepafst (vgl. Beispiel Fig c), und
hat, wie auch Jacobs richtig vermutet, nur der
Kopist (Angelucci) die Ziffern ungenau
kopiert, sie unter Anlehnung an die im
19. Jahrhundert üblichen modernisiert.
Der gleiche Vorgang vollzieht sich noch heute;
wer nicht sehr an das Schreiben alter Ziffern ge-
wöhnt ist, kopiert sie so, dafs man deutlich die
neue Hand, die neue Zeit herausmerkt.
Angelucci hat sich also verlesen, eine vom
Giefser resp. Modelleur verschriebene Ziffer statt
für eine 5 für eine 3, also 1322 statt 1522 gelesen
und damit für sein Opus, die „Documenti inediti“
einen „cloü“ gewonnen, der ihm sonst entgangen
wäre.
Also nicht 1322, sondern 1522 hat die Jahres-
zahl gelautet und mit dieser Lösung der Frage
klären sich auch sofort alle übrigen Widersprüche.
Gerade in dieser Zeit wird die Anbringung von
Jahreszahlen auf Geschützen, Stampfmörsern etc.
etc. allgemein üblich; gerade in dieser Zeit werden
arabische Ziffern allgemein. In eben diese Zeit
passen der Blätterschmuck der Bronzebüchse und
die über der Jahreszahl angebrachten Buchstaben,
passt vor allem auch die Form des Rohres, die
Verstärkung der Wandung nach hinten, die Ver-
jüngung nach vorn und auch die Profilierung der
Mündung. Nur ist es kein Handfeuerrohr im
mittelalterlichen Sinne, sondern ein kleiner Mörser,
der, zwar nett und interessant, aber bedeutungs-
los geworden ist für die Frühgeschichte
der Feuerwaffen, in der er so lange zu Un-
recht sich breit gemacht hat.
Wenn ich sage, dafs es sich um einen kleinen
„Mörser“ handelt, so will ich damit noch nicht
einmal gesagt haben, dafs das Rohr zu wirk-

lichem Kriegsgebrauch bestimmt war. Viel eher
denke ich an ein kleines Mörsermodell, wie
gerade ja das 16. Jahrhundert sie in grossen Mengen
angefertigt hat: Bald als Spielzeug reicher Kinder,
bald als in den Mafsen reduzierte Vorbilder für
gröfsere Geschütze, bald endlich als für Lehr-
und Studienzwecke bestimmte Modelle. Sie
konnten als solche zwar zum Schiefsen verwendet
werden, waren aber zunächst nicht dazu be-
stimmt. Beim Mörser von Arco geht das ganz
speziell noch daraus hervor, dafs seine Oberfläche
in der ganzen Länge mit Reliefwerk bedeckt ist,
und derart für eine Befestigung im Schafte
mit den im 14. Jahrhundert üblichen Eisen-
bändern der Platz völlig mangelte. Auf
diesen Umstand ist von den bisherigen Autoren
noch keine Rücksicht genommen worden, ob-
wohl doch die Schäftungsmögiichkeit bei einem
so kleinen Rohre, wenn dieses zum Schiefsge-
brauch bestimmt war, in erster Linie in Frage
kommen mufste. Studiert man die Feuerrohre
des 14. Jahrhunderts, so wird man stets Rück-
sichtnahme auf die das Rohr mit dem Schaft
verbindenden Eisenbänder linden. Allein schon
das Fehlen dieser Rücksichtnahme hätte zu
Zweifeln führen müssen, ob das Rohr überhaupt
als Plandfeuerrohr bestimmt war. Aus demselben
Grunde ist meines Erachtens das Rohr von Arco
auch gar nie, also auch nicht 1522, zu wirklichem
Gebrauche bestimmt gewesen, sondern es war
lediglich das Rohrmodell für einen grofsen
Mörser, der in seiner wirklichen Ausführung
dann seitliche Zapfen erhielt.
Nachdem nun Zeit und Art der „Büchse von
Arco“ genauer festgestellt sind, wird es einem in
der italienischen Geschichte bewanderten Forscher
auch vielleicht gelingen, festzustellen, wem die
auf dem Mörser angebrachten Buchstaben P P P F
und das darüber angebrachte Kreuzwappen zu-
zuschreiben sind. Die Initialen können die des
Bestellers sein; noch eher denke ich an eine Sig-
natur des Verfertigers, pflegten doch die Bronze-
giefser mit Vorliebe und an hervorragender Stelle
ihre Namen auf Geschützen, Glocken und Stampf-
mörsern anzubringen. Die zwei ersten P dürften
als Pietro Paolo zu deuten sein, das dritte P den
Namen des Giessers repräsentieren und das F
für Fecit stehen.
So hat sich die „Büchse von Arco“ zwar als
echt, aber nicht als eine Schusswaffe von 1322,
sondern als ein Geschützmodell von 1322 erwüesen;
daran darf wohl ein für allemal festgehalten
werden.
 
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