Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

DOI Heft:
4. Heft
DOI Artikel:
Gessler, Eduard Achilles: Waffengeschichtliche Studien aus der Schweiz
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0140

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
120

HERM. BOENISCH, WAFFENGESCHICHTLICHE STUDIEN AUS DER SCHWEIZ

VI. BAND

Waffengeschichtliche Studien aus der Schweiz
Von Dr. phil. E. A. Geßler, Zürich

i. Die Kriegsausrüstung eines Baslers von 1370
Ein Beitrag zur Entwicklung der Schutzwaffen
im 14. Jahrhundert
Im Anzeiger für schweizerische Alter-
tumskunde (1908, N. F. X, p. 169), unterzeichnet
A. B. (Dr. August Burckhardt), fand der Ver-
fasser dieser Zeilen folgende Notiz, die für die
Kenntnis der Waffenkunde des ausgehenden
14. Jahrhunderts einen wertvollen Beleg liefern
dürfte:
„Im Jahre 1370 ,feria tercia proxima post
domenicam, qua in ecclesia cantabitur exaudi*
(= 28. Mai) errichtete zu Barfüfsern in Basel
,Hugo zem Tracken alias dictus Schakaburlin1
sein Testament. Aus den verschiedenen Be-
stimmungen desselben interessiert uns hier nur
die letzte, seine Vergabung an die Basler Münster-
fabrik; während nämlich alle seine übrigen
Legate ausschliefslich in Geldgeschenken oder
Zinsen bestehen, vermacht er dieser seine ge-
samte Kriegsausrüstung unter Aufzählung der
einzelnen Stücke. Der betreffende Passus lautet
in einem Gemisch von Lateinisch und Deutsch
wörtlich folgendermafsen: ,Item legavit et dari
mandavit fabrice ecclesie basiliensis unam nutram
cum uno behenk et goler, item pancerum suum.
dann das Flachpancer, item ein Kesselhut, item
unum g-ladium cum signo Galey, item Optimum
pallium cum tuni'ca et capucio.1 (Vergl. Basler
Staatsarchiv, Barfüfserurk. Nr. 61.) Unklar ist
die Bedeutung von nutra, sowie diejenige des
Signums , Galey1; vielleicht dafs einer der Leser
über dieselben Auskunft zu geben vermag. Über
die Persönlichkeit des Testators ist folgendes
bekannt: es ist derselbe der erste sichere Ahn-
herr des später zu grofsem Ansehen gekommenen
Geschlechtes der Zscheggenbürlin, das dann
aber schon 1536 nach blofs fünf Generationen
in der Person des letzten Basler Karthäuser-
priors Hieronimus Z. wieder ausstarb. Hug zem
Tracken selbst (genann t x 3 3 6—1370) war , Wechsler‘
und gehörte dem Rate in den Jahren 1358, 1360
und 1368 als Achtburger an . . .“
In diesem Testament, das für Basel das
älteste Zeugnis der kriegerischen Ausrüstung
eines Bürgers darstellt, sind die einzelnen Teile
der Bewaffnung nicht näher erklärt, obwohl sie
äufserst wichtige Belege für die Kriegstracht
jener Zeit bilden; es lohnt sich deshalb schon,
die Ausführungen im Anzeiger für schweizerische

Altertumskunde an dieser Stelle zu erweitern,
näher darauf einzugehen und im Anschlufs an
dieses Dokument einen Blick auf die Entstehung
des Plattenharnischs im 14. Jahrhundert zu werfen.
Der Testator Hug zem Tracken, so benannt
nach seinem Wohnhaus, ursprünglich in der
Freienstrafse (Nr. 37), im Zentrum der .Stadt, und
dann nach der gleichnamigen Liegenschaft in
der Äschenvorstadt zu Basel, welch letzteres
Llaus (Nr. 22) den Namen noch heute erhalten
hat, allerdings im 16./17. Jahrhundert völlig um-
gebaut, stammte aus einer Ende des 13. Jahr-
hunderts nach Basel hergezogenen oberitalienischen
Familie. Um diese Zeit nämlich hatten sich ver-
schiedene italienische Kaufleute in der freien
Reichsstadt Basel als Geldwechsler und Bankiers
niedergelassen; das Volk nannte sie „Lamparter“
und bis ins 14. Jahrhundert hiefs eine Strafse in
der inneren Stadt Lampartergasse. Häusernamen
wie „zum grofsen und zum kleinen Mailand“
deuten noch heute auf den Ursprung der dort
wohnhaft gewesenen Lombarden. Dieser Hug
Schakaburlin (letzterer Name wahrscheinlich kor-
rumpiert aus Ceccopieri) vermachte also seine
Ausrüstung der „fabrice ecclesiae“ von Basel,
der Bauwerkstatt des Basler Münsters; dieses
war bei dem grofsen Erdbeben von 1356 zum
Teil zerstört worden und man arbeitete noch
um 1370 an der Wiederherstellung und dem
weitern Ausbau. Ein so wertvolles Geschenk wie
das obige konnte man wohl gebrauchen; es
waren folgende Stücke: eine „nutra“ mit einem
„behenk und goler“, ein „pancer“, ein „Flach-
pancer“, ein „Kesselhut“, ein Schwert, ein Mantel
mit Unterkleid und Kapuze, das Ganze also die
feldtüchtige Ausrüstung eines ratsfähigen Ge-
schlechterburgers. Der Spiefs fehlt, weil der
Wert eines solchen nicht bedeutend war, ebenso
wird ein Dolch nicht erwähnt, weil er zur völligen
Bewaffnung nicht unbedingt nötig war.
Fassen wir nun die einzelnen Stücke ins
Auge, so wird es auch hier nicht unumstöfslich
gelingen, die Bedeutung von „nutra“ fest-
zustellen. Auf alle Fälle gehören „unam nutram
cum uno behenk“ zusammen. In Du Canges
mittellateinischem Lexikon ist sub „nutra“ be-
merkt „nutra pro (frz.) neutre“. Nutra ist daher
gleichbedeutend mit neutrae res, od. substv. neutra
= griech. adiaphora, weder gute noch schlechte,
d. h. gleichgültige Dinge; aus diesem eig-entlich
 
Annotationen