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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

DOI Heft:
11. Heft
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Lenc, Ėduard Ėduardovič: Handgranaten oder Quecksilbergefäße?
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0387

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Handgranaten oder Quecksilbergefäfse?
Von E. Lenz

Im I. Bande dieser Zeitschrift, unter den Fach-
notizen auf S. 258, wurde ein im Graben der
Zitadelle von Damaskus gefundenes Tongefäfs
mit konisch zugespitztem Bodenstück (jetzt im
Berliner Zeughaus, Inventar-Nr. 00290) publiziert
und als irdene, von den Sarazenen im Kampfe
gegen die Kreuzfahrer verwandte Handgranate
angesprochen.
Die zahlreichen, in der kaiserlichen Eremitage
und anderen russischen, sowie auch ausländischen
Museen vorhandenen Exemplare derartiger „Hand-
granaten“ veranlafsten Schreiber dieser Zeilen, der
Frage nach der Bestimmung solcher Gefäfse näher
zu treten und die Resultate seiner Untersuchung
in einem im Jahre 1904 der Kaiserlich Russi-
schen Archäologischen Gesellschaft vorgetragenen
Referate niederzulegen. Unser geschätztes Mit-
glied des Vereins für historische Waffenkunde,
Major Meyer, hatte die Liebenswürdigkeit, im
III. Bande S. 303 dieser Zeitschrift der erwähnten
Arbeit eine kurze Besprechung zu widmen, doch
blieb diese Anzeige offenbar unbeachtet, denn in
dem VI. Bande derselben Zeitschrift wurde neuer-
dings von dem geschätzten Vereinsmitgliede Oberst
v.Kretschmar ein gleiches, aus Mehdined elFayum
in Mittelägypten stammendes Tongefäfs als„mittel-
alterliche Handgranate“ publiziert, ohne dafs der
Verfasser auf die Resultate der erwähnten Unter-
suchung Bezug genommen hätte.
Da bei der ungemeinen Häufigkeit solcher
Funde das Auftauchen weiterer Handgranaten un-
schwer vorauszusehen ist und deren Existenz von
der einzigen Fachzeitschrift stillschweigend sank-
Anmerkung der Schriftleitung: Fast an einem
und demselben Tage gingen mir die nachfolgenden beiden
Aufsätze zu, die eine in diesen Heften schon mehrfach be-
handelte Frage im entgegengesetzten Sinne zu lösen ver-
suchen. Da die Verfasser sich nach Kenntnisnahme der
jeweiligen gegnerischen Ansicht nicht veranlafst sahen, ihre
Stellung zu dem Problem zu ändern, so mufs es den Lesern
überlassen bleiben, sich aus der Zweiheit der Meinungen
selbst ein Urteil zu bilden. Die Gegenüberstellung der Be-
weise, wie sie zwei in ihrem Fach anerkannte Forscher
hier führen, ist für den Freund wissenschaftlicher Methodik
sicherlich nicht ohne Reiz. H.

tioniert wird, so mufs die fortgesetzt unangefoch-
tene Bestimmung solcher Tongefäfse als „Hand-
granaten“ allmählich Bürgerrecht erwerben und
einer durchaus irrtümlichen Ansicht über deren ur-
sprüngliche Verwendung eine feste Basis schaffen.
Diese Erwägungen veranlassen den Verfasser,
seine Untersuchung vom Jahre 1904, entsprechend
vervollständigt, hier zu veröffentlichen und auch
denjenigen Lesern zugänglich zu machen, die der
russischen Sprache nicht mächtig sind.
Die Frage nach der fast allerorten in moham-
medanischen Gebieten vorkommenden kleinenTon-
gefäfsen mit konisch zugespitztem Bodenstück ist
bereits mehrfach sowohl von westeuropäischen als
auch russischen Fachgelehrten behandelt worden,
doch gehen die Ansichten über diese rätselhaften
keramischen Produkte bis in die jüngste Zeit so
weit auseinander, dafs die Akten über den Fall
noch nicht als geschlossen angesehen werden kön-
nen. Wir mafsen uns nicht an, das letzte Wort
in der Angelegenheit sprechen zu können, glauben
aber bestimmt, durch sorgfältige Zusammenstellung
und kritische Sichtung des Materials nachweisen
zu können, in welcher Richtung die Lösung des
Rätsels zu suchen ist und welche Hypothesen als
haltlos fallen gelassen werden müssen.
Das Material der Gefäfse ist gebrannter, je
nach der Zusammensetzung verschiedenfarbiger
Ton: grauer von allen Schattierungen, sandfarbener,
bläulicher, ziegelroter, brauner in verschiedenen
Abstufungen bis zu tiefschwarz. Die Form ist
nicht immer gleich, doch bestehen die fast aus-
nahmslos allen Exemplaren eigenen Kennzeichen
in einem kurzen, dicken Halse, einer annähernd
sphärischen Gestalt des oberen Teiles und einem
in mehr oder weniger stumpfen Konus verlaufenden
Bodenstück. Die Oberfläche ist entweder glatt
oder ornamentiert, wobei das Muster bald in die
noch weiche Tonmasse vor dem Brennen einge-
drückt, bald erhaben in Hohlformen geprefst ist.
Einige Gefäfse sind mit Glasur überzogen, viele
tragen eingedrückte Stempel oder nach dem
Brande eingeritzte Zeichen, Buchstaben und Haus-
marken.

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