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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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5. Heft
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Hobohm, Martin: Die Infanteriebewaffnung der Hochrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0167

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Die Infanteriebewaffnung der Hochrenaissance
Von Dr. Martin Hobohm, Hilfsarbeiter am Königl. Zeughaus

In dieser Zeitschrift wurden kürzlich inter-
essante Bilder aus der Geschichte der Lands-
knechte entrollt. Das Interesse an der Waffen-
geschichte ist nun einmal, wie der HerrVerfasser
mit vollem Rechte erneut zu bedenken gibt, vom
Studium der Truppenkunde und der Taktik nicht
zu trennen. Gerade in dieser Richtung liegt für
die Historiker der Waffe eine wichtige Aufgabe,
nur leider pflegt sie vernachlässigt zu werden;
Die Kommifswaffe kommt zu kurz neben der Elite-
waffe. Für die Epoche des stehenden Heeres
allerdings ist in dieser Beziehung schon viel, an
manchen Stellen zu viel geschehen, weniger durch
tiefgründige Wissenschaft, als durch andächtigen
Patriotismus. Aber für die ältere Zeit geschieht
desto weniger. Vergebens erkundigt sich die
Kriegswissenschaft nach der Entwicklung der
Muskete, nach dem Verhältnis zwischen Panzer
und Durchschlagskraft der Geschosse, nach der
Geschichte des Langspiefses in Neuzeit und Alter-
tum oder gar nach einer stichhaltigen Auskunft
über den Streitwagen.
Leicht begreift man, warum es so ist. Die
Elitewaffe ist schöner als die gemeine, und ist
durch ihren höherenWert von vornherein ein Ob-
jekt sorgsamerer Pflege; das individuelle Element
daran erweckt ein grofses menschliches Interesse.
Und doch sind diejenigen Antriebe zum mindesten
nicht weniger wert, die an den Kriegswerkzeugen
die Züge ihrer Durchschnittsentwicklung auf-
suchen. Denn hier steckt das, was die historische
Waffenkunde zur allgemeinen Kriegswissenschaft
beitragen kann. Die vielbesprochenen Prunk-
rüstungen der Fürsten sind für den Ausgang der
Schlachten nicht von Bedeutung gewesen. Um-
gekehrt bedeutet z. B. der Kommifsharnisch der
„Schwarzen Reiter“, dessen Entwicklung zur
Stunde noch eine Doktorfrage ist, ein unentbehr-
liches Glied der Entstehungsgeschichte der mo-
dernen Kavallerie.
Es ist schwer zu sagen, wer vom andern
mehr gewinnen kann, die Geschichte der Kriegs-
kunst durch das Verständnis der Waffen oder

die historische Waffenkunde durch das Verständ-
nis des Krieges. Die vorliegende Untersuchung
wünscht beiden Parteien zu nützen. Wenn dem
Kenner derWaffen die Bedingungen ihrer Hand-
habung in einer wichtigen Epoche dargelegt
werden, so kommt es der Kriegswissenschaft
darauf an, begreiflich zu machen, wie weit sie
in der Beurteilung jener Waffen nun fortge-
schritten ist, und in welchen Richtungen ihr Inter-
esse weitersucht. Die erwähnte Studie von
Walther Rose bietet dazu eine willkommene An-
regung ; hat er in die farbenreiche Welt der
Landsknechte hineinblicken lassen, so mag nun
einmal untersucht werden, wie sie ihr Waffen-
handwerk eigentlich ausgeübt haben.1)
Beginnen wir die Diskussion bei den Schutz-
waffen.
Machiavelli, der überragende militärische
Klassiker der Renaissance, behauptet, von den
Landsknechten trüge keiner oder nur wenige
Schutzwaffen (1512 oder 1513); dasWerk über die
Kriegskunst (1519—1520) gibt allen Infanteristen
im Durchschnitt das Bruststück (petto) oder
parallel dazu den Kürafs (corsaletto); nur wenige
schützten Hüften und Arme, niemand den Kopf.
Bei den Spaniern tritt der Schild hinzu.
Solche Durchschnittsangaben haben natür-
lich keine unbedingte Gültigkeit; doch dürfte
Machiavellis Darstellung im allgemeinen als richtig
anzusehen sein.
Jovius zwar spricht beim Einzug in Rom 1494
der grofsen Masse der Schweizer und Lands-
knechte jegliche Panzerung ab; aber das ist zu-
viel gesagt. Der den Ereignissen ungleich näher
stehende Andre de la Vigne imVergier d’honneur
gibt denselben Mannschaften ganz allgemein den
Brustpanzer und andere Rüststücke. Den 6000
Landsknechten, die im Jahre 1495 vor dem Mohren

*) Die ergänzenden Belege für die folgenden Ausfüh-
rungen findet man in meinem Buche „Machiavellis Renais-
sance der Kriegskunst", Berlin 1913, Verlag von Karl Curtius,
Bd. II, S. 4iiff. Das Erscheinen steht binnen kurzem bevor.
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