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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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8. Heft
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Forrer, Robert: Geschützminiaturen aus den Mss. "Christine de Pisan" und "Histoire de Charles Martel"
DOI Artikel:
Sterzel, Hans: Das Wolfegger Hausbuch und seine Bedeutung für die Waffenkunde, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0300

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280 R.FORRER, GESCHÜTZMINIATUREN AUS DEN MSS. „CHRISTINE DE PISAN“ usw. VI. BAND

senkrechten Pfostens hinter der Lafette in der
Richtung zu sichern, ein anderer Kriegsmann
bringt eben das vordere Geschütz zur Entladung,
indem er der schon damals bestehenden An-
weisung folgend, links seitwärts der Lafette
stehend einen Stift zum Zündloch führt; die hinter

ihm stehende Pfanne enthält wohl glühende
Kohlen, anf denen jener Stift angeglüht worden
ist. Ein höherer Kriegsmann verfolgt ihre
Arbeiten, während hinten Sturmleitern an die
feindliche Burg angelegt werden und die Be-
rennung beginnt.

Das Wolfegger Hausbuch und seine Bedeutung
für die Waffenkunde
Von Major a. D. Sterzei, Berlin-Wilmersdorf
II.

Die meist künstlerisch ausgeführten Feder-
zeichnungen des Wolfegger Hausbuchs
bieten eine Fülle von Einzelheiten über
die Bewaffnung von Mann und Rofs, über Kampf-
spiele, Jagd- und Heereseinrichtungen aus der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Ihnen sollen-
mit Ausnahme derjenigen Gegenstände, die das
Gebiet der Artillerie und Poliorketik berühren,
die nachstehenden Zeilen gewidmet sein. Die
Reichhaltigkeit der artilleristischen und polior-
ketischen Darstellungen macht ihre Besprechung
in einem besonderen dritten Abschnitt erforder-
lich. Die Bewaffnung des Fufsvolks, das sich be-
sonders durch die Erfolge der Schweizer Eid-
genossen in den Kämpfen des 14. und 15. Jahr-
hunderts zur Zeit des Entstehens des Hausbuchs
schon eine erhöhte Bedeutung und Anerkennung
errungen hatte, war um 1480 noch sehr ungleich-
mäfsig. Die Söldner trugen für ihre Bewaffnung
selbst Sorge, für eine einheitliche Hauptwaffe
hatte man sich noch nicht entschieden; so bieten
die Schlachthaufen, die noch nicht als taktische
Körper gelten dürfen, ein Gemisch bunt aus-
gerüsteter und bewaffneter Kriegsleute.
Die Hauptausbeute für unsere Zwecke liefert
die Darstellung eines aus verschiedenen Gruppen
bestehenden Heereszuges, einer Marschordnung,
die in der Handschrift den Raum von vier Tafeln
einnimmt- Die Abbildungen 1 und 2 zeigen die
wichtigsten Teile dieser hochinteressanten Zeich-
nung. Wir sehen dort das Fufsvolk nach seiner
Bewaffnung und Fechtweise in zwei Gattungen
vertreten, als Fufsknechte mit blanken Waffen für
den Nahkampf und als Schützen mit Fernwaffen.
Die Blankwaffen bestehen vorwiegend aus Stangen-
waffen, als Helmbarten, Glefen, Spiefsen mit und
ohne Knebel und schweren Streitkolben. Nur
vereinzelt tragen die Knechte ein Schwert an der

Seite. Dieser Umstand zeigt, dafs man im Nah-
kampf den Stangenwaffen vor dem Schwert den
Vorzug gab und ein ausgesprochenes Hand-
gemenge nur als Ausnahmefall gelten kann. Die
abgebildeten Schwerter sind anscheinend lange
Reiterschwerter, vielleicht Beutestücke aus sieg-
reich bestandenen Kämpfen. Eine Zeichnung mit
einer kleinen Gruppe von Knechten, die einem
armen Sünder auf seinem letzten Gang zur Richt-
stätte das Geleit gibt, führt auch einen mit starken
Stacheln besetzten Streitkolben und einen lang-
gestielten Hammer als Stangenwaffen vor. Die
typischen Waffen der Landsknechte, der Lang-
spiefs oder die Pinne und das bekannte Lands-
knechtsschwert mit der S-förmigen Parierstange
sind noch nirgends abgebildet, denn die Lands-
knechte selbst beginnen erst gerade in diesem
Zeitraum aufzukommen. Urkundlich werden sie
zum erstenmal im Jahre i486 mit diesem Namen
genannt. Eine sehr interessante Dissertation von
Martin Nell untersucht den Ursprung der ersten
deutschen Infanterie, der Landsknechte, und legt
dar, dafs diese Kriegergattung eine Schöpfung
Kaiser Maximilians I ist und vor dem Jahre 1482
noch nicht bestand. Erst in dieses Jahr fallen
die Anfänge des deutschen Landsknechtswesens.
Die Burgunderkriege hatten die unbestrittene
Überlegenheit des mit Langspiefsen bewaffneten
.Schweizer Fufsvolks dargetan. Nach dem Muster
dieser Schweizer Fufsknechte, die sich als Reis-
läufer auch in den Heeren fremder Herren in grofser
Zahl anwerben liefsen, bildete deshalb der weit-
blickende Kaiser seine Truppen für seine Kämpfe
in den Niederlanden, aus denen sich die deutschen
Landsknechte, diese Kerntruppe der europäischen
Heere des 16. Jahrhunderts, entwickelten.
Unsere Federzeichnungen geben uns also
einen vortrefflichen Einblick in den Zustand des
 
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