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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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10. Heft
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Pagenstecher, Wolfgang: Das letzte Rennen des Kurfürsten August von Sachsen: dargestellt in der Königlichen Gewehrgalerie zu Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0379

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10. HEFT PAGENSTECHER, DAS LETZTE RENNEN DES KURFÜRSTEN AUGUST V. SACHSEN

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Das letzte Rennen des Kurfürsten August von Sachsen
dargestellt in der Königlichen Gewehrgalerie zu Dresden
Von Wolfgang Pagenstecher
Assistent der Königlichen Kunstakademie zu Düsseldorf

Die Königliche öffentliche Bibliothek im Ja-
panischen Palais zu Dresden bewahrt jene
drei famosen Original-Turnierbücher der
sächsischen Kurfürsten Johann und Johann Fried-
rich und August, welche Erich Haenel im Auszuge
der Öffentlichkeit zugänglich machte. Er wählte
von den mit Wasserfarben auf Pergament ge-
malten Blättern, welche Rennen, Stechen und ein
Turnier darstellen, diejenigen zur Wiedergabe aus,
welche ihm geeignet erschienen, ein deutliches und
charakteristisches Bild jenes ritterlichen Sportes
in der Zeit von 1487—1566 am sächsischen Hofe
zu geben. Das letzte Blatt des dritten Buches,
welches ausschliefslich die fünfundfünfzig Rennen
des Kurfürsten August enthält, stellt auch
zeitlich das letzte abgebildete Rennen dieses
Fürsten im Februar 1566 zu Dresden an der
Fastnacht dar. Haenel hat das Bild in seiner ge-
nannten Veröffentlichung nicht gebracht und in
der Tat zeichnet es sich auch durch keine Be-
sonderheit vor den anderen Darstellungen aus.
Wie die meisten Rennen, so ist auch dieses zu-
gunsten des ritterlichen Kurfürsten entschieden,
denn sein Gegner stürzt abgerannt vom Pferde.
Die Gäule, soeben durchpariert, scharren schnau-
bend den Boden, die Decken flattern noch von der
Bewegung des Galopps, glatt stürzt der Gegner
des Fürsten, seinen Rennspiefs fallen lassend,hinter-
rücks vom Pferde, während der Kurfürst selbst
mit noch eingelegtem Spiefs ruhig im Sattel sitzt
und nur wie üblich die rechte Hand hoch hält.
Dieses Blatt ist also durch nichts von den vor-
hergehenden ausgezeichnet, es sei denn dadurch,
dafs es als letztes Blatt die Jahreszahl seiner Ent-
stehung, nämlich 1584, und die Initialen des Ver-
fertigers, Hans Göding aus Braunschweig, trägt.
Für den Kenner der sächsischen Geschichte und
Freunde der Waffenkunde ist allerdings noch der
Umstand interessant, dafs der Abgerannte Herr
Hans Dehn ist, Oberrüstmeister des Kurfürsten
August, und von diesem selbst wegen seiner Liebe

zum Waffenhandwerk und zu Ritterspielen hoch-
geschätzt. Karl V. erneute dem Hans Dehn,
jedenfalls auf Betreiben des Kurfürsten, im Jahre
1549 den alten Adel mit der Bestimmung, einen
offenen Helm zu führen und sich von Dehn-Roth-
felser, Dammhirsch vom roten Felsen, zu nennen.
Das würde alles sein, was uns an dem genannten
Blatte interessieren könnte. Nun hat aber der
Maler Hans Göding auch jene neunundzwanzig Öl-
bilder in der Gewehrgalerie in Dresden gemalt,
welche den Kurfürsten August in der Ausübung
der Rennen der Nachwelt verewigen. Diese neun-
undzwanzig Bilder wiederholen mit geringen Ab-
weichungen jene der fünfundfünfzig Rennen des
Turnierbuches, welche dem fürstlichen Auftrag-
geber vielleicht die wichtigsten schienen und sind,
obwohl weit gröfseren Formates, doch eigentlich
getreue Wiederholungen jedes einzelnen Rennens.
Sie sind nur insofern eine Bereicherung, als sie
nicht nur wie die Temperamalereien die beiden
Gegner in der Silhouette auf weifsem Grunde
zeigen, sondern sich bemühen, die Situation des
Platzes mit den Schranken und umgebenden Häu-
sern samt Griefswärteln und Zuschauern tatsäch-
lich vorzuführen. Die Bilder der Turnierbücher
mit ihrer verschnörkelten, ornamentalen Schrift
erheben das Geschehnis zum Monument, diese Öl-
malereien aber wollen die lebendigeWahrheit schil-
dern, soweit dies die Kunst des Malers vermochte.
Das sehr dunkel gehaltene Bild, welches
das Rennen des Kurfürsten August mit Hans
Dehn darstellt, ist in der reichen Folge charak-
teristischer Schilderungen dasjenige, welches uns
hier ganz besonders interessiert, da es durch eine
Besonderheit unter allen neunundzwanzig Dar-
stellungen zur Merkwürdigkeit wird. Bei näherer
Betrachtung der bewegten Szene zeigt es sich
nämlich, dafs die Pferde, so naturalistisch der
Maler sie auch darzustellen bemüht war (was sich
trotz der wurmartigen Köpfe und nufsknacker-
artigen Mäuler, die ihm besser nur bei wenigen
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