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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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3. Heft
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Rose, Walther: Die deutschen und italienischen schwarzen (großen) Garden im 15. und 16. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0113

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3. HEFT

DR. W. ROSE, DIE DEUTSCHEN U. ITALIEN. SCHWARZEN (GROSSEN) GARDEN

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dem die Gröfse ihres Geschlechts wieder auf- und
fortlebte. Denn obgleich er Medici hiefs, war er
doch ein echter Sforza, daher auch der einzige Medici,
der als Soldat und Feldherr sich einen grofsen
Namen gemacht hat, wie er andererseits auch der
einzige Medici ist, der der Kunst und Wissenschaft
gleichgültig gegenüber steht.
Nach einer stürmischen Jugend nahmen sich
seine Verwandten, die Medicäer-Päpste Leo X. und
Clemens VII.152) seiner an, doch das alte Kriegerblut
der Sforza liefs ihm keine Ruhe. Seinen ersten
Kriegszug unternahm er gegen Francesco Maria de
la Rovere, Herzog von Urbino, und bildete eine
eigene Schar, der er weifse Feldzeichen gab, die
aber nach dem Tode Papst Leos X. (i. Dezember
1521) zum Zeichen der Trauer in schwarze ver-
wandelt wurden, daher der Name „schwarze Ban-
den“ (Bande nere), den man dieser Truppe gab.
Wie ein echter Condottiere focht Giovanni bald
hier, bald da, für den Papst, den Kaiser, Florenz,
Mailand und Frankreich. Seine Taten machten ihn
berühmt, die kühnsten Gesellen Italiens strömten ihm
zu, und namentlich die Florentiner rechneten es sich
zur Ehre an, den schwarzen Banden beizutreten,
die daher auch ,,le bande nere dei Fiorentini“ ge-
nannt wurden. Wer sich meldete, wurde von Gio-
vanni selbst genau geprüft und auch von ihm in der
Waffenführung und in den Evolutionen unterrichtet.
Höheren Sold bekam nur derjenige, der mit ihm
selbst gefochten und in der Schlacht einen Feind
erlegt hatte. Die Grade wurden nach dem Ver-
dienst verteilt, die Feigen ehrlos gemacht und nach
Umständen hingerichtet, wobei Giovanni nicht selten
mit seinem Schwerte das Todesurteil selbst voll-
streckte. Die ganze Truppe hielt wie Ein Mann zu-
sammen, der Beleidiger eines einzelnen hatte die
Rache aller zu fürchten, namentlich aber des An-
führers, der ebenso auch der erste war, einen Sol-
daten aus der Gefahr zu retten. Stammt doch von
ihm das Wort an die Seinigen: „Ihr werdet nie
hören, dafs ich sage: Geht vorwärts! Ich sage nur:
folgt mir!“, und in der Tat kämpfte er stets in der
vordersten Reihe.158)
Seinen praktischen militärischen Scharfblick be-
wies er auch darin, dafs er von Anfang an den
Vorteil der leichten Reiterei gegenüber den unbe-
holfenen schwergepanzerten Geschwadern seiner
Zeit erkannte und deshalb, um erstere wieder zu
Ehren zu bringen, überall schnellfüfsige, spanische
und selbst türkische Pferde autkaufen liefs154), und
für eine bequeme und leichte Ausrüstung seiner
Truppen sorgte. Um die Beweglichkeit derselben
zu erhöhen, nahm er seine nach spanischer Art ge-
rüsteten und geübten Arcabusire155) auf Pferden mit
sich und liefs sie dann im Gefechte absitzen, eine Kom-
bination von Fufssoldat und Reiter, die für die
späteren Dragoner vorbildlich gewesen ist. Die un-
gewohnte Schnelligkeit seiner Märsche und Kriegs-
führung trug ihm daher den Beinamen „Kriegsblitz“
ein, auch „Italien“ wurde er zubenannt, weil sich in
162) Giovanni Medici (1475—1521), als Papst Leo X. seit
1513. Giulio Medici (1478 —1534), als Papst Clemens VII.
seit 1523.
153j cf. Steger 1. c. S. 325—329
,8‘) cf. Guicciardini 1. c. Lib. XIV, cap. 3: „passö Gio-
vanni dei Medici, portato da un caval turco per la pro-
fonditä delP acqua nel fiume d’Adda.“
155) cf. Barthold 1. c. S. 286.

ihm die Ehre und der Ruhm der italienischen Waffen
verkörperte. Denn bei den Italienern waren die bande
nere sehr beliebt, waren sie doch die einzige Truppe
Italiens, die noch selbständig und national war.
Wie die patriotische Jugend sich zu ihnen
drängte, wie das Volk von ihnen grofse Dinge er-
wartete, so setzten auch hervorragende Staatsmänner
wie Macchiavelli ihre Hoffnungen auf sie, und
charakteristisch ist ein Schreiben des letzteren im März
1526 an den Staatsmann und Historiker Francesco Guic-
ciardini, worin er in dieser Aufstellung eines National-
heeres unter Giovanni de’ Medici das einzige Mittel er-
blickt, sich der fremden Mächte zu erwehren.158)
Von Jahr zu Jahr vergröfserte sich dement-
sprechend die Macht Giovannis. Als sich sein Ver-
wandter Papst Leo X. i. J. 1521 mit Kaiser Karl V.
verbündete, befehligte er bereits 400 Reiter der
cavalli leggieri dei pontifice157), und schon im nächs-
ten Jahre (1522), ebenso wie weitere zwei Jahre
darauf, trat er mit 4000 Mann Fufsvolk und 400
Reitern gegen 8000 Dukaten Sold für die eigene Per-
son in den Dienst des Königs Franz von Frankreich.
Seine Hoffnung, an der Entscheidungsschlacht
bei Pavia teilzunehmen, wurde jedoch, wie schon
erwähnt, kurz vorher durch das Scharmützel vom
17. Februar 1525 vereitelt, in welchem ihm die
Bleikugel eines spanischen Hakenschützen das rechte
Schienbein oberhalb des Knöchels zerbrach. Voll
tiefen Unmutes über diesen Unfall liefs er sich in
das französische Lager tragen, wo ihn König Franz
tröstete, der ihm dann auch bei dem ritterlichen
Marchese di Pescara freies Geleit zur Heilung seiner
Wunde nach Piacenza und in die Morbäder von
Abano erwirkte.158)
Kaum genesen, trat er wieder als General-
kapitän an die Spitze jener Liga, welche die italie-
nischen Staaten nach der Schlacht bei Pavia
schlossen, um nicht von Kaiser Karl V. erdrückt zu
werden. Und als der alte Georg von Frundsberg
im November 1526 mit 14000 deutschen Lands-
knechten zum letzten Male von den Alpen in die
Lombardei herniederstieg, um „mit Gottes Hilfe den
Kaiser und sein Reich zu erretten, weil öffentlich
und am Tage sei, dafs der Papst den Kaiser, das
ehrliche Kriegsvolk und die Colonna unbillig unter-
drücke und sich unterstände, Land Leute zu ver-
derben“159), da war es von den Feldherren der Liga
156) cf. Steger 1. c. S. 326/327.
157) cf. Guicciardini 1. c. Lib. XIV, cap. 2.
15S) cf. Adam Reifsner 1. c. Buch III, fol. 44. Varchi:
Storia Fiorentina, Lib. II. Barthold 1. c. S. 293. Guicciar-
dini 1. c. Lib. XV, cap. 5: „11 decimosettimo giorno di febb-
raio quei di Pavia, usciti fuora, scaramucciarono con la
compagnia di Giovanni dei Medici; il quäle onorevolmente
gli rimesse dentro: e ritornando poi a mostrare all amiraglio
il luogo e le cose accadute nella fazione, essendo ascosti
alcuni scoppiettieri in una casa, fu ferito con una scoppio
sopra il tallone, e rottogli l’osso, con dispiacere grande dei
re; onde fu necessitato farsi portare ä Piacenza, per la
ferita dei quäle si rimesse nelle scaramucce e negli assalti
subito tutta la ferocia dei campo francese.“ Ebenso be-
richtet Giovio e Capella.
iS») Varchi 1. c. Lib. II, cf. Adam Reifsner 1. c. Buch IV,
fol. 80. Guicciardini 1. c. Lib. XVII, cap. 5, sagt: „Giorgio
Fronspergh, affezionato alle cose di Cesare e alla gloria
della sua nazione, a che, due volte capitano di grosse
bande di fanti, era stato con somma laude in Italia per
Cesare contro ai Franzesi, deliberato con le facultä private
sostenere quello in che mancavano i principi, concitö con
Pautoritä sua molti fanti, col mostrare la occasione grande
di predare e di arrichirsi in Italia.“
 
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