5. HEFT
PRERADOVIC, ÜBER EIN HISTORISCHES SCHWERT IN PERASTO (DALMATIEN)
163
müssen die beiden Inschriften, wovon die eine
auf dem Rücken des Schwertes, dort, wo die
Ornamente auf Fig. i endigen, die andere (Fig. 2)
auf dem Schwerte, unter dem Griffe, angebracht
sind, angesehen werden. Diese Inschriften sind
in kyrillischer Schrift und kroatischer Sprache
ausgeführt. Da Verfasser nur die Photographien
der beiden Schwertseiten vor sich hat, so kann
er es nicht wagen, eine kritische Entzifferung der
Inschriften zu unternehmen, dies dem Zeitpunkte
überlassend, wenn er an Ort und Stelle die Waffe
vor sich haben wird. Soviel gestattet jedoch
auch eine oberflächliche Untersuchung zu er-
kennen, dafs ein bosnischer Grofser, „der sündige
Diener Gottes“, namens Vuksa Stepanovic, den
heiligen Nikolaus um mächtigen Schutz wider
die Feinde anfleht, deren Vertilgung er sich er-
bittet; dies auf der Schwertseite der Fig. 2. Auf
jener der Fig. 1 wird die Gerechtigkeit Gottes
ebenfalls gegen die Widersacher apostrophiert.
Die Anbringung dieser Inschrift auf dem Schwerte
ist sehr originell, von der üblichen — in der
Blutrinne — radikal abweichend. Die Umgestal-
tung des Schwertes zur Hieb- und Stichwaffe,
die Rudolf Wegeli in seiner schon vorher ange-
zogenen Abhandlung im III. Bande dieser Zeit-
schrift Seite 220B erwähnt und mit dem Jahre 1420
als abgeschlossen ansieht, ist auf dem Schwerte
von Perasto vollendete Tatsache geworden; und
dieser Umstand wirkt bei Entscheidung über seine
Entstehungszeit mitbestimmend.
Der Griff des Schwertes ist aus einem Wall-
fischknochen geformt, teilweise von Silber ein-
gefafst und mit zehn Edelsteinen geschmückt, unter
denen, wie ich erfahre, zwei Rubine, ein Almandin,
ein Chalcedon, ein Karneol und zwei Amethyste
sind. Die Parierstange ist aus Silber und feuer-
vergoldet, auch sie ist edelstein geziert. Die origi-
nelle Form des Griffes und der Pariervorrichtung
dieses Schwertes war Gegenstand eines Meinungs-
austausches zwischen Dr. v. Potier und mir. Be-
sagter Fachmann möchte an Griff und Stange
orientalische und zwar arabische Einflüsse er-
kennen, wenn auch die vier an arabischen Schwer-
tern auftretenden freien Enden der Parierstange
hier durch eine, vielleicht auch zwei Parierringe
verbunden erscheinen. In dieserZeitschriftBd.il
S. 80, bildet Lenz einen derartigen Handschutz
ab. Noch deutlicher tritt, nach Ansicht Potiers
die nahe Verwandtschaft des Perastiner Schwertes
mit arabischen Schwertern in den Typen hervor, die
er dem Werke von Egerton of Tatton: Adescription
of indian and oriental armours, London 1896, ent-
nimmt. Und zwar handelt es sich um Nr. 194 dieses
Werkes, woselbst derGriff eines arabischen Schwer-
tes zur Darstellung gelangt, der tatsächlich bis auf
unwesentliche Unterschiede dem des Perastiner
Schwertes täuschend ähnlich ist. Dieses Araber-
schwert stammte aus dem 18. Jahrhundert und
war mit dem Schwertsegen „Jesu Maria“ versehen.
— Ein zweites ebenfalls in Lord Egertons Werk
angeführtes Schwert aus dem nordwestlichen
Afrika hat den gleichen Griff. So Dr. v. Potier.
Man wird, betrachtet man die Wechselbeziehungen
zwischen Orient und dem an der Schwelle des
Orients stehenden Balkan, ohne viel Nötigung an-
nehmen können, dafs das Perastiner Schwert ent-
weder ein Beutestück aus Türkenkriegen sein kann
oder auf dem Wege des Imports den Weg nach
dem Balkan finden konnte6).
Anderseits sollte man sich der Annahme nicht
verschliefsen, dafs man es hier möglicherweise mit
einem Erzeugnisse heimischer d. h. südslawischer
Waffenerzeugung zu tun hat. Nicht nur das Helden-
lied erzählt von nationalen Waffenschmieden. Auch
der Umstand, dafs gerade im Mittelalter am Balkan
slawische Reiche nicht nur zur politischen Macht
gelangten, sondern auch im Kunstgewerbe Nam-
haftes leisteten, macht es mehr als wahrschein-
lich, besonders einen Zweig des Kunstgewerbes
sich vervollkommnen und entfalten zu sehen,
nämlich die Waffenerzeugung, die durch nie
ruhende Kriegszüge und -Fehden stets Be-
schäftigung finden und in Übung erhalten wer-
den konnte. Mag das Perastiner Schwert auch
durch seinen Griff und die Parierstange auffallend
an arabische oder überhaupt orientalische Muster
gemahnen, so bilden aber die slawischen Be-
schwörungssprüche auf den beiden Klingenseiten
doch ein nicht leichtfertig von der Hand zu
weisendes Argument für den Gedanken an ein
Balkanwaffenerzeugnis, wobei ein berühmtes oder
beliebtes Muster als Vorlage herangezogen worden
sein dürfte.
Ich werde in dieser meiner Anschauung nur um
so mehr bestärkt, als auch Dr. v. Potier auf S. 212
seiner lichtvollen Studie „Die auf der Balkanhalb-
insel üblich gewesenen Gewehrformen“ („Beiträge
zur Geschichte der Handfeuerwaffen“, Thierbach-
Festschrift) auf die Tätigkeit einheimischer bos-
nischer und herzegowinischer (z.B. in F oca) Büchsen-
macher und Messerschmiede hinweist. Konnte das
Waffenkunstgewerbe unter osmanischerHerrschaft
am Balkan sich entwickeln und blühen, warum
sollte dies unter der Ägide nationaler Selbständig-
keit nicht eingetreten sein?
Nun zur historischen Seite der Frage nach
der Herkunft des Schwertes. Wie die Beschwö-
rungsformel besagt, hat Vuksa Stepanovic diese
6) In beiden Fällen mufs aber dieVoraussetzung gelten,
dafs die slawischen Beschwörungssprüche dann nachträg-
lich erst auf das Schwert tauschiert wurden.
PRERADOVIC, ÜBER EIN HISTORISCHES SCHWERT IN PERASTO (DALMATIEN)
163
müssen die beiden Inschriften, wovon die eine
auf dem Rücken des Schwertes, dort, wo die
Ornamente auf Fig. i endigen, die andere (Fig. 2)
auf dem Schwerte, unter dem Griffe, angebracht
sind, angesehen werden. Diese Inschriften sind
in kyrillischer Schrift und kroatischer Sprache
ausgeführt. Da Verfasser nur die Photographien
der beiden Schwertseiten vor sich hat, so kann
er es nicht wagen, eine kritische Entzifferung der
Inschriften zu unternehmen, dies dem Zeitpunkte
überlassend, wenn er an Ort und Stelle die Waffe
vor sich haben wird. Soviel gestattet jedoch
auch eine oberflächliche Untersuchung zu er-
kennen, dafs ein bosnischer Grofser, „der sündige
Diener Gottes“, namens Vuksa Stepanovic, den
heiligen Nikolaus um mächtigen Schutz wider
die Feinde anfleht, deren Vertilgung er sich er-
bittet; dies auf der Schwertseite der Fig. 2. Auf
jener der Fig. 1 wird die Gerechtigkeit Gottes
ebenfalls gegen die Widersacher apostrophiert.
Die Anbringung dieser Inschrift auf dem Schwerte
ist sehr originell, von der üblichen — in der
Blutrinne — radikal abweichend. Die Umgestal-
tung des Schwertes zur Hieb- und Stichwaffe,
die Rudolf Wegeli in seiner schon vorher ange-
zogenen Abhandlung im III. Bande dieser Zeit-
schrift Seite 220B erwähnt und mit dem Jahre 1420
als abgeschlossen ansieht, ist auf dem Schwerte
von Perasto vollendete Tatsache geworden; und
dieser Umstand wirkt bei Entscheidung über seine
Entstehungszeit mitbestimmend.
Der Griff des Schwertes ist aus einem Wall-
fischknochen geformt, teilweise von Silber ein-
gefafst und mit zehn Edelsteinen geschmückt, unter
denen, wie ich erfahre, zwei Rubine, ein Almandin,
ein Chalcedon, ein Karneol und zwei Amethyste
sind. Die Parierstange ist aus Silber und feuer-
vergoldet, auch sie ist edelstein geziert. Die origi-
nelle Form des Griffes und der Pariervorrichtung
dieses Schwertes war Gegenstand eines Meinungs-
austausches zwischen Dr. v. Potier und mir. Be-
sagter Fachmann möchte an Griff und Stange
orientalische und zwar arabische Einflüsse er-
kennen, wenn auch die vier an arabischen Schwer-
tern auftretenden freien Enden der Parierstange
hier durch eine, vielleicht auch zwei Parierringe
verbunden erscheinen. In dieserZeitschriftBd.il
S. 80, bildet Lenz einen derartigen Handschutz
ab. Noch deutlicher tritt, nach Ansicht Potiers
die nahe Verwandtschaft des Perastiner Schwertes
mit arabischen Schwertern in den Typen hervor, die
er dem Werke von Egerton of Tatton: Adescription
of indian and oriental armours, London 1896, ent-
nimmt. Und zwar handelt es sich um Nr. 194 dieses
Werkes, woselbst derGriff eines arabischen Schwer-
tes zur Darstellung gelangt, der tatsächlich bis auf
unwesentliche Unterschiede dem des Perastiner
Schwertes täuschend ähnlich ist. Dieses Araber-
schwert stammte aus dem 18. Jahrhundert und
war mit dem Schwertsegen „Jesu Maria“ versehen.
— Ein zweites ebenfalls in Lord Egertons Werk
angeführtes Schwert aus dem nordwestlichen
Afrika hat den gleichen Griff. So Dr. v. Potier.
Man wird, betrachtet man die Wechselbeziehungen
zwischen Orient und dem an der Schwelle des
Orients stehenden Balkan, ohne viel Nötigung an-
nehmen können, dafs das Perastiner Schwert ent-
weder ein Beutestück aus Türkenkriegen sein kann
oder auf dem Wege des Imports den Weg nach
dem Balkan finden konnte6).
Anderseits sollte man sich der Annahme nicht
verschliefsen, dafs man es hier möglicherweise mit
einem Erzeugnisse heimischer d. h. südslawischer
Waffenerzeugung zu tun hat. Nicht nur das Helden-
lied erzählt von nationalen Waffenschmieden. Auch
der Umstand, dafs gerade im Mittelalter am Balkan
slawische Reiche nicht nur zur politischen Macht
gelangten, sondern auch im Kunstgewerbe Nam-
haftes leisteten, macht es mehr als wahrschein-
lich, besonders einen Zweig des Kunstgewerbes
sich vervollkommnen und entfalten zu sehen,
nämlich die Waffenerzeugung, die durch nie
ruhende Kriegszüge und -Fehden stets Be-
schäftigung finden und in Übung erhalten wer-
den konnte. Mag das Perastiner Schwert auch
durch seinen Griff und die Parierstange auffallend
an arabische oder überhaupt orientalische Muster
gemahnen, so bilden aber die slawischen Be-
schwörungssprüche auf den beiden Klingenseiten
doch ein nicht leichtfertig von der Hand zu
weisendes Argument für den Gedanken an ein
Balkanwaffenerzeugnis, wobei ein berühmtes oder
beliebtes Muster als Vorlage herangezogen worden
sein dürfte.
Ich werde in dieser meiner Anschauung nur um
so mehr bestärkt, als auch Dr. v. Potier auf S. 212
seiner lichtvollen Studie „Die auf der Balkanhalb-
insel üblich gewesenen Gewehrformen“ („Beiträge
zur Geschichte der Handfeuerwaffen“, Thierbach-
Festschrift) auf die Tätigkeit einheimischer bos-
nischer und herzegowinischer (z.B. in F oca) Büchsen-
macher und Messerschmiede hinweist. Konnte das
Waffenkunstgewerbe unter osmanischerHerrschaft
am Balkan sich entwickeln und blühen, warum
sollte dies unter der Ägide nationaler Selbständig-
keit nicht eingetreten sein?
Nun zur historischen Seite der Frage nach
der Herkunft des Schwertes. Wie die Beschwö-
rungsformel besagt, hat Vuksa Stepanovic diese
6) In beiden Fällen mufs aber dieVoraussetzung gelten,
dafs die slawischen Beschwörungssprüche dann nachträg-
lich erst auf das Schwert tauschiert wurden.