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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]; Verein für Historische Waffenkunde [Contr.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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7. Heft
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Kretschmar, Hans Alfred: Eine mittelalterliche Handgranate
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0250

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OBERST v. KRETSCHMAR, EINE MITTELALTERLICHE HANDGRANATE

VI. BAND

und lebhaft brennenden, vielleicht auch spreng-
kräftigen Pulversatze gefüllt und oben im Hals
mit einer Lunte versehen. Beim Gebrauch wurden
sie mit der Hand oder mit einer Wurfmaschine
geschleudert, nachdem die Lunte in Brand ge-
steckt war. Die Entzündung der Pulverladung
erfolgte dann, je nach der Länge der Lunte, ent-
weder im Fluge oder nach dem Aufschläge, bei
dem das Gefäfs zerbrach und die Füllung durch
die Lunte entzündet wurde.
Diese Füllung bezeichnete man mit dem
Namen: Griechisches Feuer. Dieser Name um-
fafste zur Zeit der Kreuzzüge alle die verschiedenen
Kriegsfeuer, die damals im Gebrauch waren; es
waren Mischungen, meist aus Salpeter, Kohle
und Schwefel, und zwar fast in demselben
Mischungsverhältnis, wie es noch zu unserer Zeit
für das „Schwarzpulver“ galt. Dieses griechische
Feuer ist aber nicht erst zur Zeit der Kreuzzüge
erfunden worden, es war schon in vorchristlicher
Zeit bekannt und spielte schon in der Kriegs-
kunst der Griechen eine grofse Rolle. Die
Chronisten der Kreuzzüge berichten sogar von
derartigen Geschossen, die die Gröfse eines Wein-
fasses hatten. Den Kreuzfahrern gegenüber, die
solche Kriegsfeuer noch nicht kannten, machte
ein derartiges fliegendes Geschofs, dessen Zünder
man im Fluge brennen sah, und das unter der
Erscheinung von Blitz und Donner sich entlud,
einen starken Eindruck.
Die hier dargestellte Granate stammt aus
Mehdined-el-Fayum in der Oase Fayum in Mittel-
ägypten. Derartige Geschosse besitzt das Ar-
tilleriemuseum in Paris, das Keramische Museum
in Sevres, das Arabische Museum in Kairo und
das Kloster am Berge Sion, und zwar letzteres
eine gröfsere Zahl und verschiedene Arten. Über
diese berichtet P. Kornelius Kniel O. S. B. in der
Zeitschrift: Das Heilige Land; Organ des deutschen
Vereins vom Heiligen Lande. 56. Jahrgang, 1912,
Heft 1 in ausführlicher Weise.
Der Verfasser hebt besonders die Ähnlichkeit
der gröfseren Zahl dieser Gefäfse in der Sions-
Sammlung mit dem Granatapfel hervor und
meint, dafs deren äufsere Erscheinung es über
jeden Zweifel wahrscheinlich mache, dafs der noch
heute gebräuchliche Name: Granate für das Ge-
schofs von der Frucht des Granatbaumes, dem
Granatapfel genommen ist.
„Freilich“, sagt der Verfasser, „waren es nur
Äufserlichkeiten und Ähnlichkeiten in der sicht-
baren Erscheinung, was dabei entscheidend war,
die Gröfse, die Form und an dieser insbesondere
der Rest des stark entwickelten Blütenkelches,
der als eine Art Krone von zähen, fleischigen

Lappen über die Frucht hinausragt und beim
Geschofs als Zünder ausgebildet ist. Die lebendige
bewufste oder unbewufste Erinnerung an die Be-
ziehungen zwischen Granatfrucht und Granat-
geschofs mag wohl Ursache gewesen sein, dafs
man bei der Ausschmückung der Geschosse, auf
die man in Form und Farbe sehr viel Mühe und
künstlerischen Geschmack verwendete, immer
wieder auf Motive des Granatapfels, insbesondere
durch die plastisch-ornamentale Verwertung der
Fruchtkerne zurückkam.“
Der Verfasser geht m. E. mit seiner Erklärung
nicht bis zum Kern der Frage. Es sind wohl
nicht die Äufserlichkeiten und Ähnlichkeiten in
der sichtbaren Erscheinung und in der äufseren


Form, die Veranlassung wurden, dem Geschofs
den Namen der Frucht zu geben.
Es ist vielmehr die Übereinstimmung in der
wesentlichsten und augenfälligsten Eigenschaft
des Granatapfels sowohl wie des Geschosses,
die zur Übereinstimmung auch des Namens ge-
führt hat, und es scheint mir völlig zutreffend zu
sein, was Dr. Weigand im Deutschen Wörterbuch
Bd. I (Giefsen 1878) dazu sagt: „Granatapfel
Frucht des Granatbaumes, aus dem mittelitalie-
nischen malum granatum, d. i. vielkerniger Apfel.
Das lateinische Adjektiv granätus bedeutet: mit
Kernen versehen, von granum, Korn, Kern, (Gran
als Gewicht = 1/a0 Quentchen [Apothekergewicht].)
Die Granate — mit Schiefspulver gefüllte
Kugel, schon im 17. Jahrhundert aus dem ita-
lienischen: granäta, französisch: grenade, welche
aus granäta, der als Substantiv gebrauchten Form
vom lateinischen: granatus = mit Körnern ver-
sehen. Hier sind natürlich Pulverkörner ge-
meint.“
 
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