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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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9. Heft
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Lenc, Ėduard Ėduardovič: Arsenalzeichen oder Beschau?
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0322

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302

E. LENZ, ARSENALZEICHEN ODER BESCHAU?

VI. BAND

sind. Auf Meifsel, Grabstichel oder Punzen pri-
mitivster Art angewiesen, konnte der die Abstem-
pelung besorgende Arbeiter des 15.— 17. Jahrhun-
derts nicht daran denken, die krausen Windungen
an dem unteren Teile der Mittelfigur auch nur an-
nähernd wiederzugeben und mufste sich daher mit
Darstellung einer vertikalen Linie begnügen, wo-
bei das so erreichte Gesamtbild der Marke dem
Wissenden immerhin erkennbar blieb. Erst als die
vervollkommnete Metallbearbeitung die Herstel-
lung einer in gehärteten Stahl geschnittenen Ma-
trize, eines „Stempels“ im Sinne der modernen
Prägung, gestattete, wurden die Schriftzüge der
betreffenden „Legende“ bis in die kleinste Einzel-
heit genau reproduziert und das alte, konventio-
nelle, unvollkommene Zeichen verschwand.
Demnach hätten wir in dem fraglichen Stempel
eine Art von behördlichem Beschauzeichen zu sehen,
welches in den staatlichen Arsenalen (vorwiegend?
oder ausschliefslich?)denjenigenWaffen aufgeschla-
gen wurde, die als gebrauchsfähig befunden, bzw.
durch entsprechende Reparaturen gebrauchsfähig
gemacht waren und bei Bedarf zur Heeresausrüstung
verwandt werden konnten. Bei Gewehrläufen war,
wie die Grundbedeutung des Wortes „imtichan“
anzudeuten scheint, wahrscheinlich eine Probe
mit verstärkter Ladung damit verbunden. Das
Vorkommen des Stempels auf europäischen,
offenbar erbeuteten Waffen wäre damit zu er-
klären, dafs auch diese gegebenen Falles als
gebrauchstüchtig in den Bestand der Ausrüstungs-
vorräte aufgenommen wurden.
Mit dieser Hypothese, mag sie auch nicht
direkt überzeugend sein, sondern nur einen ge-
wissen Grad von Wahrscheinlichkeit für sich be-
anspruchen, liefse sich die gegenwärtige Unter-
suchung zum vorläufigen Abschlüsse bringen, in
der Erwartung, dafs zahlreichere und vielseitigere
Beobachtungen ein reicheres Material zur Lösung
der Frage Zusammentragen werden; doch mufs
nachträglich noch eine Tatsache Besprechung
finden, welche, wie es scheint, die obigen Schlufs-
folgerungen stark in Frage stellt.
An der bereits oben angeführten Stelle (S.584)
der deutschen Ausgabe der „Ungarischen kriegs-
geschichtlichen Denkmäler“ sagt Szendrei bei
Beschreibung der Arsenalmarke auf einem türki-
schen Gewehrlauf: „Ein ähnliches Zeichen ge-
brauchten die ismaelitischen Geldpräger auf den
Kupfergroschen Bela IV.“6).
6) Szendrei zitiert zum Belege: Weszerle: „Ermeszeti
tablai (NumismatischeTabellen). Pest 1873, Taf.XVII Nr. 14.
Ferner: Ladislaus Rethy „Magyar penzverö ismaelitak 6s
Bessarabia.“ Arad 1880. 8°. Das letztere Werk war uns
nicht zugänglich, im ersteren haben wir die angegebene
Münze nicht finden können.

Es ist uns leider nicht gelungen, die Ab-
bildungen dieser Münzen zu Gesicht zu bekommen,
auch konnten wir uns nicht von der Richtigkeit
der Bestimmung als „Kupfergroschen Bela IV.“
überzeugen und können nur darauf hin weisen,
dafs in dem Corpus nummorum von Ungarn das
Zeichen nicht zu finden ist. Um so mehr Dank
schuldig sind wir daher dem Oberkonservator
der Münzsammlung an der Kaiserlichen Eremitage
A. K. Markow für die Vermittelung von Photo-
graphien zweier türkischer Kupfermünzen aus
der Sammlung des Grafen Subow in Moskau,
mit dessen freundlicher Erlaubnis wir hier die
Abbildung einer der beiden identischen Münzen
bringen (Abb. 14). Es sind dieses türkische ano-
nyme, undatierte menghiri aus dem 9. Jahrhundert
mohammedanischer Zeitrechnung. Auf dem Avers
tragen sie die Inschrift „darbu Edirne“, d. i. „ge-
prägt in Adrianopel“, auf dem Revers das Arsenal-
zeichen unter einem geometrischen Ornament.
Das Vorkommen dieses Zeichens auf Münzen
läfst nur zwei Erklärungen zu: es könnte erstens
ein behördlicher Gültigkeitsstempel sein, wie solche
in verschiedenen Ländern stark abgeriebenen und
daher unkenntlich gewordenen Münzen auf-
geschlagen wurden zum Zeichen dessen, dafs das
Geldstück, trotz seines defekten Zustandes, Kurs
behält, von Staats wegen als vollgültig anerkannt

Abb. 14
wird; es würde diese Auffassung eine direkte Be-
stätigung der oben versuchten Erklärung dieser
Marke als behördliches Beschauzeichen für „er-
probte“, d. h. taugliche, gebrauchsfähige Waffen
bedeuten. Doch im gegebenen Falle dürfte dieses
nicht zutreffend sein, denn sowohl nach dem Grade
der Abnutzung, wie auch nach der Art der An-
ordnung ist das Arsenalzeichen hier nicht als
nachträglich aufgeschlagen, sondern als durch-
aus gleichzeitig mit Ornament und Legende der
Münzen anzusprechen.
Es bleibt also — zweitens — nur noch die
andere Erklärung: das Arsenalzeichen ergänzt
die Inschrift „geprägt in Adrianopel“ und zeigt
den Ort, die Werkstatt an, wo die Münzen her-
gestellt wurden, so dafs die ganze Legende zu
lesen wäre: „Geprägt zu Adrianopel — im Arse-
nale“, eine Angabe, die einen hohen Grad von
Wahrscheinlichkeit für sich hat, da wohl ohne
weiteres anzunehmen ist, dafs alle irgend verfüg-
 
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