4. HEFT
G. LIEBE, DIE AUSGÄNGE DES DEUTSCHEN FECHTERWESENS
135
und die, die sie übten, ab; es ist gleichsam eine
Rückkehr zu den Anschauungen des Mittelalters,
wo die Schaufechter gleich anderen Fahrenden,
die „Gut für Ehre nahmen*1, als ehrlos galten,
wie es noch der Sachsenspiegel ausspricht. Der
Ausgang des 16. Jahrhunderts, der bei dem
Mangel grofser Aufgaben, dem Überhandnehmen
materieller Genufssucht allerwärts ein Erlahmen
der nationalen Schwungkraft erkennen läfst, sah
auch den Verfall der bürgerlichen Waffen.
Übungen.
Ihrer Beliebtheit tat das freilich zunächst
noch keinen Eintrag. Die Breslauer Schul-
ordnung 1570 beklagt, „dafs die Jugend vielmehr
den Fechtmeistern denn ihrem Studiren und
Schulmeistern nachgehet“, und zahlreiche Staats-
verordnungen aus dem Anfang des folgenden
Jahrhunderts sind den Verkehr auf den öffent-
lichen Fechtschulen zu regeln bemüht.8) Statt
der früher benutzten Rat- und Gildehäuser sah
man sich zur Einrichtung besonderer Räumlich
keiten veranlafst. In Nürnberg wurde dazu 1588
der Heilsbronner Hof bestimmt, nach einer Ab-
bildung von 16234) ein stattlicher Fachwerkbau
mit drei Galerien übereinander für die Zuschauer,
während unten im Hofe Schranken aus Brettern
den Kampfplatz umgeben. Ähnlich war die
Einrichtung im Goldnen Adler zu Breslau
worin seit 1600 die Fechtschulen gehalten
wurden.3)
Neben diesen regelmäfsigen Vorführungen,
deren Einrichtungen schon ein Eintrittsgeld vor-
aussetzen, fanden mehr und mehr gelegentliche
gegen Entgelt statt. Auf das Auftreten von
Fechtern bei Schützenfesten hat schon G. Frey tag
hingewiesen.5) Gelegentlich eines Fürstentages in
Breslau 1575 liefs der Fürstbischof vor dem Dom
eine Fechtschule halten, ebenso 1589 der Ab
des Vincenzklosters zur Unterhaltung seiner
Gäste, der Domherren. Eine besonders an-
schauliche Schilderung eines solchen Schauspiels
besitzen wir vom Jahre 1582 aus Brieg. Bei der
damals prunkvoll gefeierten Hochzeit des Sohnes
von Herzog Georg II. wurde auch eine Fecht-
schule veranstaltet, zu welcher sich von den
beiden bekannten Gilden etwa sechzig Mann auf
jeder Seite eingefunden hatten. Die ganzen
Vorgänge hat Ulrich Kraft lebendig geschildert,
ein Ulmer, der als Buchhalter eines Handels-
hauses in Troppau lebte und aus Neugier zu den
Festlichkeiten gereist war. Die einzelnen Gegner
forderten sich heraus und fochten, bis Blut flofs,
3) Feit, Schwerttänze und Fechtschulen in Schlesien
(Zeitschrift d. Vereins f. Geschichte Schlesiens 1904).
4) Wiedergegeben in Hampe, Fahrende Leute, S. 95.
r’) Werke, Bd. 19, S. 341.
dann erhielt der Sieger ein paar Reichstaler von
dem herzoglichen Marschall. In der Dürnitz,
dem Zimmer der Dienstleute, waren vier Barbiere
zum „Flicken“. „Ein Marxbruder, ein Schlosser
seines Handwerks, gar stark von Leib, brauchte
schlechte Kunst, that nur nach seiner Stärke
von oben herab über des andern Schwert des
Gegentheils Kopf zu schlagen. Wie er denn
bald seinen ersten Widerpart überwunden, so-
dafs er ein paar Thaler bekommen. Der Be-
schädigte konnte sein Schwert so bald nicht von
ihm werfen und der Dürnitz zugehen, kommt ein
hagrer, kurzer Tuchmachergesell von Nerlingen,
hebt das niedergeworfene Schwert auf und bietet
dem Schlosser die Spitze.6) Der Fechtmeister
(ein Augsburger) läuft hinzu, sagt überlaut:
Landsmann, was willst mit diesem starken
Metzger anfangen? Hast du nicht gesehen, wie
er nur ohne Kunst dem Kopf zu schlägt, was
du nicht wirst aushalten können? Er antwortet:
Ich lieg noch nit. Im ersten Gange ging es
ohne Blut ab; im andern that der Nerlinger dem
Schlosser wider alles Versehen die Nase am Ge-
sicht entzweispalten, dafs er sein Schwert weit
von sich geworfen und aus dem Kreis auch der
Dürnitz zugelaufen. Darüber die Fürsten wohl
gelacht, weil der Fechtmeister auch öffentlich
sagte: wenn das die kleinen Schwaben, was
werden die grofsen können!“7) Gelegenheiten,
wo die Ansammlung vieler Menschen Verdienst
versprach, zogen wie andere Schausteller auch
die Fechter an, so die zu immer höherer Be-
deutung gelangenden Messen. Eine gereimte
Beschreibung der Frankfurter von 1597, Markt-
schiffs Nachen genannt, führt auch eine Fecht-
schule vor, indem sie die verschiedenen Hand-
werken angehörenden Teilnehmer in der von
alters her üblichen Weise abschildert, um zu
schliefsen:
Als diese Fechtschul’ hatt’ ein End’, da war nun weiter
mein Intent
Zu sehen das englische Spiel, davon ich hab’ gehört so viel.
Es sind die englischen Komödianten gemeint,
die viel zur Verdrängung der alten Lustbarkeiten
beitragen sollten. Indessen heifst es noch in
einer gleichen Beschreibung von 1615:
Es kamen auch Fechter hierher von der Feder und Marx-
bruder,
Sie schlagen an, reden gar fein, schmeifsen gewaltig auf
die Stein
Mehr denn auf’n Kopf, da es wehe thut,
Ohn’ Geld giebt es gar selten Blut.
Thun als wären’s die gröfste Feind,
6) Das Zeichen der Ausforderung.
") Palm, Fechtschulen oder Fechterspiele in Schlesien
(Neue Schlesische Provinzialblätter 1862).
G. LIEBE, DIE AUSGÄNGE DES DEUTSCHEN FECHTERWESENS
135
und die, die sie übten, ab; es ist gleichsam eine
Rückkehr zu den Anschauungen des Mittelalters,
wo die Schaufechter gleich anderen Fahrenden,
die „Gut für Ehre nahmen*1, als ehrlos galten,
wie es noch der Sachsenspiegel ausspricht. Der
Ausgang des 16. Jahrhunderts, der bei dem
Mangel grofser Aufgaben, dem Überhandnehmen
materieller Genufssucht allerwärts ein Erlahmen
der nationalen Schwungkraft erkennen läfst, sah
auch den Verfall der bürgerlichen Waffen.
Übungen.
Ihrer Beliebtheit tat das freilich zunächst
noch keinen Eintrag. Die Breslauer Schul-
ordnung 1570 beklagt, „dafs die Jugend vielmehr
den Fechtmeistern denn ihrem Studiren und
Schulmeistern nachgehet“, und zahlreiche Staats-
verordnungen aus dem Anfang des folgenden
Jahrhunderts sind den Verkehr auf den öffent-
lichen Fechtschulen zu regeln bemüht.8) Statt
der früher benutzten Rat- und Gildehäuser sah
man sich zur Einrichtung besonderer Räumlich
keiten veranlafst. In Nürnberg wurde dazu 1588
der Heilsbronner Hof bestimmt, nach einer Ab-
bildung von 16234) ein stattlicher Fachwerkbau
mit drei Galerien übereinander für die Zuschauer,
während unten im Hofe Schranken aus Brettern
den Kampfplatz umgeben. Ähnlich war die
Einrichtung im Goldnen Adler zu Breslau
worin seit 1600 die Fechtschulen gehalten
wurden.3)
Neben diesen regelmäfsigen Vorführungen,
deren Einrichtungen schon ein Eintrittsgeld vor-
aussetzen, fanden mehr und mehr gelegentliche
gegen Entgelt statt. Auf das Auftreten von
Fechtern bei Schützenfesten hat schon G. Frey tag
hingewiesen.5) Gelegentlich eines Fürstentages in
Breslau 1575 liefs der Fürstbischof vor dem Dom
eine Fechtschule halten, ebenso 1589 der Ab
des Vincenzklosters zur Unterhaltung seiner
Gäste, der Domherren. Eine besonders an-
schauliche Schilderung eines solchen Schauspiels
besitzen wir vom Jahre 1582 aus Brieg. Bei der
damals prunkvoll gefeierten Hochzeit des Sohnes
von Herzog Georg II. wurde auch eine Fecht-
schule veranstaltet, zu welcher sich von den
beiden bekannten Gilden etwa sechzig Mann auf
jeder Seite eingefunden hatten. Die ganzen
Vorgänge hat Ulrich Kraft lebendig geschildert,
ein Ulmer, der als Buchhalter eines Handels-
hauses in Troppau lebte und aus Neugier zu den
Festlichkeiten gereist war. Die einzelnen Gegner
forderten sich heraus und fochten, bis Blut flofs,
3) Feit, Schwerttänze und Fechtschulen in Schlesien
(Zeitschrift d. Vereins f. Geschichte Schlesiens 1904).
4) Wiedergegeben in Hampe, Fahrende Leute, S. 95.
r’) Werke, Bd. 19, S. 341.
dann erhielt der Sieger ein paar Reichstaler von
dem herzoglichen Marschall. In der Dürnitz,
dem Zimmer der Dienstleute, waren vier Barbiere
zum „Flicken“. „Ein Marxbruder, ein Schlosser
seines Handwerks, gar stark von Leib, brauchte
schlechte Kunst, that nur nach seiner Stärke
von oben herab über des andern Schwert des
Gegentheils Kopf zu schlagen. Wie er denn
bald seinen ersten Widerpart überwunden, so-
dafs er ein paar Thaler bekommen. Der Be-
schädigte konnte sein Schwert so bald nicht von
ihm werfen und der Dürnitz zugehen, kommt ein
hagrer, kurzer Tuchmachergesell von Nerlingen,
hebt das niedergeworfene Schwert auf und bietet
dem Schlosser die Spitze.6) Der Fechtmeister
(ein Augsburger) läuft hinzu, sagt überlaut:
Landsmann, was willst mit diesem starken
Metzger anfangen? Hast du nicht gesehen, wie
er nur ohne Kunst dem Kopf zu schlägt, was
du nicht wirst aushalten können? Er antwortet:
Ich lieg noch nit. Im ersten Gange ging es
ohne Blut ab; im andern that der Nerlinger dem
Schlosser wider alles Versehen die Nase am Ge-
sicht entzweispalten, dafs er sein Schwert weit
von sich geworfen und aus dem Kreis auch der
Dürnitz zugelaufen. Darüber die Fürsten wohl
gelacht, weil der Fechtmeister auch öffentlich
sagte: wenn das die kleinen Schwaben, was
werden die grofsen können!“7) Gelegenheiten,
wo die Ansammlung vieler Menschen Verdienst
versprach, zogen wie andere Schausteller auch
die Fechter an, so die zu immer höherer Be-
deutung gelangenden Messen. Eine gereimte
Beschreibung der Frankfurter von 1597, Markt-
schiffs Nachen genannt, führt auch eine Fecht-
schule vor, indem sie die verschiedenen Hand-
werken angehörenden Teilnehmer in der von
alters her üblichen Weise abschildert, um zu
schliefsen:
Als diese Fechtschul’ hatt’ ein End’, da war nun weiter
mein Intent
Zu sehen das englische Spiel, davon ich hab’ gehört so viel.
Es sind die englischen Komödianten gemeint,
die viel zur Verdrängung der alten Lustbarkeiten
beitragen sollten. Indessen heifst es noch in
einer gleichen Beschreibung von 1615:
Es kamen auch Fechter hierher von der Feder und Marx-
bruder,
Sie schlagen an, reden gar fein, schmeifsen gewaltig auf
die Stein
Mehr denn auf’n Kopf, da es wehe thut,
Ohn’ Geld giebt es gar selten Blut.
Thun als wären’s die gröfste Feind,
6) Das Zeichen der Ausforderung.
") Palm, Fechtschulen oder Fechterspiele in Schlesien
(Neue Schlesische Provinzialblätter 1862).