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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Lill, Georg: Neuzeitliche Kirchenbaukunst in Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0019

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I

MICHAEL KURZ-AUGSBURG: ST.-HEINRICHS-KIRCHE IN BAMBERG. FERNSICHT


NEUZEITLICHE KIRCHENBAUKUNST IN BAYERN
VON GEORG LILL
TAie neuen Münchner Kirchen haben wir unserem Leserkreis im Jahrgang XXIII (1926/27),
S. 323®. mit zahlreichen Abbildungen und erklärenden Worten vorgeführt. Bei allem
wohlwollenden Verständnis für die eigenartige künstlerische Situation Bayerns im Kampfe
um retrospektive oder neuzeitliche Kunst wurde nicht der Vorbehalt verschwiegen, daß die
Bedeutung Münchens und Bayerns als einer der Hauptsitze deutscher kirchlicher Kunst in
Gefahr sei, wenn man sich aus Überschätzung von Gefühlswerten, die man dann schon Senti-
mentalität nennen muß, — aus Schwerfälligkeit, aus reaktionärer, provinzieller Abschließung
oder aus mangelndem Verständnis für nun einmal unabwendbare neuzeitliche Aufgaben,
denen man mit einer fälschlich »bodenständig« bezeichneten Stilimitation gerecht zu werden
glaubt, von der Entwicklung zu einer neuzeitlichen deutschen Kirchenbaukunst aus- und
abschließt. Ja aus Zuschriften, die mir aus anderen Teilen Deutschlands zugingen, mußte ich
entnehmen, daß man auswärts der Meinung ist, als ob München und Bayern von vorneherein
im Wettbewerb um einen neuen künstlerischen Zeitausdruck ausscheide. Nur wer die Situa-
tion in Bayern ganz oberflächlich kennt, kann eigentlich zu letzterer Anschauung kommen;
denn die wirklichen Tatsachen beweisen, daß in Bayern, und zwar in Altbayern, Schwaben,
Franken und Pfalz ganz gleichmäßig die Umstellung und die Auseinandersetzung mit
neuzeitlichen Problemen des Kirchenbaues langsam, aber konsequent vorwärtsschreiten,
vielleicht in anderem Rhythmus und mit einer tieferen Verwurzelung in bodenständigen
und ererbten Kulturtraditionen als in Norddeutschland, aber deswegen nicht weniger
bedeutungsvoll und zeitgemäß. Über die Ursachen und Prinzipien eines neuzeitlichen
Kirchenbaues ist in diesen Heften in den letzten Jahren von den verschiedensten
Seiten gesprochen worden1). Wenn man neuerdings in einer im bayerischen Klerus sehr ver-
breiteten Zeitschrift diese Ausführungen als leere »Schlagworte« bezeichnet hat, so beruht
dies nur auf einer folgenschweren Verwechslung der Begriffe »Mode« und »Zeitforderung«.
Wer sich wirklich in die Dinge vertieft, sich um die Kenntnis des ganzen Stilwechsels be-
müht, ohne in reaktionärer Vertrocknung alles sich Neuregende von vorneherein aus vor-
gefaßter Antipathie zu verdammen, wird gerade in dem Neuwerdenden elementaren Drang
und modisches Suchen — beides ist vorhanden — zu scheiden lernen. Und dazu mögen auch
die folgenden, sachlich wegweisenden Zeilen beitragen helfen, die Abbildungen fertiger
Kirchenbauten in Bayern begleiten sollen.
Professor Rupert von Miller - München hat in Dorf W i e s s e e, am westlichen Ufer
des Tegernsees, eine stattliche Landkirche gebaut (Abb. S. 3 u. 5). Charakteristisch für sie
ist in erster Linie der geschmackvolle und sichere Übergang von Bodenständigem zu Neuem.
In diese wundervolle, reich bewegte Landschaft, die malerischen Reichtum und grandiose
Naturkraft gleichmäßig umfaßt, setzt er den schmalen, schlanken Körper des lagernden
Putzbaues, der klar und rhythmisch in drei Organe : Chor, Langhaus und Sakristei gegliedert
ist; und als Gegengewicht den nadelhaft spitzen Turm, der gerade in seiner Linienhaftigkeit,

*) Vgl. auch den Bericht über die Dresdner Architekturausstellung, S. 24 ff.

Die christliche Kunst. XXV. Oktober, 1
 
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