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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Editor]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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Grundsätzliches
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Berichte aus Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.59007#0072

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54

BERICHTE AUS DEUTSCHLAND


HERMANN INHETVIN-GELDERN: KRIPPENALTAR IN DER ST.-JOSEFS-KIRCHE ZU KREFELD

nicht hin oder her. Er nahm sie. Seine Mutter,
eine einfache gläubige Bäuerin, glaubte, das Kind
habe die Figur geschenkt bekommen. In der tra-
ditionellen Ecke der Wohnstube, da allgemein
ein Kruzifix, ein Heiligenbild, ein Engel und zwei
Leuchter zu stehen pflegen, auf der Konsole, nahe
an der Zimmerdecke stellte sie die Figur auf. Ein
paar vertrocknete Blumen standen darum. . . .
Der Künstler war immer schweigender geworden.
Denn er bemerkte bei den Besuchern der Werk-
statt ein sichtliches Betrachten des Werkes oder
ein mehr wie flüchtiges Übergehen. . . . Und zuletzt
formte er einen Kruzifixus. Wie Riemenschneider
in Holz, so soll diesmal der Ton Werkstoff sein.
Auf mattglasierten Tonscherben, gelblich weiß
sollen die Blutstropfen von der Geißelung am
Körper hervorleuchten, aus der vertieften Seiten-
wunde, klaffend unter dem Herzen soll das Blut
rinnen, aus den Wunden der Hände und der Füße.
Blutüberströmte Dornenkrone — und darunter ein
verklärtes unschuldiges Antlitz, der Ausdruck
reiner Liebe, die unschuldig ans Kreuz geschlagen
wird. So wird auch dieses Kruzifix seinen Weg
gehen müssen durch die Werkstatt zu den Men-
schen. Eine Plakette wurde gefertigt nach dem be-
kannten Ölgemälde der Zisterzienser zu Ölenberg
mit dem Sinnspruch: Diese Nacht vielleicht. Ein
Klosterschüler hing es an sein Bett. Ein Geistlicher
legte sie in eine Schieblade im Schlafzimmer, ein
anderer hing sie diskret an der Seitenwand seiner
Wohnstube, etwas im Halbdunkel in der Höhe
auf, ein anderer schrieb, man werde damit wohl
keinen großen Absatz finden und ein Zisterzienser-
prior ließ die Plakette in den Novizenräumen an-
bringen. Zuerst aber standen die Plaketten in der
Werkstatt, aus Böttchersteinzeug gegossen. Ein
Monteur trat ein. Er arbeitete an der Kraftleitung
und sah sich auf der Arbeitsstätte um. Da standen
nun die Plaketten auf den Borten: aus einem Ge-

wölbe grinst ein Totenschädel hervor, die eine
Hand hält eine Sense: »Diese Nacht vielleicht.«
Während tiefe Stille herrschte, ertönte unvermittelt
des Arbeiters Stimme: »So rasch geht’s doch
nicht.« ... Er sah dem grinsenden Totenschädel der
Plakette gradwegs ins Gesicht... Er hatte laut
gedacht. DerKünstler wußte auf einmal, wie schwie-
rig eigentlich die devotionale Kunst ist,-weshalb
immer die religiösen Darstellungen so ruhig, so
schweigend, fast nichtssagend blicken. Es ist wegen
der Seelen. Die Problemeder religiösen Kunst liegen
viel tiefer als wir denken, h. v. Hartmann, Trappstadt
Berichte aus Deutschland
BERLINER TAGUNG DER »DEUT-
SCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHRIST-
LICHE KUNST E. V.«, MÜNCHEN
TAie alljährlichen Mitgliederversammlungen der
»Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst«
stellen innerhalb des Gesamtlebens christlicher
Kunstarbeit in Deutschland jeweils einen Mark-
stein dar. Auch die diesjährige Mitgliederversamm-
lung in Berlin war besonders ausgezeichnet durch
die Teilnahme von Diözesanvertretern aus ganz
Deutschland und namhaften Künstlern und Kunst-
freunden, charakterisiert durch eine Einstellung
auf die allgemeinen ganz Deutschland umfassen-
den künstlerischen Aufgaben der Zeit. Durch eine
Erweiterung der Vorstandschaft wurde die Ver-
antwortung für die schwerwiegenden Arbeiten der
»Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst«
viel mehr als bislang auf die weitere deutsche All-
gemeinheit der Mitglieder ausgedehnt. Auch die
Jury- und Wettbewerbsfragen fanden eine groß-
zügige ergänzende Regelung.
 
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