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Deutsche Gesellschaft für Christliche Kunst [Hrsg.]
Die christliche Kunst: Monatsschrift für alle Gebiete der christlichen Kunst u. der Kunstwissenschaft sowie für das gesamte Kunstleben — 25.1928/​1929

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BERICHTE AUS DEM AUSLAND

275

von Aufklärung über manche
spätere Malerei.
Eine Seite aus einer Bilder-
bibel aus demEndedes 13.Jahr-
hunderts mutet uns an, wie
mystische, hohe, gotische Fen-
ster. Es ist eine Apostel-
geschichte mit kurzem Text
und farbensatten, runden Bild-
chen, acht auf jeder Seite.
In der Benediktinerabtei zu
Mondsee im dritten Viertel
des 12. Jahrhunderts vom
Mönche Liutpold unter Mit-
wirkung eines Gehilfen ge-
schrieben, ist die Prachthand-
schrift, welche eine direkte
Fortsetzung der Salzburger
Handschrift des 11. Jahrhun-
derts von St. Peter und Michel-
beuern darstellt. Da sind be-
sonders die Darstellungen der
vier Evangelisten, welche von
ausschlaggebender Bedeutung
geblieben sind. Die Evangeli-
sten Markus und Johannes
stammen von des Gehilfen
Hand, die zwei anderen, wo-
von der Evangelist Lukas die
bestdurchgearbeitete Darstel-
lung ist, stammen von des flei-
ßigen Mönches eigener Hand.
Nicht zu vergessen ist die
berühmte Wenzelsbibel,
welche als einzigartiges Pracht-
werk in keiner derartigen Aus-
stellung fehlen darf, endlich
das Seelengärtlein, eine
Übersetzung von Sebastian
Brands »Hortulus Animae«,
welches wohl vom Maler
Gerard Horenbout ausge-
führt wurde. Eine milde Abend-
röte lagert über einer einsamen
Flußgegend, in roten Wider-


schein eingetaucht sind Fels
und Fluren, der hl. Christo-
phorus steht bis zu den Knien
im Wasser und greift mit zärt-
licher Gebärde zum überirdischen

Kinde, um es

Es ist diese Handschrift neben dem Kommentar

KALVARIENBERG. AUS DEM GEBETBUCH KARLS DES KÜHNEN
FLANDRISCH, UM 1460—70. NATIONALBIBLIOTHEK WIEN

sanft auf seine Schultern zu heben. Hier bereits
ist die Natur selbst beobachtet, ist nicht aus alten
Pergamenten Weisheit geschöpft, sondern Welt
und Mensch gesehen und seelisch erfaßt, ist das
Christuskind völlig der eigenen Phantasie nach-
gebildet, man könnte sagen, in dieser Darstellung
ist ein Schulbeispiel der Umkehr zur Natur, der
Umkehr zu sich selbst, gegeben. Diese Umkehr ist
nun völlig durchgeführt in der flandrischen Hand-
schrift, dem Gebetbuch Karls des Kühnen
von Burgund (Abb. S. 275). Kein Goldgrund mehr,
auf den Menschen gemalt sind, sondern ein Hinter-
grund, Wolken, weiter, sehnsuchtseinschließender
Himmel, Felsen, Burgen, von denen sich plastisch
Menschen abheben, die leben, Menschen aus Fleisch
und Blut, Szenen, die sich zu bewegen scheinen,
wahre, wirkliche Natur. Wie wahr ist das letzte Auf-
bäumen Christi gesehen, wie einzigartig die beiden
Häscher, wie eindrucksvoll jedes einzelneGesicht der
Menge. Da sind nicht nur Köpfe, die die Menschen
andeuten, da sind ganze, lebende Menschen in ihrem
Kummer, in ihrer Befriedigung, in ihrem Erstaunen.

zu Teilen des N eu en Tes tarnent e s, angefertigt
für Math. Corvinus um 1488, wohl das herrlichste
Werk, welches uns gezeigt wird, vielleicht einer der
größten Schätze auf diesem Gebiete überhaupt. Sind
ältere und ganz alte Handschriften vielleicht von
einem unsagbaren Zauber umgeben, der sich uns
mitteilt und uns Ehrfurcht und Bewunderung ein-
flößt, wie alte Dome oder alte Holzschnitzwerke, so
ist diesem Buche die Kraft verliehen, uns zu ban-
nen, die dargestellte Szene miterleben zu lassen.
Mit einem ersten Drucke Gutenbergs, bzw. Fusts,
ist die Ausstellung abgeschlossen. Köstliche Stun-
den sind verrauscht, in denen Jahrhunderte fleißi-
ger Arbeit an uns vorbeieilten. Franz Cäucig-Wien
Benckte aus dem Ausland
JOURNEES D’ART RfiLIGIEUX 1929
T n Paris wurden vom 13. bis 23. Januar zum
x achtenmal die von der katholischen Zeitschrift

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